Thema: Altdeutschland Bayern: Expressbriefe
bayern klassisch Am: 12.07.2014 10:30:04 Gelesen: 13045# 1@  
Liebe Sammlerfreunde,

hier ein paar Expressbriefe "rein und raus" aus Bayern, die ich "kurz" kommentieren möchte.



Ein Expreßbrief der Erstausgabe dürfte sicher keine Massenware darstellen, noch dazu, wenn er Besonderheiten aufweist, wie hier. Am 10.10.1850 schrieb man in Bertoldsheim bei Neuburg an der Donau einen solchen nach Brunn bei Nittenau. Die Gebühren hierfür waren nicht gerade für das Postpublikum sehr ermutigend, es der Absenderin nachzutun:

6 Kr. Franko für den einfachen Brief über 12 Meilen,
6 Kr. für den notwendigen Rückschein (nicht notiert, aber es bestand Zwang),
6 Kr. für die Beschaffung eines Expreßboten in Nittenau (nicht notiert) und
18 Kr. Expreßgebühr, so dass wir in summa auf den stattlichen Betrag von 36 Kr. kommen.

Der Absender hatte siegeleseitig, statt auf der Adreßseite, notiert: "Die kgl. Postexpedition Nittenau wird ersucht diesen Brief sogleich an Herrn Adressaten zu senden". Die Aufgabepost unterstrich das Wort "verte" = hinten mit Rötelstift, damit man den Expreßvermerk nicht übersehen sollte. Da Expreßbriefe in der begleitenden Briefkarte mit roter Tinte einzeln aufzuführen waren, wird man es schon gesehen haben und im Briefpaket lagen sie obenauf, damit sie ungesäumt weiter spediert werden konnten.

Dies alles war viel Stress für den Neuburger Expeditor, so dass er die Marke nur schwach entwertete. Sein gM 226 ist kaum zu erkennen. Bei der Ankunft, soviel Zeit musste wohl sein, las der Expeditor in Nittenau, der ein ganz genauer war, das Expreßgesuch durch und es entging ihm auch nicht, dass die Markenentwertung mangelhaft war. Daher stempelte er mit seinem Mühlradstempel 240 deutlich nach.



Ein innerbayerischer Expressbrief zeigt ein vergleichbares Vorgehen - mit der roten Tinte, mit der er in die Briefkarte eingeschrieben wurde, wurden auch auf dem Brief die Vormerkungen unterstrichen.



Köln - Neustadt an der Haardt - Gimmeldingen von 1864 zeigt auch, wie es nicht gehen sollte; hier war der Brief für den Expressboten unterfrankiert und wie man Abhilfe schaffen sollte, war problematisch. Meine Interpretation dazu steht auf der Ausstellungsseite. Weil diese Poststücke aus dem Postverein nach Bayern extrem selten waren, machten sowohl die Absender, als auch die Postanstalten viele Fehler, denn eine Routine erlangten sie auf diesem Spezialgebiet nie.



Heidelberg 1868 - Landau - Germersheim - Hördt zeigt einen voll frankierten Expressbrief, bei dem 3 Kr. in Wertzeichen und 9 Kr. bar für den Expressen in der Pfalz entrichtet worden waren, s. Vermerk unten links als Weiterfranko ausgewiesen.



1869 Bischofswerda - Kitzingen ging es per Express auch anders: Der Absender wollte nur die Frankatur von 1 Groschen zahlen, die 9 Kr. (2 1/2 Groschen) für den Expressen in Kitzingen sollte gefälligst der Empfänger tragen, vermutlich, weil es diesem wichtiger war, den Brief schnell zu erhalten, als dem Absender.

Alle Varianten sind selten und man sieht jedem einzelnen Brief die besondere Behandlung an, vorne, hinten oder vorne und hinten. Ein Expressbrief in den Postverein oder von dort nach Bayern wäre nicht "nackt" geblieben, sondern hätte eindeutige Zeichen seiner speziellen Behandlung aufzuweisen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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