Thema: Potschta - Stempel auf Briefen, Briefstücken und Marken alle falsch
Reinhard Fischer Am: 26.08.2014 00:37:39 Gelesen: 284738# 57@  
Nein, das ist so nicht richtig. Es kommt nicht darauf an, ob eine Marke amtlich verwendet worden ist, egal ob irrtümlich oder bewusst gegen die Vorschriften und es kommt natürlich auch nicht darauf an, ob es Bedarfsbriefe gibt.

Ein paar Beispiele: Die postfrischen Hepburn-Marken haben eine vollkommen legale Provenienz (als Vorlagestücke an die Hepburn-Erben gegangen, meines Wissens ohne Rückgabeverpflichtung), sind aber nie postalisch verausgabt, auch nicht irrtümlich. Die gestempelten Marken kamen höchstwahrscheinlich nie an den Postschalter, im Finanzministerium wurden wohl die Vorlagestücke gestohlen. Ob die Geschichte des Zufallsfunds der gestempelten Stücke so glaubwürdig ist, kann man aufgrund der wunderschönen Abstemplungen der meisten bekannten Stücke auch getrost bezweifeln. Sowohl postfrisch als auch gestempelt ist katalogisiert - mit einer römischen Nummer.

Von der Gscheidle-Marke gibt es laut Michel definitiv ein postfrisches Exemplar. Die Bundespost hat nie auf eine Rückforderung für postfrische Stücke verzichtet - trotzdem ein -.- im Michel.

Die "Brot-für-die-Welt"-Marke von 1961 (Michel X) ist nie amtlich verausgabt worden. Die bekannten Stücke sind Musterstücke, die an Presse usw. verteilt wurden. Ein großer Sammler und philatestischer Funktionär, dessen Bund-Sammlung ich 1989 kaufen konnte, erzählte mir, dass man seinerzeit unterschreiben musste, dass man die Musterstücke zurückgibt, wenn eine Marke zurückgezogen wird. Er war nur leider wohl der einzige, der das auch gemacht hat und die Post hat sich nicht groß drum gekümmert. Die bekannten Stücke sind aber alle illegal auf dem Markt und die Marke ist nie verausgabt worden - trotzdem (mit Recht) katalogisiert.

Und so könnte man noch Dutzende von Beispielen finden von Marken, die nie amtlich verausgabt wurden und trotzdem katalogisiert wurden.

Es kommt darauf an, ob die Marke amtlich für die Ausgabe vorgesehen war, also der Druck amtlich beauftragt wurde und auch eine Ausgabe dieser gedruckten Marken beabsichtigt war.

Jeder Sammler kann natürlich sammeln, was er will, das ist dann wieder etwas anderes.

Zu der Potschta: Wie gesagt, habe ich das Buch noch nicht einmal in den Fingern. Offensichtlich ist die Marke aber amtlich beauftragt worden und eine Verwendung war beabsichtigt. Dann muss die Marke weiter katalogisiert werden, ggf. mit einer römischen Nummer (als "nicht verausgabt"). Wie man es mit den gestempelten Marken hält, ist eine andere Frage. Wenn die Marke wirklich nie irgendwo als frankaturgültig angesehen wurde (was sicher schwierig zu beweisen ist), gäbe es natürlich keine Bedarfsbriefe mehr. Ob man dann die Stempel als "Falschstempel" oder "Gefälligkeitsstempel" bezeichnet, ist dann eine Frage der Einstellung (der Stempel ist echt und zeitgerecht, aber gegen die Vorschriften auf der Marke abgeschlagen.)

Insgesamt ist das eine recht diffizile Interpretationsfrage, denn man müsste ja schon beweisen, dass der damit befasste Postbeamte gewusst hat, dass er gegen die Vorschriften verstösst. Z.B. gibt es ja die Bizone-Posthornaufdrucke auf Ziffer und auch die Bezirkshandstempelaufdrucke auf Ziffer massenhaft gestempelt (auch auf Paketkartenausschnitten usw., also lupenreiner Bedarf), obwohl die Vorschriften ganz eindeutig waren: Es durfte nur die Arbeiterserie überdruckt werden!

Grüße

Reinhard
 
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