Thema: Wie bringt man die Jugend zum Briefmarken sammeln ?
Vernian Am: 29.03.2024 23:52:51 Gelesen: 1023# 91@  
Gute Frage, wer denn nun überhaupt die Kernzielgruppe ist. Inzwischen bin ich 57 Jahre jung geworden (auch wenn ich vom Kopf her immer noch irgendwo in den 30ern bin). Natürlich habe ich versucht meinem eigenen Nachwuchs das Sammler-Virus beizupuhlen, mal vorsichtig eingeschätzt ohne Erfolg, ganz habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Aber mal ganz objektiv-ehrlich: Welche Postsendung kommt noch mit Briefmarke ins Haus? Und wenn ja, wie viele dann mit nicht nur einem schon mehrfach gesichtetem Dauerwert? Wo also soll ein Anreiz entstehen, sich für das Sammeln von Briefmarken zu begeistern?

Der Jules-Verne-Club (dem ich als Vorsitzender vorstehe) versucht dieser Eintönigkeit durch das Verkleben von Vignetten des Clubs etwas entgegenzusetzen, dazu ist der Club innerhalb des Territoriums einer Micronation beheimatet, die ebenfalls einen Postdienst mit Briefmarken unterhält, womit Sendungen des Jules-Verne-Clubs und private Post seines Vorsitzenden in Bezug auf "Briefmarken" üblicherweise außerordentlich ansprechend und bunt frankiert auf Reisen gehen, und dies in einigen hundert Sendungen pro Jahr. Das damit hervorgerufene Feedback bzw. Interesse an den Marken der Micronation tendiert aber nahe gegen null, allerdings ist das Interesse von Verne-Freunden an den Vignetten des Verne-Clubs ungebremst hoch, mehr wie die Hälfte der Auflagen der Club-Vignetten geht an Abonnement-Sammler ab. Bedauerlich, dass der überwiegende Teil heutiger "Philatelisten" sowohl weder Werbe-Vignetten, noch Marken von Micronationen, als sammelwürdig ansehen. Also auch "hausgemachtes" Leid.

Es ist also offenbar vor allem eine Frage der Thematik, wonach Sammel-Interessierte schauen und bereit sind zu kaufen. Briefmarken an sich - nein. Briefmarken oder eben Vignetten zu einem speziellen Thema: Ja natürlich, wenn der Preis stimmt. Nicht umsonst bemühen sich sogenannte Marken-Agenturen diverser "Länder", irgendwie durch thematische Ausgaben Käufer zu locken. Motivphilatelie lautet der Begriff dafür, Briefmarkensammeln lässt sich also heutzutage nur durch eine breite Masse thematisch abgestimmter Ausgaben motivieren, nicht durch Altherrenthematik eines Kunstbeirats, der irgendwelche ohnehin kaum zur Verwendung gelangender Ausgaben irgendwelcher uralt-Jubiläen befürwortet.

Da kann der gestandene Philatelist sich noch so sehr bemühen, der "Jugend" das Sammeln schmackhaft zu machen - gibt es weder das Thema noch das Motiv einer Marke, dass (junge) Leute ansprechen kann, dann ist jede Bemühung umsonst und vor allem: Selbst wenn es thematisch oder vom Motiv her ansprechende Marken gibt - wenn diese nicht auch im regulären Postverkehr Verwendung finden und als Frankatur potenzielle Interessenten erreichen, dann wird das Interesse niedrig bleiben. Anders gesagt: Mit der derzeitigen Praxis, Frankaturen überwiegend nicht mehr mittels Briefmarken vorzunehmen, wird auch kein Nachwuchs für das Sammeln zu generieren sein. Es ist einfach zu akzeptieren, dass das Sammeln von Briefmarken und die Philatelie an sich ein aussterbendes Phänomen ist. Alle Bemühungen Nachwuchs zu generieren in Ehren - aber es wird (so) nichts retten und das ist noch nicht mal in der Ursache ein Problem der Sammlerschaft, sondern in den veränderten Frankaturverfahren begründet. Das Sammeln hat sich entwickelt, weil es reizvoll war all die zackigen Klebezettelchen von der eingegangenen Post zu sammeln und zu bewahren, abzulösen, anzuhäufen. Dieser Reiz existiert kaum noch, weil er kaum noch in Erscheinung tritt. Wer begeistert sich schon für Barcode-Freimachungen? Oder Handy-Porto? (von ein paar eingefleischte Fetischisten mal abgesehen). Wer sendet heute noch aus dem Ausland Postkarten oder gar Briefe mit exotischen Marken exotischer Länder? Oder wer, der dies möchte, erhält dort noch Marken und keine Barcodelabel? Wie oft erreicht heutzutage noch einen Jugendlichen oder auch sonstigen Normalsterblichen eine Postsendung mit BRIEFMARKE?

Machen wir uns nichts vor: Eine "Erholung" des Hobbies "Briefmarken sammeln" wird es nicht mehr geben - die Frage ist nur, auf welchem (niedrigen) Niveau es sich am Ende einpendeln wird.

Best

V.
 
Quelle: www.philaseiten.de
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