Thema: Urteil: Hartz IV - Sammler müssen sich von ihren Marken trennen
Cantus Am: 27.05.2012 00:44:19 Gelesen: 17642# 13@  
Guten Abend zusammen,

mir scheint, dass sich hier eine Menge Leute zu Wort melden, die vom SGB II überhaupt keine Ahnung haben und deshalb das zur Münzsammlung ergangene Urteil jeweils frei auf andere Gegebenheiten übertragen.

Zunächst einmal die Klarstellung, dass Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweiter Teil - (SGB II) (landläufig Hartz 4 genannt) sozialhilfeähnliche Leistungen sind, zwar gewährt an Personen, die als arbeitsfähig gelten, im Gegensatz zur Sozialhilfe, die an nicht Erwerbsfähige oder nicht zur Erwerbsfähigkeit Verpflichtete gezahlt wird, aber eben nach fast den gleichen sozialhilferechtlichen Grundsätzen. Und einer der Grundsätze lautet:

Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von Anderen erhält.

Und eine wesentliche Definition lautet:

Einkommen ist das, was nach einer Antragstellung in Geld oder Geldeswert zufließt, Vermögen das, was bei der Antragstellung bereits vorhanden ist.

Während in der Sozialhilfe überwiegend die Leistungen für längere Zeiträume gezahlt werden müssen, da sich die Leistungsvoraussetzungen bei Rentnern, Behinderten oder sonstigen Leistungsberechtigten in aller Regel langfristig nicht ändern, ist der Gesetzgeber bei Arbeitslosen und somit arbeitsfähigen Personen davon ausgegangen, dass diese in aller Regel nur für einen vorübergehenden Zeitraum Leistungen des Staates zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes benötigen.

Um nun diesen Personenkreis - bei vorübergehender Leistungsgewährung - nicht in die weitgehende Armut zu zwingen, gelten bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II erheblich höhere Vermögensfreigrenzen als innerhalb der Sozialhilfe, die nach dem SGB XII gewährt wird. Dennoch kann es sein, dass ein Vermögenseinsatz gefordert wird bei Vermögen, das frei verfügbar ist, nicht zur Sicherung des Lebensabends dient (z.B. ein Eigenheim oder eine Riester-Rente), und dessen Geldwert relativ problemlos realisiert werden kann. Und der Wert eines Vermögens definiert sich grundsätzlich niemals nach den Finanzmitteln, mit denen das Vermögen geschaffen wurde, sondern stets nur nach dem aktuell realisierbaren Geldwert. Zu beweisen jedoch, was denn dieser aktuelle Geldwert eines Vermögens sei, ist die Pflicht des Antragstellers, nicht die des Mitarbeiters im Amt.

Wenn bei der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II völlig unrealistische Vermögensangaben gemacht werden, weil der Antragsteller in Bezug auf den realisierbaren Wert seiner Sammlung(en) realitätsferne Angaben macht, die dazu führen, dass - wie es das Gesetz zwingend vorgibt - von Amts wegen der Vermögenseinsatz verlangt werden muss, dann trägt der Antragsteller daran die Schuld und muss mit den Folgen leben oder aber mit geeigneten Mitteln eine Richtigstellung herbeiführen.

Im vorliegenden Fall war frei verfügbares Vermögen vorhanden, das einen Gesamtvermögenswert ausmachte, der weit über einer wie auch immer angemessenen Vermögensfreigrenze lag. Der Leistungsbezieher hätte hier sehr wohl einen Teil seiner Sammlung veräußern können, um sich selbst zu helfen, denn es ist nicht einzusehen, dass die Allgemeinheit ihm seinen Lebensunterhalt sichern soll, während er vermögend bleibt. Es mag ja sein, dass Einzelne hier im Forum solche Beträge nicht als vermögend einstufen, ich kenne aber eine Menge Leute, die gerade so mit ein paar hundert Euro über den Monat kommen und nur davon träumen können, jemals ein paar tausend Euro als Finanzreserve, in welcher Form auch immer, zu besitzen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass selbstverständlich nicht jeder, der auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen ist, seine Sammlungen veräußern muss, um davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wenn aber die Sammlung so wertvoll ist, dass man da nicht mehr von einer einfachen oder normalen Sammlung sprechen kann, sondern wohl eher von einer Vermögensanlage, dann steht dem nichts entgegen, den Einsatz dieses Vermögens für den Lebensunterhalt von Amts wegen zu verlangen.

Wer sich näher mit den rechtlichen Grundlagen befassen oder wer Ratschläge von gleichartig Betroffenen erhalten möchte, dem empfehle ich, hier einmal hineinzuschauen:

http://www.tacheles-sozialhilfe.de/

Es genügt auch, z.B. bei Google einfach nur das Suchwort "Tacheles" einzugeben.
Die dortigen Informationen basieren auf Erfahrungen und Mitteilungen von Arbeitslosenverbänden, von Mitarbeitern der JobCenter und Sozialämter, von Juristen jeder Art oder sonstwie Betroffenen. Schaut einfach mal hinein.

Viele Grüße
Ingo
 
Quelle: www.philaseiten.de
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