Thema: Schwaneberger Verlag über Michel Preisnotierungen
Richard Am: 30.03.2008 17:04:57 Gelesen: 13474# 1@  
Gestern schrieb 'Katze 52' im BDPh Forum über seine Anfrage an die Michel Katalogredaktion:

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Zur Diskussion über Katalogpreise passt meines Erachtens ganz gut ein Gedankenaustausch an Hand eines Briefes bzw. der darauf folgenden Antwort von Herrn Slaby aus der Michel-Katalogredaktion. Daraus möchte ich nichts vorwegnehmen - nur soviel: Es sind offenbar noch hartnäckige "Verkrustungen" von "Michel" im Umgang mit andersdenkenden zu spüren. Hier naxchfolgend mein Schreiben und die Antwort des Herrn Slaby:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Als engagierter Philatelist und langjähriger Mitarbeiter in einem Briefmarkenhandelshaus frage ich mich derzeit, welche Gründe wohl bei der Katalogpreisfindung durch Ihr Haus in Betracht kommen. Stets hat der Verlag betont, dass die Preisfindung zum einen durch den Handel, aber auch durch Kontakte zu Auktionshäusern, Arbeitsgemeinschaften und sicher auch durch Resultate auf den Internetplattformen ermittelt werden können. Leider scheinen nach meinen Beobachtungen die niedergelegten Katalog-Preise weit am tatsächlichen Marktgefüge vorbei zu gehen, betrachtet man die gängige Standardware Bund/Berlin/DDR. In unserem Briefmarkenhandel verkaufen wir regelmässig Standardware ausschliesslich in bester Qualität und erzielen dabei Preise bei Ebay, dass sich die berühmten Haare raufen! Ein Beispiel: Bund Michel 166, Katalogpreis 60 Euro postfrisch, erzielter Preis 3,33 Euro plus Porto! Bund Mi. 117/20 gestempelt rund, Michelpreis 200 Euro, erzielter Erlös 18,50 Euro plus Porto. Diese Beispiele liessen sich unzähliger Male fortsetzen.

Manchmal frage ich mich, welche Strategie ein Verlag mit solchen irrelevanten, angeblichen Handelspreisen verfolgt. Kein Mensch würde Mi. 117/20 gestempelt für 50 Prozent Michel kaufen wollen, nicht einmal mit Luxus-Entwertung! Ich kenne den Markt seit mehr als 40 Jahren und so sind mir auch noch die Zeiten der Haussen und Bruttopreis-Kataloge bestens bekannt. Schon damals konnte man sich reich rechnen und ich fürchte, dass dies jetzt auch so sein soll - aber gründlich am Markt vorbei gedacht.. Selbst im Ladengeschäft sind enorme Rabatte auf die Michelpreise nötig um überhaupt Umsatz zu erzielen. Ich wünschte mir realistische Preise und nicht nur das alljährliche Staunen ob der satten Katalogpreise und der immer geringer werdenden Gewinne im Handel. Meines Erachtens müssten die Katalogpreise auf breiter Basis um mindestens 50 Prozent herab gesetzt werden. Dabei sehe ich nicht die Gefahr, dass dann die Gewinne im Handel noch geringer werden. Immerhin müssen wir heute eine Mi. 166 Bund bestens postfrisch für etwas mehr als 5 (!!!) Prozent Ihrer ANGEBLICH SO KORREKTEN Notierung abgeben:

Vielleicht haben Sie ein Argument um mich vom Gegenteil zu überzeugen? Darauf wäre ich gespannt!

Freundliche Grüsse

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Antwort des Herrn Slaby: vollständiges Zitat

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Sehr geehrter Herr Lindenthal,

die Preisnotierungen sind in der Tat ein leidiges Thema, und wir haben auch mehrfach versucht, die Notierungen nicht mehr an den allerhöchstens im Ladengeschäft verlangten Preisen für Einzelmarken, wenn sie einzeln herausgesucht und einzeln verkauft werden, zu orientieren, sondern das Bewertungsniveau vorsichtig zu reduzieren. - Der Erfolg war allerdings katastrophal:

Händler, die bis dahin 50 Prozent Katalog verlangten, gingen nicht etwa auf 60 oder 70 Prozent hinauf, sondern beharrten auf ihrem Preisniveau von 50 Prozent und entrüsteten sich allerheftigst über den bösen MICHEL, der sie mit seiner Preispolitik zugrunderichten würde. - Man muss dabei bedenken, dass ein hoher Prozentsatz der Händler "Quereinsteiger" aus der Sammlerschaft und keine ausgebildeten Kaufleute sind und, wie es ein sehr bekannter und erfolgreicher Berufsphilatelist einmal ausdrückte: "...die sind mit ihren Dumpingpreisen schon längst pleite, sie haben es bloß noch nicht gemerkt." Vor allem merken sie nicht, dass niedrige Preise für nicht ganz erstklassige Ware vielleicht in Ordnung sind, die absolut einwandfreien Stücke aber ihr gutes Geld kosten müssen, um einen Betrieb kostendeckend führen und auch die Lagerbestände wieder mit 1a-Material auffüllen zu können.

Das Preisniveau für ganze Jahrgänge oder komplette Sammlungen ist logischerweise, schon wegen des weitaus geringeren Arbeitsaufwandes und damit niedrigeren Arbeitskosten des Händlers, deutlich niedriger, als die Addition von Einzelmarkenpreisen glauben macht, und über E-Bay-Ware braucht man wohl nicht zu diskutieren. Für minderwertige Marken und solche, deren Qualitätsmängel nicht gleich erkennbar sind, bezahlt man halt nicht den Preis wie im Einzelhandels-Fachgeschäft, wo man jede Marke auf Herz und Nieren untersuchen kann, bevor man sie kauft. Und dass ein 1-Mann-Versandhandels-Betrieb, der vom Schreibtisch aus arbeitet, weniger Nebenkosten hat als ein Händler mit Angestellten und Ladenmiete, versteht sich von selbst; er kann also Marken, die er zum gleichen Preis wie ein Ladenhändler angekauft hat, mit niedrigerem Preis und vielleicht sogar höherer Gewinnspanne weiterverkaufen.

Dass es immer auch einen grauen und schwarzen Markt gegeben hat und auch geben wird, ist ebenfalls ein offenes Geheimnis; und in diesen Bereich ist eben jetzt Ebay dazugestoßen. Diese Preise können aber wohl nicht ernsthaft die Basis für eine Katalognotierung sein. Auch Auktionsergebnisse sind nicht per se schon als Endpreise anzusehen, da sich ja auch viele Händler auf Auktionen mit dem von ihnen gesuchten Material versorgen. Auktionsergebnisse sind also in vielen Fällen als "Großhandelspreise" anzusehen.

Und sehen Sie sich zum Beispiel die Firma Goldhahn an: Da wird im Verkaufskatalog klar getrennt zwischen Massenware und nicht so ganz einwandfreiem Material, das dann in etwa Ebay-Preise kostet, und absolut einwandfreier Ware mit durchaus "seriösen" Preisen nahe der Katalognotierung. Vielleicht wäre das auch für den Einzelhandel ein Weg, aus dem derzeitigen Preisschlamassel herauszukommen?

Unsere Redakteure richten sich in Deutschland nach dem Preisniveau der großen Versand- und Einzelhändler, die absolut einwandfreie Ware mit Qualitätsgarantie (!) anbieten und dafür entsprechend gutes Geld verlangen - und auch bekommen, wobei deren Umsätze etwa 60 bis 70 Prozent des Gesamtumsatzes des deutschen Briefmarkenhandels ausmachen.

Das Dumme bei der ganzen Geschichte ist, dass viele Händler glauben, auch mit ablut einwandfreier Spitzenware diesen Dumping-Irrsinn mitmachen zu müssen, der vielleicht bei nicht ganz einwandfreier Ware sinnvoll sein mag, aber sicher nicht auf Spitzenware angewandt werden sollte. Sehen Sie sich das Preisniveau in anderen internationalen Katalogen an: Sie werden keine gravierenden Unterschiede zu den Bewertungen in den MICHEL-Katalogen finden. Dass man Marken bei Ebay oder auf dem Flohmarkt zum Teil "nachgeschmissen" bekommt, ergibt ein recht schiefes Bild, das man sich im Briefmarken-Einzelhandel besser nicht zum Vorbild nehmen sollte.

Mit freundlichen Grüßen
MICHEL-Redaktion
i.V. Erich H. Slaby

SCHWANEBERGER VERLAG GMBH
Ohmstr. 1
85716 Unterschleissheim
GERMANY
 
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