Thema: Ebay: Änderungen im Bewertungssystem
Richard Am: 28.08.2008 23:55:04 Gelesen: 12540# 14@  
Ebay löscht wieder unfaire Bewertungen - zwei im Monat

Von Helmut Merschmann

Der Spiegel (28.08.08) - Händler waren empört: Sie dürfen bei Ebay Kunden nicht mehr bewerten und können nichts gegen unfaire Noten tun. Nun erlaubt Ebay die Rücknahme unangemessen negativer Bewertungen - auf Antrag, nach Prüfung und nur zweimal monatlich.

Ein Sturm der Empörung brach los, als Ebay im Mai sein Bewertungssystem umgestellt hatte. Vorher gehörten zu einer Bewertung immer zwei Parteien. Das hatte oft genug zu unschönen Rachefeldzügen geführt: Gibst du mir schlechte Noten, gebe ich sie dir zurück. Seit Mai dürfen nur noch Käufer die Händler bewerten, denen dieses Instrument der Kräftebalance aus der Hand genommen wurde.

Einer der Betroffenen, denen Ebays Praxis gründlich gegen den Strich geht, ist der Cuxhavener Powerseller Lars Warncke. "Ebay ist zu groß und zu kommerziell geworden, es gibt definitiv keinen Kundensupport mehr", lautet sein Fazit nach vielen Jahren, in denen er auf der Auktionsplattform Lichtmaschinen, Nockenwellen und blitzende Chromteile für amerikanische Straßenkreuzer verkauft hat. Was ihn besonders ärgert: "Käufer drohen mir mit einer schlechten Bewertung und wollen Preisnachlass oder frachtfreie Lieferung." Warncke fragt empört: "Wer schützt die Verkäufer?"

Ganz wehrlos wollten sich einige Ebay-Händler nicht ergeben und schickten Kunden, die sich mit einer schlechten Bewertung unbeliebt gemacht hatten, Anwälte auf den Hals. Nachdem selbst Ebay zugegeben hatte, dass das Bewertungssystem problematisch ist, wurde die Revision jetzt erneut revidiert.

Per Antrag ist es nunmehr möglich, eine ungerechtfertigt erscheinende negative oder neutrale Bewertung durch den Kundensupport löschen zu lassen. Ebay verkündet dazu: "Die Möglichkeit zur Bewertungsrücknahme ist ein deutsches Pilotprojekt, das ständig weiterentwickelt wird."

Nur zwei Löschanträge pro Monat

Für den Antrag auf Rücknahme einer Bewertung sind dabei einige Voraussetzungen notwendig, wie Ebay klarmacht:

* Käufer und Verkäufer müssen bei Ebay registriert sein
* der Löschantrag muss innerhalb von 30 Tagen nach der Bewertung erfolgen.
* Ein Verkäufer kann pro Transaktion nur eine Löschung beantragen.
* Maximal zwei Löschanträge sind pro Monat erlaubt.
* Der Käufer muss der Bewertungsrücknahme zustimmen.
* Tut er dies nicht oder ignoriert er die Aufforderung, bleibt die Bewertung bestehen.

Damit sind einige Händler nicht recht zufrieden. "Es kann nicht sein, dass ein Gewerbetreibender für jeden Zehn-Euro-Artikel aufwendig Anträge stellen muss", sagt Lars Warncke, "für Powerseller ist das nicht zu realisieren." Außerdem findet er, dass die ganze Richtung nicht stimmt: "Da werde ich schon wieder als Lügenbaron behandelt."

Die Gängelung der Ebay-Händler findet auch Anwalt Arndt Joachim Nagel ungeschickt. "Das nun von Ebay eingeführte Verfahren zur Rücknahme von Bewertungen stellt einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar", schreibt er in einem Kommentar. "Allerdings werden Verkäufer im Vergleich zur früheren Möglichkeit der einvernehmlichen Rücknahme von Bewertungen immer noch benachteiligt." Nagel schlägt deshalb eine Schlichtungsstelle bei Ebay vor, die sich mit Einzelfällen auseinandersetzt.

Händler wandern ab

Ob Ebay eine solche Schlichtungsstelle einführt und ob sie noch rechtzeitig kommt, erscheint angesichts einer massiven Abwanderungsbewegung fraglich. Hunderte von Händlern haben Ebay bereits entnervt den Rücken gekehrt und sich mit alternativen Auktionsplattformen angefreundet.

Sie sind zu Auxion.de, Hood.de oder Amprice.de abgewandert - Auktionsplattformen, die mit deutlich günstigeren Konditionen locken. Mehr als 4300 ehemalige Ebay-Händler sind beispielsweise zu Auxion.de gewechselt, wie Betreiber Lothar Fuchs verrät. Auch Lars Warncke hat dort einen Shop mit 5700 Artikeln eingerichtet, während in seinem Ebay-Shop nur noch 670 Artikel lagern. "Es gibt für mich keinen Grund mehr, einen Mitbewerber wie Auxion zu vernachlässigen", sagt Warncke. "Die Zeiten sind vorbei."

Für den bisherigen Quasi-Monopolisten Ebay sind das unliebsame Einzelfälle. Von einer Migrationsbewegung will Ebay-Geschäftsführer Stefan Groß-Selbeck zumindest nichts wissen: "Das Angebot hat insgesamt zugenommen, deshalb mache ich mir keine Sorgen."

Verkäufer wie Willi Wulff, der mit Zippo-Feuerzeugen handelt, hat er indessen verloren. Seitdem vergangene Woche Einzelheiten über Ebays neues Geschäftsmodell bekannt geworden sind, hat Wulff sich die Mühe gemacht, alles einmal durchzurechnen. Sein Fazit: "Wir müssten die Produkte um zehn Prozent verteuern. Es lohnt sich für mittelgroße Händler kaufmännisch einfach nicht."

Ob sich freilich woanders das Hickhack um die Bewertungen verbessert, ist ungewiss.

(Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,574755,00.html)
 
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