Thema: Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
bayern klassisch Am: 21.05.2014 11:11:20 Gelesen: 1045210# 368@  
Liebe Freunde,

nach Nigels vorzüglichem Ausritt in die Semiklassik hier nun wieder eine olle Kamelle, die es aber doch in sich hat.



Am 6.10.1823 gab das K. B. Stadtgericht Erlangen einen Brief auf, der nicht so ganz zu den damals geltenden Vorschriften für Dienstbriefe passen will. Zwar war er mit dem Dienstsiegel verschlossen worden, zeigte auch die vorgeschriebene Expeditions - Nummer an ( 90), aber oben auf der Adressseite hatte man sich nicht benannt und ob es eine kostenpflichtige Partei - Sache oder eine kostenlose Regierungs - Sache war, ging auch nicht aus dem guten Stück hervor.

Dennoch hat die dortige Poststelle das alles hingenommen, wie auch immer, denn der Brief war ja schon 3 Tage zuvor geschrieben worden!) und den Brief recommandirt, obwohl auch dazu jeder Vermerk auf dem Brief selbst fehlt. Listigerweise hat man den Aufgabestempel in schwarz, den sehr wichtigen Chargé - Stempel aber in rot abgeschlagen, damit der Brief ja nicht zu den gewöhnlichen gelegt werden sollte. Eine Reco - Nr. wurde aber niciht gezogen, so dass es wohl auch keinen Postschein dafür gegeben haben dürfte.

Es wurde auch eine "4" notiert, aber die wäre mit einem Porto zu verwechseln gewesen, denn der Adressat war "der Kaiserlich Königlich Oesterreichische Kämmerer Herr Franz Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg in Weißenfels" gewesen, also beileibe kein "Niemand" in der damaligen Zeit.

Streng verboten war es alles Aufgabeposten, Recommandationsgebühren, die natürlich allein der Absender zu entrichten hatte, dem Empfänger anzulasten. Doch gab es ein paar Fälle, in denen eine Behörde unter Recommandation zu versenden hatte, aber die Reco - Kosten dafür nicht abschreiben bzw. aufzubringen gewillt war. In diesen Fällen versuchte man die Aufgabepost dazu zu bewegen, diese 4x damals vom Empfänger einziehen zu lassen. Daher vermerkte die Aufgabepost "4 kr. Rec. Gebühr" und stellte sie Weißendorf in Rechnung, wo sie auch sicher bezahlt wurden.



Transkription des Inhalts:

"Von Königlich Bayerischen Kreis- und Stadtgerichts wegen wird dem Kaiserl. Königlich Oesterreichischen Kämmerer, Herrn Franz Ludwig Freiherrn von und zu Guttenberg in Weißendorf, in Sachen von Guttenberg gegen Mattmann anher gelangten und unterm 27.ten September heurigen Jahres publizirten Oberappellationsgerichts Erkenntnis, in der Anlage die erbettene Abschrift mitgetheilt. Gez. Utnerschrift".

Eine eindeutige und, wie ich finde, sehr attraktive Form einer Contravention, die bisher keine 10 Mal vorgelegen hat.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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