Thema: Die billigsten und (bisher) viel zu selten besprochenen Briefmarken der Welt
Bendix Gruenlich Am: 13.01.2024 09:41:03 Gelesen: 263# 3@  
Liebe Sammler,

heute müsst Ihr tapfer sein. Ich werde Euch heute einiges zumuten. Irgendwie werde ich meinem Motto auch untreu. Ich würde über eine Vielzahl von Ausgaben, die ich hier thematisiere, eigentlich gar nicht sprechen wollen.

Diese Designs treiben mich zum Wahnsinn - aber sie sind da, es gibt sie, sie werden bzw. wurden vermarktet, sie haben eine Geschichte. Und jetzt, da ich mich einmal damit beschäftige, kann ich sogar der ein oder anderen Ausgabe mal was Positives abgewinnen.

Darum geht’s diesmal: Äquatorialguinea.

Folgt dem link, ich habe dort ein paar Hintergründe (bzw. Abgründe) hinterlegt.

https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=18868&CP=0&F=1

Allerdings muss ich eine Warnung aussprechen: dieser Beitrag enthält Designs und Briefmarken, die als Akt psychischer und gestalterischer Gewalt wahrgenommen werden könnten.

Die Geschichte ist nicht nur philatelistisch, sondern auch historisch in Teilen grausam. Möge die westliche Welt in ihrer aktuellen Selbstgeißelung und Selbstüberschätzung als alleiniger Moralstandardsetzer endlich begreifen, dass das Böse nicht nur vom Kolonialismus und vom weißen Mann ausgeht. Auch ist der Indigene nicht immer grundsätzlich selbstlos und gut, sondern Mensch mit allen bekannten Abgründen. Lest den verlinkten Beitrag und bildet Euch hierzu selbst eine Meinung.

Was gibt’s neben den im Artikel niedergelegten Fakten noch zu sagen.

Provenienz: Ich zeige vier Ausgaben. Den Block habe ich mal von Freunden geschenkt bekommen, die sich mit der Überlassung einer ganzen Partie über meine Sammelei lustig machen wollten. Tatsächlich war die Gabe insoweit ein Volltreffer, als dass ich nicht eine Marke bereits besaß. Die Madonnen und die Sommerolympiade Wasserwettbewerbe habe ich durch Absorbierung irgendwelcher Kleinsammlungen (in Laufe meines Sammlerlebens werden mir so vierzig in die Hände gefallen sein) dazubekommen. Die Olympia 72 Fußball-Marke besitze ich tatsächlich seit über vier Jahrzehnten (ich glaube, aus einem Tütchen vom Apotheker), ohne dass sie mir ans Herz gewachsen wäre.

Wert: Katalogwert aktuell EUR 1,70 - Barwert vermutlich EUR 0,60. Ich würde dafür übrigens nicht einen Cent ausgeben. Ich mag sie einfach nicht.

Motive: einfach nur groß und bunt. Mir ist das einfach zu grell und kommerziell. Ich fühle mich dabei auch getäuscht und vorgeführt. Aber auch folgendes (und jetzt mache ich einer meiner berüchtigten 180 Grad-Wendungen)

• Die Madonnen zitieren eines der bekanntesten und beliebtesten Motive der christlichen Welt: die Mutter mit Kind. Geborgenheit, Liebe, Jugend, Reinheit und Fruchtbarkeit in einem Frieden verheißenden Motiv vereint. Dazu noch von hervorragenden Künstlern (mein Favorit: von Weyden) gestaltet. Selbst die Museen, wo man die Originale findet, sind genannt. Das ist instruktiv und lehrreich. Mit Blick auf die Geschehnisse in Äquatorialguinea in den Siebzigern hatte das auch lokalen Bezug, denn dort half seinerzeit offenbar nur noch beten.
• Die Wassersportmarken sind bunt, nicht völlig gestalterisch misslungen und wer eine Fernsehsendung dieser Zeit schaut, die den Alltag zeigt, so war dieser eher grau und braun. Farbfernsehen war 1972 auch noch neu. Und jetzt kommen diese Marken…die müssen damals sensationell gewirkt haben.
• Block: ist für alle Weltraumfreunde etwas. Space, Technik, ferne Welten – spricht mich persönlich nicht an, aber es gibt eine Schar von Sammlern dieser Motive. Übrigens mit einem phantastischen Sechseck-Flugpoststempel der spanischen Welt versehen. Ist auch noch Marke auf Marke.
• Man mag von dieser Fußballmarke halten, was man will, aber: sie zitiert für mich erkennbar die Silhouette eines architektonischen Meisterwerks: die des Münchner Olympiastadions. Ferner passen die Frisur und das schlabbrige Trikot 100% zur Zeit.

Die richtige Atmosphäre zum Lesen des Artikels: hier fällt mir eine Empfehlung schwer, die Designs sind einfach nicht lokal genug. Gut, wie wäre es denn mit Weißwürsten, Brezeln und einer Halben Helles (Olympia 72 – das Thema hat ja schließlich das Markenjahr 1972 in Äquatorialguinea schwer geprägt) - alternativ ein Brathendl (Hahn ist das Wappentier Äquatorialguineas).

Alles ganz schön irre.

Und hier habe ich noch was. Eine Düsseldorf-Marke aus Äquatorialguinea. Das Düsseldorfer historische Rathaus. Ein schöner Ort. Wenn ihr die Position eingenommen habt wie auf der Marke (ihr also vor der Front steht), dann 180 Grad-Drehung ca. dreihundert Meter gehen, dann rechts, dann steht ihr vorm „Uerige“ (Hausbrauerei). Da stehen bleiben und erstmal draußen ein Bier nehmen und das Glas auf die Philatelie erheben.


 
Quelle: www.philaseiten.de
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