Thema: Ganzsachen mit privaten Zudrucken
Cantus Am: 06.06.2012 13:28:49 Gelesen: 268395# 203@  
@ asrah_de [#202]

Hallo Detlev,

ich denke, die von dir aufgeworfenen Fragen lassen sich weitgehend nicht mit meinen Erfahrungen bei diesem Thema zufriedenstellend beantworten. Wenn mir eine P 1 Berlin in die Finger käme, die einen erkennbar modernen Zudruck trägt, wäre sie für mich nur noch Makulatur und höchstens noch als Lückenbüßer zu betrachten, ein möglicher Katalogwert der Ursprungsganzsache würde gegen Null tendieren. Das hat seinen Grund darin, dass dabei deutlich erkennbar wird, dass da jemand eine Ganzsache nicht mehr als solche, sondern lediglich als unzeitgemäße Druckunterlage benutzt hat.

Die Feststellung des unzeitgemäßen Zudruckes lässt sich bei einem so großen Zeitabstand unschwer an der Art und Formulierung des Zudruckes erkennen, denn vor 60 Jahren wichen Stil, Aufbau und teilweise auch Rechtschreibung von Werbung oder sonstigen Texten doch spürbar von heute üblichen Formulierungen ab. Zudrucke der damaligen Zeit waren zudem oftmals in schlechter Qualität ausgeführt worden, war damals doch nicht nur das Essen knapp, sondern auch allerlei anderes Material, das zum Wiederaufbau Deutschlands benötigt wurde.

Ich denke, die von dir gewünschte Diskussion sollten dann hier doch andere führen, die sich mit modernen Ganzsachen beschäftigen, also solchen, die nach dem 2. Weltkrieg herausgegeben worden sind.

Die Zudrucke, die meine Sammlung der österreichischen Postkarten füllen, haben drei Schwerpunkte: Werbung für bestimmte Produkte im damaligen Schreibstil, Ankündigungen von Vertreterbesuchen oder allgemeine Mitteilungen, z.B. zum Tod eines Vereinsmitgliedes oder eine Einladung zu einem Vereinstreffen. Diese Art von Zudrucken war weit verbreitet und wurde vielfältig genutzt, erleichterte sie doch ganz erheblich den häufig umfangreichen Postverkehr des Absenders. In diesem Zeitraum gab es möglicherweise auch nachträgliche Zudrucke, sie hatten dann aber ihre Ursache darin, dass auch nach einer Portoanhebung noch alte Bestände von Postkarten aufgebraucht werden mussten, die dann eben mit Zusatzfrankatur verschickt wurden. Das lässt sich aber mit der von dir angesprochenen Art des nachträglichen Zudruckes nicht vergleichen.

Zudrucke während der Zeit von 1938 bis zum Ende des 2. Weltkrieges, die ja dann auf Karten des Deutschen Reiches hätten vorgenommen werden müssen, haben mich noch nie interessiert, denn das waren letztlich deutsche Karten und keine österreichischen. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurden dann Zudrucke zunächst vereinzelt von Sammlervereinen initiiert, später dann entdeckte der Briefmarkenhandel die Möglichkeit, über entsprechend "gemachte" Ballon- und Flugpostbelege und ähnliche Konstrukte zusätzlich Geld einnehmen zu können. Schließlich hat es sich noch eingebürgert, zu irgendwelchen Jubiläen oder philatelistischen Veranstaltungen Zudrucke auf Ganzsachenpostkarten aufzubringen, die Art jedoch, wie vor dem 2. Weltkrieg die Zudrucke gestaltet waren, ist nach meinem Eindruck heute nicht mehr anzutreffen.

So bleibe ich bei meinen "alten" Karten und hoffe für dich, dass du hier geeignete andere Gesprächspartner findest, die dir helfen können, allgemeingültige Festlegungen für die von dir angesprochenen Problemlagen zu vereinbaren.

Viele Grüße
Ingo
 
Quelle: www.philaseiten.de
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