Liebe Freunde,
heute darf ich einen ganz besonderen Brief vorstellen, der nicht nur äußerlich, sondern vor allem vom Inhalt her traumhaft daher kommt.
Aber zuerst zu den äußeren Umständen, die er machte.
Geschrieben in München am 10.6.1864 und zur Post gegeben am Folgetag wurde er mit 9 Kreuzern treffend frankiert als einfacher Brief unter 16,66 g über 20 Meilen nach Österreich, genauer gesagt nach dem wunderschönen Prag in Böhmen, wo er schon am 12.6.1864 ankam.
Die Adresse lautet: "München Bayern A Monsieur Le Baron Christian Kotz de Dobrz Chambellan actuel de sa Majesté Le Empereur d´Autriche, et Proprietaire de plusseurs terres à Prague, Böhmen, Altstadt Nro. 401 im eigenen Hause dem Theater gegenüber".
Doch da war er nicht mehr, sondern offenbar verreist nach Heiligenkreuz/Hostau. Die Nachsendung erfolgte kostenlos, entweder weil der Post in Prag schon ein Nachsendeantrag vorlag, oder der Empfänger in Österreich wegen seiner Funktion portofrei war.
In jedem Fall stempelte die Post in Prag, wie dort bei Abzugsbriefen so üblich, mit ihrem Aufgabestempel vorne vom 12.1. und leitete ihn weiter (hinten keine weiteren Stempel).
Der Text aber hat es in sich und ich will ihn hier komplett transkribieren:
"Verehrbaren schätzbarer Herr Baron!
Obwohl ich vermuthen muß, daß diese Zeilen nicht
allsogleich in Ihre Hände gelangen werden, will ich doch
es wagen, Ihnen theurer Freund einige Worte
freundlicher Rückerinnerung zu sagen, Ihnen meinen
tiefsten Dank auszusprechen, für die mir so wer-
then unschätzbaren überschickten Photographien, die
mich unbeschreiblich erfreuen, und ich dieselben sogleich
in mein Album legte; diese sind nun alle herrlich
getroffen, ganz besonders gut aber, Sie, lieber
Herr Baron, am wenigsten jedoch der so hübsche interes-
sante Baron Wilhelm, der viel älter und allzu düster
gemacht, thut jedoch nichts, ich habe Sie nun alle, bis auf
Ihre zwey jüngeren Söhne, und keine Macht der Welt
könnte sie mir rauben.
Aus dem Schreiben Ihrer liebenswürdigen Tochter Hauka
ersah ich, daß Sie eine abermalige kleine Reise an den
schönen Rhein und Main unternehmen wollen, wozu
ich Ihnen bester Herr Baron nur besseres Wetter
wünsche, denn wir haben täglich Gewitter und Regen.
Mein Augenarzt will durchaus, daß ich zur Stärkung
meiner Augen einen kleinen Land séjour mache, und
will nur daher die, durch Ihre Güte zu erhaltende Summa
abwarten, um dieß zu unternehmen, vielleicht begebe
ich mich sodann auf 14 Tage höchstens in das nahe gele-
gene so reitzende Starenberg, nehmlich wann ich
ein Zimmer für so kurze Zeit bekommen kann!!
Die Froheleichnahms Prozession ward hier sehr feierlich
begangen, der junge König ging mit dem Zug, uns
war es sehr leid, daß Sie nicht mehr hier waren,
besonders interessirt hätte die gute Hanka.
König Ludwig macht ungeheure Coursen zu Pferd,
allzuviel, neulich, sagt man, war er 9 Stunden zu
Pferde, er passirte einen kleinen Hügel, berg ab,
es ward ihm kühl, er wollte seinen Palletot selbst
umnehmen, daher er die Zügel des Pferdes
zwischen die Zähne nahm, das Pferd stürtzte, er
mit ihm, doch Gott Lob, einer kleinen Schramme
abgerechnet, ist ihm nichts geschehen. ---
Meine Schwester Nina, die sich aufs Verbindlichste
empfiehlt, hat sich sehr über Fräul. Hankas Brief
erfreut, aber auch zugleich betrübt, daß kein
einziges ihrer Loose gewonnen; man sagt es
wäre bey der Ziehung nicht ganz richtig zugegangen.
Künftige Woche ist die Verloosung des Elisabethen
Vereins, was von lauter hiesigen adeligen Damen
geleitet wird, es sind superbe Sachen zu ge-
winnen, Prinzeßin Adalbert gab die schönsten
Geschenke, das Loos kostet nur 12x Silber.---
Vergebung nun, mein theurer gütiger Herr
Baron, wegen meines langen Geschwätzes.
Gott begleite Sie auf all Ihren Wegen!!
Meine tiefste Verehrung Ihrer so lieben Frau
Gemahlin, dem Töchterlein meine herliche
Umarmung, und Ihnen die stete Versicherung
der unwandelbaren Anhänglichkeit und Dank-
barkeit
Ihrer
ergebenen Sophie Schnehen, mpp (manu propria = eigenhändig)
München am
10ten Juny 1864".
Wenn es ein Bettelbrief war, dann auf höchster mit bisher bekannter Ebene. Sicher aber aus dem Umfeld seiner Majestät des Königs Ludwig II von Bayern.
Ich liebe den Brief: 1. wegen Bayern - Österreich, 2. wegen der Weiterleitung, 3. wegen des engen Bezuges zu König Ludwig II von Bayern, 4. wegen der Erwähnung von Photographien und 5. wegen der Erwähnung von Loosen (Lotterien), für die ich auch ein phil. Faible habe. Sammlerherz, was willst du mehr?
Liebe Grüsse von einem sehr glücklichen bayern klassisch