Thema: Moderne Privatpost in Deutschland
Stefan Am: 08.06.2011 22:28:19 Gelesen: 2494267# 281@  
@ Pommes [#280]

Als kleines Dankeschön - ich hoffe es bringt Dir etwas Erkenntnisgewinn! - habe ich mal meinen Scanner heiß laufen lassen und die von Dir beschriebene "Insolvenzmasse" auf Belegen in einer meiner Kramkisten gesucht. Ich befürchte allerdings, dass es sich - zumindest aus Deiner Sicht - um Massenware handelt. Nichtsdestotrotz kann auch die moderne Post hier mal gezeigt werden.

1. der Begriff "Massenware" ist relativ :-)
2. du zeigst anhand der Scans ein schönes Spektrum an aktuellen Frankierarten einzelner PIN-Niederlassungen in Brandenburg :-)
3. gerade die gezeigten Werbeeinsätze (des Absenders) sind mir (im Gegensatz zu vielen Frankierarten selbst) nicht zwingend bekannt :-)

Als Nachtrag sollte auch geschrieben werden, dass sich die in Beitrag [#277] genannten Tochterunternehmen der PIN Group selbst nie in der Insolvenz befanden, im Gegensatz zu mehreren Dutzend weiteren operativ tätigen Tochterunternehmen (von ca. 100 (!) Töchtern) der PIN Group und dem Mutterkonzern mit früherem Sitz in Leudelange, Luxemburg.

Dein erster Scan verrät, dass PIN Mail Wildau (bis ca. 2006 Briefexpress Röder GmbH) den KEPnet-Stempel nutzt. Anlass für die Schaffung dieses Stempelerscheinungsbildes war der Versuch (?) der Deutschen Post AG, das Aussehen von Hand- und Absenderfreistempeln rechtlich über Patente schützen zu lassen, verbunden mit einem im Anschluss folgenden jahrelangen Rechtsstreit. Dem Antrag wurde Ende 2002 oder Anfang 2003 durch das Patentamt in München stattgegeben (undzwischendurch zur Löschung freigegeben und widerrufen usw...). Als Konsequenz rollte eine Abmahnwelle über Mitbewerber der DPAG, welche seinerzeit relativ häufig umgebaute Absenderfreistempelgeräte für die Frankierung zur Eigenzustellung nutzten und dadurch Grundelemente der DPAG-Stempel zeigten (Bsp. bei AFS: rechteckiger Wertrahmen und runder Orts-/Datumsteil, wahlweise zusätzliche Zuschaltung des Kundenklischees als Werbeeinsatz). Der Bundesverband der KEP-Dienste e.V. ließ daraufhin das Layout eines eigenen Absenderfreistempels erstellen und rechtlich schützen. Dieses Layout wird kostenlos den Mitgliedern zur Verfügung gestellt (Quelle: http://www.pressebox.de/pressemeldungen/bundesverband-der-kurier-express-post-dienste-ev/boxid/132808). Seitens PIN Mail Wildau wurde zusätzliche die Angabe "ZUP154" ("Zentraler Umschlags Punkt" im Postleitbereich 15-4?) zugeschaltet und verweist damit auf die Kooperationstätigkeit für TNT Post (Mail Alliance).

Scan 2, oberer Beleg, trägt die Kennung "ma 153-1 2" (Mail Aliance von TNT Post, Partner 153-1). Der untere Beleg verweist auf die (frühere) Kennung "1156" (anstelle DE 1156) des ehemaligen Konkurrenten PIN Group für die PIN-Niederlassung Woltersdorf. Beide Nummern stehen für PIN Mail Woltersdorf. Postalische Nebenstempel von Mitbewerbern der Deutschen Post sind allgemein nicht häufig. ;-) Bei dem Bleistiftvermerk "04" (?) könnte es sich um eine Notiz des Zustellers handeln, der erstmals versucht hat, die Sendung zuzustellen. Es ist durchaus üblich, dass Unzustellbarkeitsgründe mehr oder weniger codiert vom Zusteller auf der Briefvorderseite handschriftlich (meist mit Bleistift) notiert werden. Die nachgelagerte Abteilung für die Bearbeitung von Briefrückläufern kann anhand solcher Codierungen/ Kürzel den Unzustellbarkeitsgrund entnehmen und entsprechend weiter bearbeiten (Bsp. Recherche nach einer neuen Anschrift bei verzogenen Empfängern).

Die weiteren Scans zeigen allesamt eine der beiden o.g. Nummern von PIN Mail Woltersdorf. Hierbei handelt es sich um Briefzentren (Eisenhüttenstadt, Frankfurt/Oder, Fürstenwalde), welche zu PIN Woltersdorf (bis 2006 Speedy Express GmbH) gehören.

Scan 7 zeigt den Umschlag eines Postzustellungsauftrages (PZA). Obwohl es von Mitbewerbern der DPAG beförderte und zugestellte PZA in Massen geben müsste, sind diese allerdings sehr selten in Sammlerhand zu finden.

Bei dem im Scan 9 gezeigten Absenderfreistempel sollte es sich um einen Postausgangsstempel des Absenders handeln. Neben der Stempelung des Postausgangsdatums (= i.d.R. Einlieferungsdatum bei einem Mitbewerber der DPAG -> Laufzeitkontrolle) lässt sich durch diese Behandlung auch die Anzahl der "frankierten" Briefe + theoretische Portostufen (DPAG) feststellen. Da Mitbewerber der DPAG normalerweise ihre Dienstleistung erst nach vollbrachter Leistung (i.d.R. 1-2 monatlich) dem Absender in Rechnung stellen, kann der Absender anhand der Postausgangserfassung bequem die Rechnung mit den eigenen Daten vergleichen. Bei mehreren solcher Belege lässt sich auch nachweisen, ob der Mitbewerber der DPAG mit dem Datum der Einlieferung oder dem Datum der Zustellung (i.d.R. darauffolgender Werktag) frankiert. In Deutschland kommen beide Arten vor, wobei das Zustelldatum im Stempel augenscheinlich in der Minderheit auftritt. PIN Mail Frankfurt/Oder scheint dem gezeigten Beleg mit dem Tag der Einlieferung zu frankieren.

Das Vorkommen von Absenderfreistempeln als Postausgangsstempel kommt auch auf Belegen vor, die bei anderen Briefdienstleistern eingeliefert wurden. Im Einzelfall stempelte (von Frankierung möchte ich in solch einem Fall nicht sprechen) der Absender noch mit roter Farbe (bei der DPAG selbst seit Juli 2002 als Frankierfarbe nicht mehr zulässig, obwohl aktuell im Einzelfall als DPAG-Frankierung noch vorkommend). Als Sammler sieht man dadurch auch AFS in Nullstellung außerhalb von Musterabschlägen. :-)

Gruß
Pete
 
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