Thema: Wertverlust von Sammlungen
0nickyet Am: 02.10.2014 16:57:21 Gelesen: 34205# 22@  
Hallo,

zum Sammeln ist fast alles gesagt, aber ich kehre noch einmal zur Grundfrage nach dem 'Wertverlust von Sammlungen' zurück. Auf den ersten Blick ist die ja sehr einfach zu beantworten: Eine Marke/Sammlung ist genau das wert, was ein anderer dafür zu zahlen bereit ist.

Auktionen sind deshalb so beliebt, weil Sammler hier erleben, wie andere ihre Zahlungsbereitschaft demonstrieren, und sich dadurch selbst zur Zahlungsbereitschaft motivieren lassen. Die Grundannahme ist: Wenn in diesem kleinen Raum bereits drei Personen den Betrag X zu zahlen bereit sind, dann muss es einfach sein, "da draußen" Interessenten zu finden, die sogar X+1 zahlen. Häufig ist genau das jedoch eine Illusion. Tatsächlich sind alle, die überhaupt zahlungswillig wären, auf der Auktion, und "da draußen" gibt es überhaupt keine Zahlungsbereitschaft. Und diejenigen, die eine Auktion verlieren, wenden sich nicht selten von einem Sammelinteresse ab und einem neuen zu - und man wird das ersteigerte Schnäppchen nur mit Verlusten wieder los, weil man selbst buchstäblich der letzte Zahlungswillige war.

Anders ist das freilich bei renommierten Gebieten. Wer seine Geldausgaben auch als Wertanlage betrachtet, sollte nur einwandfreie Ware aus populären Gebieten sammeln: Klassische Marken klassischer Gebiete mit klassischer Nachfrage.

Aber auch hier sind wir Zeugen fundamentaler Veränderungen, deren Zukunft schwer prognostizierbar sind. In Westeuropa und Nordamerika wandelt sich Briefmarkensammeln von einem Massenhobby zur Beschäftigung einer Minderheit. Da auf diese Weise der Anteil derjenigen mit intensivem philatelistischen Interesse steigt (die auch entsprechend zahlungsbereit sind) muss sich das nicht negativ auf die Möglichkeit der Wertbildung auswirken. Massen- und Aboware wird jedoch nahezu wertlos.

In Katalogpreisen schlägt sich das noch nicht nieder, weil es einen Interessenzusammenhang der Berufsphilatelie gibt: Händler (auch für Zubehör wie Vordruckalben etc.), Prüfer und Kataloghersteller sind darauf angewiesen, eine lebhafte Nachfrage nach möglichst vielen Produkten aufrecht zu erhalten. Wer beispielsweise Bund, Berlin und DDR zwischen 1956 und 1990 im Album hat und weiß, dass der Geldwert gegen Null tendiert, kauft keine Kataloge mehr, und gibt kein Geld zur Vervollständigung mehr aus. Er mag die Freude am Sammeln wohl behalten, aber er wird keine Verdienstmöglichkeit für die Berufphilatelie mehr bereit stellen.

Völlig anders sieht es bei Qualitätsware klassischer Sammelgebiete aus: Steigender Wohlstand sucht - gerade bei unsicheren Finanzmärkten - nach Anlagemöglichkeiten, und neben Briefmarken und Münzen werden zu auch zunehmend Uhren, Möbel, Kunst- und andere noble kulturelle Gegenstände zum Sammelobjekt - nicht selten auf denselben Auktionen gehandelt. Mit Philatelie hat es nur noch wenig zu tun (von Echtheits- und Qualitätsprüfung abgesehen), hier geht es um Investition in einen langfristig stabilen Markt. Der ist nicht sicher - aber auch nicht unsicherer als Finanzmärkte.

Die unberechenbarste Komponente ist der Weltmarkt: Insbesondere in Asien ist das Interesse an Briefmarken noch recht jung und wächst gegenwärtig. Da die (alltags-)kulturelle Entwicklung dieser Gesellschaften aber keine Nachahmung des Westens ist, und auch viel schneller vonstatten geht, kann daraus nicht auf dauerhafte Zahlungsbereitschaft geschlossen werden. Wer augenblicklich mit den Sammelgebieten Indien und China einen Vermögensaufbau zu betreiben glaubt, kann sich bereits in einem Jahrzehnt enttäuscht sehen. Vielleicht setzen sich dort Uhren oder alte Bücher als dauerhaftes Sammelgebiet durch - und nicht Briefmarken.

Wenn es also um den Wertbestand der eigenen Sammlung geht - und ganz egal ist das auch den Idealisten meistens nicht - gilt dasselbe wie für den philatelistischen Wert: Kenntnisreichtum und Austausch mit anderen Sammlern ist die wichtigste Ressource. Gerade für die Sammler von nicht-klassischen Gebieten gilt, dass der einzige Absatzmarkt für ihre Sammlungen in den anderen Sammlern besteht, mit denen sie fachsimpeln: Wer sonst sollte zahlungsbereit für Papierchen sein, in denen der Rest der Welt nur eine "Marotte" erkennen kann?
 
Quelle: www.philaseiten.de
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