Thema: Sudetenland: Verborgene Schätze
juni-1848 Am: 22.01.2024 22:15:05 Gelesen: 2467# 128@  
Moin zusammen.

@ sudetenphilatelie [#1] berichtet von den tschechischen Urmarken, die 1938 mit deutschen Befreiungsüberdrücken versehen wurden. In etlichen Folgebeiträgen sehen wir sogenannte "Befreiungsstempel".

Doch dieses kleine überschaubare Sammelgebiet Sudetenland (1939 Bis 1945) bietet in diesem kurzen Zeitraum so viel mehr "verborgene Schätze".

In der Stempeldatenbank eines verstorbenen Sammlers fand ich einen Ordner mit Bildern (meist geringer Auflösung) dieses Gelegenheitsstempels

https://philastempel.de/stempel/zeigen/575760



Ergänzend dazu weitere 18 Fotos von Ganzbelegen und Dokumenten überwiegend extrem geringer Auflösung, so dass selbst mit "Bild-Nachbearbeitung" wenig zu erkennen ist. Also eigentlich für den "Papierkorb"...

... eigentlich wäre es unverzeihlich, den ebenfalls dort aufgefundenen für einen oder zwei Ausstellungsrahmen vorbereiteten Text aus der "D-mark-Zeit" (im Folgenden kursiv) samt Grafiken unseren Sudetensammlern vorzuenthalten.

Damit auch Nicht-Sudeten-Sammler neugierig werden, vorab ein kurzer Verweis auf die in Beitrag 48

https://www.philaseiten.de/beitrag/173645

gezeigte "Reichsgau Sudetenland"-Karte.


SUDETENFAHRT DER DEUTSCHEN TECHNIK

Nach dem Propagandaerfolg einer Wanderausstellung der Deutschen Technik in einem Sonderzug der Reichsbahn durch Österreich wurde eine Gruppe namhafter Ingenieure um Karl-Otto Saur, Fritz Todt und weiteren von Do. 24. November bis So. 4. Dezember 1938 auf eine Fahrt durch den Reichsgau Sudetenland" geschickt.

Wie schon in Österreich wollte auch hier die NS-Propaganda mit der Sudetenfahrt der anstehenden Volksabstimmung zum Anschluss an das Deutsche Reich den Weg zu einem alles überzeugenden "Ja!" ebnen.

Zwei Monate nach dem Eintreffen deutscher Truppen im Sudentenland und vier Monate vor Hitlers triumphaler Ankunft in Prag wurde auf der Sudetenfahrt deutsche Technologie als unverzichtbares wirtschaftliches Allheilmittel für die neue nationalsozialistische Gesellschaft propagiert.


Zur räumlichen Orientierung hier eine in der Datenbank vorgefundene Grafik (ohne Quellenhinweis) mit den Stadt- und Landkreisen der drei Regierungsbezirke des Sudetengaus: Eger, Aussig und Troppau.



Nach den Österreich-Erfahrungen wurden diesmal 2 Züge mit zusammen 16 Waggons eingesetzt.

Der Ausstellungszug wurde speziell hergerichtet für die Präsentation synthetischer Materialien, die hauptsächlich durch neue chemische Prozesse entwickelt wurden wie z.B. aus Eisenerzsedimenten gewonnenes Vanadium, durch Legierungs- und Wärmebehandlung hergestellte Hochleistungswerkzeuge, ein neuer rostfreier sowie säure- und hitzebeständiger Stahl, plattierte Stahlträger, Stahl- und Legierungsteile für Automobile und Flugzeuge sowie synthetischer Gummi. Damit auch im Sudetenland technologische Neuerungen das Los der Arbeiter ohne Arbeitsplatzverluste erleichtern, gelangten die Nationalsozialisten zu dem Schluss, dass die Eingliederung aller Sudeten-Ingenieure in den NSBDT (NS-Bund Deutscher Technik, der nationalsozialistische Dachverband der Ingenieure) eine Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Projekte sei.

Der "gläserne Waggon", so genannt wegen seiner ausladenden Fenster, beherbergte die Ausstellung " Technologie im Dienste der Menschen".

Neben dem neuen Volkswagen wurden auch Radios und Staubsauger ausgestellt, um " Technik im Dienste der Familie" zu demonstrieren. Zur Förderung der Konsumanreize erhielt ein Autobahnarbeiter aus Jechnitz als 100.000ster Zugbesucher ein Radio, der 200.000ste erhielt eine Waschmaschine und der 300.000ste einen Kühlschrank.

Im Waggon "Neues Bauen im Dritten Reich" gab es zahlreiche Ausstellungsstücke wie das Autobahnnetz mit seinen beeindruckenden Brücken, ein Musterhaus der Hitlerjugend, eine "Gartenstadt"-Siedlung und Modelle eines Zeppelins und des "Kraft durch Freude"-Dampfers "Wilhelm Gustloff".

Der zweite Zug verfügte über zwei Personenwaggons zweiter Klasse, die als Büros dienten und als Schlafräume für die Lokführer, zwei Plattformwaggons für einen neuen KdF-Volkswagen und Feldküchen zur Verpflegung, einen leichten Proviantwaggon aus Stahlblech und einen Gepäckwaggon mit sieben Tonnen Propagandamaterial. Der Zug verfügte über ein Radio-Film-Zentrum und eine eigene Druckerei, in der für die Offiziellen nebst Bahnarbeiter die "Zugtageszeitung" (mehr eine "Bierzeitung") produziert wurde.


Zwei unter Streifband versendete Exemplare befinden sich unseres Wissens nach in US-amerikanischen Sammlerhänden.

Das zugeigene Postamt verwendete während der Fahrt den immer gleichen "Sonderstempel" - der Einfachheit halber ohne Ortsnamen.

Für Sammler also nicht ganz so einfach, Belege der verschiedenen Ausstellungsorte zu finden:

Die Züge starteten in München mit Zwischenhalt in Wiesau (kurz vor der Grenze) zum ersten Reiseziel Eger (Cheb), weiter nach Falkenau an der Eger (Sokolov), Karlsbad (Karlovy Vary), Komotau (Chomutov), Brüx (Most), Teplitz-Schönau (Teplice-Šanov), Aussig (Ústí nad Labem), Tetschen (Děčín), Böhmisch Leipa (Česká Lípa), Deutsch-Gabel (Jablonné v Podještědí), Reichenberg (Liberec), durch das östliche Sudetenland (u.a. Mährisch Trübau (Moravská Třebová), Olmütz (Olomouc), Troppau (Ostrava)) zurück nach Reichenberg und über Pilsen (Plzeň) zum Heimatbahnhof München.


Da das vorgefunden Bild einer Postleitkarte (mit 20? Haltestellen) nach dem Öffnen die "Größe einer Briefmarke" aufwies, hat ein interessierter Sammlerfreund nur die 15 im Text genannten Haltestellen in eine Google-map übertragen, die selbstredend nicht den historischen Bahnlinien folgt sondern aktuellen Straßen:



Wer also die einzelnen Haltestellen dieses Sudetenzuges philatelistisch nachweisen möchte, muss jeden Beleg mit obigem Stempel nach weiteren Stempeln, Mitteilungen wie "...Grüße aus..." und Absenderadresse - also auch die Rückseite - unter die Lupe nehmen...

Nach rund 2.600 Kilometern mit 27 Haltestellen war die Sudetenfahrt ein noch größerer Erfolg als die Österreichfahrt:

Über 310.000 Besucher in zehneinhalb Tagen und 185 Filmvorführungen vor über 120.000 Zuschauern.

Neben 220.000 Hitlerbildern wurden über 300.000 "Winterhilfswerk"-Postkarten sowie 34 Tonnen Material der DAF (Deutsche Arbeitsfront) an Besucher verteilt.
Die Anziehungskraft des "Wunderzuges der Technik" wurde für viele Besucher zusätzlich motiviert durch die von den Feldküchen zu den Ausstellungsstücken ausgegebene heiße Schokolade mit Kuchen oder Würstchen mit Brot.
Ausstellungsgutscheine für kostenloses Essen wurden am jeweils nächsten Zielort vorab an Bedürftige verteilt.

Zur Halbzeit der Fahrt waren schon mehr als 175.000 (= mehr als ein Drittel) der Besucher verpflegt worden.

Am Ende hatte der Zug mindestens 115.000 Packungen Kekse, 80.000 Portionen Schokolade und 35.000 Wurst- und Brotrationen verteilt.


Mangels Quellenangabe lege ich für hier Berichtetes höchstens den kleinen Zeh ins Feuer... für ein Sekündchen... zumal auch drei vorgefundene Links auf nicht mehr existente Seiten führten.

Die eingefügten Kurzbeschreibungen der nicht mehr zeigbaren Ausstellungsbelege habe ich aus dem Text entfernt.

Mit bestem Sammlergruß,
Werner
 
Quelle: www.philaseiten.de
https://www.philaseiten.de/thema/54
https://www.philaseiten.de/beitrag/334414