Thema: Alles um mehr oder weniger ausstellungsreife Exponate - Tips und Tricks
Lars Boettger Am: 21.01.2024 18:22:07 Gelesen: 2012# 25@  
@ Frankenjogger [#24]

Hallo Klemens,

wenn ich im Wettbewerb ausstelle, dann nehme ich in Kauf, dass es punktemässig bessere Sammlungen gibt. Für mich geht der Sinn eines Wettbewerbs verloren, wenn alle Aussteller eine Goldmedaille um den Hals gehängt bekommen. Und Du hast recht, nur ganz wenige Exponate haben auf internationalen Ausstellungen bisher 98 Punkte erreicht. Aber es kann irgendwann der Tag kommen, wo 99 oder 100 Punkte für ein Exponat bewilligt werden. Im Kunstturnen galt eine "10" lange Zeit für unerreichbar. Dann kam Nadja Comăneci.

Wer legt eigentlich die Bedeutung der einzelnen Exponate fest? Gibt es da eine Art Katalog? Macht das die Jury bei jeder Ausstellung anhand der gezeigten Exponate? Oder macht das jeder Juror nach eigenem Ermessen?

Wenn Du ein Juror werden willst, dann musst Du eine Ausbildung durchlaufen. Zwei Eleveneinsätze mit anschliessender Beurteilung Deiner Leistung sowie der Besuch von Jurorenseminaren gehören zum Pflichtprogramm. Bei den Seminaren wird anhand von Beispielen über Punkte wie "Bedeutung", "Präsentation" oder "Plan" gesprochen. Als Juror bist Du immer im Team unterwegs und präsentierst dann Dein Ergebnis den anderen Juroren. Ich habe es schon oft erlebt, dass sich das gesamte Jurorenteam bei abweichenden Meinungen vor einem Exponat versammelt und diskutiert hat. Erst wenn alle Juroren einig sind, steht ein Ergebnis für ein Exponat.

Das ist falsch! Du kannst diesen Punkt nicht verlieren, weil du ihn gar nicht erreichen kannst. Er wird dir von Beginn an nicht gewährt, er wird dir quasi gestohlen.

Das sehe ich anders. Es ist meine Aufgabe als Aussteller, die Juroren davon zu überzeugen, dass mein Exponat "bedeutend" ist. 22028 [#23] macht das m.M. nach sehr gut. Er stellt seine neuen Belege und seine Forschungsergebnisse in den Foren und auf seiner Webseite dar. Dazu veröffentlicht er Artikel in den massgeblichen Medien wie "The Philatelist". Meine Strategie ist, die luxemburgische Philatelie und Postgeschichte durch ein sogenanntes "Display" bei der Royal Philatelic Society in London im Mai 2024 zu präsentieren. Das ist eine langfristige Strategie, aber sie zeigt durchaus Wirkung.

Ähnliches gilt für den "Stellenwert". Das ist zwar für mich anhand deiner Erläuterung logischer nachvollziehbar, aber ist dieser Punkt denn nicht schon durch die Bewertungskategorie "Seltenheit" in "Seltenheit und Erhaltung" abgedeckt?

Nicht jeder von uns Ausstellern hat ein Exponat über die ersten Auflagen von Mauritius, die Ochsenköpfe der Moldau oder die Ochsenaugen von Brasilien, wo es grössere Schnittmenge von diesen Bewertungskriterien geben kann (nicht muss).

Machen wir ein fiktives Beispiel: Du hast die beste Heimatsammlung "Hintertupfingen". In Ihr enthalten sind alle in Hintertupfingen benutzten Stempel, sogar mit Früh- und Spätdaten. Da in Hintertupfingen mit seinen 100 Einwohner erst 1902 eine Postablage eröffnet wurde, enthält Dein Exponat kaum Altbriefe, Briefe aus der altdeutschen Markenzeit oder der frühen Kaiserzeit. Du bist froh, dass Du die Postablage mit ein paar Ganzsachen und Postkarten dokumentieren kannst. Aber schon Briefe ins Ausland sind Dir nach fünfzigjähriger Forschung nicht bekannt geworden.

Als Juror muss ich jetzt Dein gezeigtes Material beurteilen. Und da wird sich jeder Juror schwer tun, Dir 20 Punkte für Seltenheit zu geben. Auf das Deutsche Reich bezogen sind die Ganzsachen nicht selten, die Postkarten sind nicht selten und die einfachen Briefe sind nicht selten. Du hast als Aussteller ein sehr enges Gebiet gewählt und hervorragend bearbeitet, Du hast bei den besten Thematiksammlern gelernt und ihre Präsentationstechniken übernommen. Wenn Du aber das Exponat in einem grösseren Zusammenhang siehst, dann fehlen Dir besondere Versendungsformen oder Transitbriefe der Altbrief- oder Altdeutschland- und Kaiserzeit. Das muss ich als Juror berücksichtigen. Du hast es bei der Wahl Deines Exponatsthemas in der Hand, ob Du seltenes Material einbauen kannst und damit bei der Seltenheit punktest, oder ob es aufgrund der Enge des gewählten Titels nur einfache Marken und Belege gibt.

Aber hier entwickelt sich die Philatelie und das Jurorenwesen weiter. Gut aufgebaute Heimatsammlungen haben heute bessere Chancen auf eine gute Bewertung, als noch vor 20 Jahren.

Was mir beim Ausstellen auffällt, sind die guten Ergebnisse der Skandinavier. Hier wurden in den letzten 20 Jahren erfolgreich die Aussteller geschult. Und hier hat Deutschland Nachholbedarf. Für die Thematik sind es Franz und Eva Zehenter, die mit ihrem Verein wirklich gute Exponate vorgestellt haben. Und nein, bei dem letzten Beispiel war nicht ein dicker Geldbeutel für den Erfolg ausschlaggebend, sondern die Beachtung der Ausstellungsregeln und gute Ideen.

Mich würde von Dir interessieren, was Deine Erwartungshaltung war. Aus der Diskussion sehe ich bei Dir eine grosse Frustration. Also woran liegt es? Hast Du Dir die Youtube-Reihe des BDPhs "FIT FOR IBRA" angesehen bzw. die Zoom-Videos der FIP zum Ausstellen in der Postgeschichte mit Fokus auf die einzelnen Bewertungskriterien? Das wären zwei sehr wichtige Quellen, die ich immer mal wieder konsultiere.

Beste Grüsse!

Lars
 
Quelle: www.philaseiten.de
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