Thema: Nationale Postwertzeichen Ausstellung NAPOSTA 20.-23.7.2023 in Trier
Bendix Gruenlich Am: 30.07.2023 14:01:00 Gelesen: 2941# 36@  
Manchmal muss man sich eben selbst eine Freude machen. Das Stattfinden der Naposta in Trier war ja in der Szene bekannt und lockte daher. Kurzer Blick auf die Karte – ca. 200 km entfernt und daher in Reichweite. Also, am Freitag die Kontorbücher früher geschlossen und erprobt, ob das Deutschlandticket hält, was es verspricht. Eigentlich wäre ein umsteigefreier Regionalzug ab Köln bis Trier über die phantastische Eifelstrecke möglich. Aber die Bahn kommt mit der Reparatur da nicht in die Pötte. Also über Koblenz mit Umsteigen. Ist natürlich prompt schief gegangen (dank Verspätung sieht man die Rücklichter des Anschlussregionalexpresses - dann muss man halt die Regionalbahn nehmen - die hält an jedem Weinberg, aber wozu hat man ein Buch mit auf die Reise genommen).

Über 2.000 Jahre Trier – jedenfalls hat die Moderne einen Cordon mehrspuriger Autostraßen um die Trierer Innenstadt gelegt. Immerhin bin ich auf den Weg zu meiner Herberge erst einmal an der Porta Nigra vorbeigekommen. Faszinierend! Das reicher ich mal um a) das Hauptexportgut des Moseltals (ich hoffe Ihr habt Euch vor Ort ein Gläschen gegönnt) und b) ein Architekturzitat (es lebe die Romantik!) an.



Das Messegelände (Veranstaltungsort) liegt auf der nördlichen Seite der Mosel, moselnah und nah an allerhand Industriearealen, dort ist es funktional, aber bar aller Moselromantik.

Samstagmorgen wollte ich mich zur Veranstaltung aufmachen, da verkündete während meines Frühstücks der „Tierische Volksfreund“, dass ich spät dran sei und die Messe schon seit 6 Uhr geöffnet sei. Das war natürlich ein Tippfehler, die haben die „9“ verkehrt herum gesetzt.

Ankunft am Messegelände gegen 10h00. Lustig: parallel fand ein Riesentrödelmarkt statt, habe ich seit Jahren nicht mehr besucht. Also bin ich kurz durch die Reihen gegangen (natürlich mit Forschungsauftrag im Interesse der Philatelie - ich habe aber nichts briefmarkennahes, wie fünf oder zehn cent-Auswahlalben, sehen können) und bin nach dieser Marktrecherche mal zu den Profis in die Halle gegangen.

Einen sehr guten Überblick über die Fülle des gezeigten Materials gibt die Ergebnisliste im Beitrag Nr. [#35] von 22028. Alles mit viel Aufwand und Herzblut aufbereitet und präsentiert.

Meine Anerkennung und Dank an Aussteller und Organisatoren. „Zeigt doch mal was von eurer Sammlung und sag was dazu“ wünsche ich mir oft, und das wurde hier getan.

Ich habe das mal kalkuliert, ca. 416 Rahmen à 12 A4-Seiten, also 4.992 Album-Seiten - das entspricht 78 Briefmarkenalben à 64-Seiten.

Und das alles an einem Tag, „Binge-Watching“ – also exzessives Angucken würde ich das nennen.

Es dominierte Älteres und Hochpreisiges, ich sah kaum modernes Material (sagen wir mal von Ausgaben nach 1960), das fand sich dann erst bei den Thematikern.

Ist natürlich rein subjektiv und willkürlich, aber ich will ein paar Sammlungen zitieren, um zu zeigen, wie bereichernd und vielfältig so ein Besuch einer Ausstellung sein kann:

• Eine Deutsch-Ostafrika-Sammlung – hier hat mich die Tiefe und Genuität der geschilderten Umstände und Persönlichkeiten beeindruckt

• Witzig und bizarr: wir alle kennen bestimmt die „Lernt Deutschland kennen“-Ganzsachen, die ja letztlich eine touristische Werbung sind. Nun, gezeigt wurde eine Auslandsdestination aus 1942, dort hat die Zensur das touristische Bild geschwärzt.

• Heimatsammlung Görlitz mit der Präsentation vieler Briefstücke und Entwertungen durch die Jahrzehnte hindurch.

• Rhodesien: postalische Dokumentation des Konflikts

• Französische Freimarkenzeichnung (drei Stück im Detail dargestellt – funktional aber auch sinnlich)

• Nach all dem schweren Material: aus der Jugend – eine Sammlung Schiffe auf Marken. Hier viel Modernes, angereicht um echt gelaufenes aus dem Posteingang. Nicht preisgekrönt, aber bunt und kurzweilig.

Also ein abwechslungsreiches Programm würde ich sagen – für jeden etwas dabei.

Auch mal richtig geärgert habe ich mich über ein Exponat. Präsentiert wurde das unter der Überschrift „Der Puppenspieler“. Es enthielt Zitate um das Wirken, des amerikanischen Politikers Edward Mandell House (hat den amerikanischen Präsidenten Wilson beraten und hat eine wesentliche Rolle bei der Positionierung der USA während des Ersten Weltkrieges eingenommen). Das war - tut mir leid - eine Aneinanderreihung von wirren Verschwörungstheorien. Kostprobe (von mir leicht dramatisiert): die bösen, bösen Amerikaner unterdrücken die Welt – und sind Schuld an Umstürzen der für Ihre Liberalität, Freiheit und Wohlfahrt gegenüber ihren Untertanen bekannten Regime: Gadaffis Libyen, Saddam Husseins Irak, das talibanische Afghanistan. Gott bewahre, so der Aussteller, dass die USA demnächst Russland überfallen (der letzte Teilsatz war ein wortwörtliches Zitat). Dazu gibt’s noch irre Auslegungen zu jüdischem Zinswucher, die Schuld am Untergang der Lusitania, am Kriegseintritt Amerikas (der Aussteller hat wohl die Erwartung, dass die Amerikaner sich zum feldgrauen Deutschland mehr hingezogen fühlen, als zum gleichsprachigen und auch sonst kulturell verbundenen Großbritannien, dessen Hauptgläubiger übrigens die USA waren), dem Weltwährungssystem, Golddeckung, usw. usw. Der zitierte „Wirtschaftswissenschaftler“ G.E. Griffin hat sich gem. kurzer Internetrecherche auch zu allerhand anderen Themen geäußert, natürlich ausschließlich kontrovers. Oder war das als Satire gemeint?

Aber davon lasse ich mir die Ausstellung nicht vermiesen (und werde das auch nicht weiter kommentieren - bereits jetzt zu viel der Ehre).

Nett waren die Kinderzeichnungen der lokalen Grundschulen, die „Meine Marke“ gezeichnet haben. Ich habe oft geschmunzelt und gestaunt.

Schiefgegangen ist die Entwertung meines Ausflugsbelegs (Eingang: 29.07.). Die Ansichtskarte ist leider in Teilen verstempelt. Ich erinnere hier an die Ausführungen von journalist zu den Stempelqualitäten des Erlebnisteams. Das Erlebnisteam war informiert, es klappte aber wohl mit dem Kurz-Herunterdrücken nicht. Jedenfalls zeige ich meinen Beleg mal. Es handelt sich bei der Postkarte um eine aus dem Schöning-Verlag - das ist der meiner Wahrnehmung nach führende Hersteller für Ansichtskarten in Deutschland. Bitte mal genau hinschauen: die Marken haben die Farbe gut und präzise aufgenommen, das Kartenpapier hat hingegen die Farbe regelrecht eingesogen und das Bild dadurch verschwimmen lassen. Wie ist es bei Euch gelaufen?



Und zum Schluss möchte ich eine der Kinderzeichnungen würdigen. Es zeigt einen Berliner / Kleinmachnower Löwen, die laufen da frei rum. Die Preussen sollten sich nicht ärgern, schließlich wird jedes Jahr um diese Zeit so eine Sau durchs Dorf getrieben. Ich als Rheinländer bin jedenfalls Stolz auf die absurde Saga, dass in den hier umliegenden Baggerlöchern Krokodile lauern sollen, die gerne mal Dackel verspeisen (hat die Polizei hier vor ein paar Jahren glaube ich wirklich mal gesucht – natürlich zur Sommerzeit und vergeblich). Also, vielleicht greift die Post den Entwurf auf – für die Serie „Deutsche Sagen und Legenden“.


 
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