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Thema: Fiskalphilatelie: Deutsches Reich Rückvergütungsmarken für die Presse
Nonvaleur Am: 26.07.2017 11:57:11 Gelesen: 4470# 1 @  
Marke oder nicht 150.000,-- Rückerstattung an die deutsche Presse

Hallo zusammen,

ich brauche bitte Hilfe.

Die beigefügte Marke (?) kann ich in keinem Katalog finden. Evtl. weiß jemand aus der Community um was es sich handelt.

Vielen Dank für Eure Hilfe.


 
Altmerker Am: 26.07.2017 16:32:15 Gelesen: 4375# 2 @  
Ich darf auf Ulrich Tatje von unserer Motivgruppe Papier und Druck verweisen. Er hat dazu geforscht und in der SWK-Mitgliederzeitschrift Nr. 178 darüber geschrieben.

Viele Grüße
Uwe

"In den Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkrieges litt Deutschland unter der Inflation. Besonders betroffen waren dabei die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger, denn Papierholz war knapp und entsprechend hoch waren die Preise für Zeitungspapier. Am 1. Juli 1922 kostete ein Kilogramm Druckpapier das 94fache der Vorkriegszeit, hatte der Wirtschaftspolitische Ausschuss des Reichstages errechnet. Einige Verlage hatten die Konsequenzen ziehen müssen und ihre Blätter eingestellt. Zwischen Mitte 1922 und Ende 1923 versuchte die Reichsregierung, mit Hilfe der Rückvergütungskasse der deutschen Presse der notleidenden Presse zu helfen.

Der Reichstag sah die Bedrohung der Presse durch überproportional steigende Papierpreise nicht mehr nur als ein privatwirtschaftliches Problem an, sondern wertete die Notlage der Presse auch als Krise für die Gesellschaft und die Demokratie. Deshalb suchte das Parlament nach einem Weg, den in Bedrängnis geratenen Verlegern zu helfen.

„In den letzten Monaten sind 170 deutsche Zeitungen und Zeitschriften eingegangen“, beklagte der Sozialdemokrat Paul Löbe in einer Debatte im Reichstag am 7. April 1922. Das sind etwa 4 bis 5 Prozent der Zeitungen, die in einen Vierteljahr aufgegeben haben.

Reichstagspräsident Löbe, gelernter Schriftsetzer und Redakteur der Breslauer Volkswacht, hatte zusammen mit anderen Abgeordneten einen Antrag zur Unterstützung der Verleger eingebracht. Der Papierpreis sei von 20 Pfennig je Kilogramm in Friedenszeiten auf 8,25 Mark im März 1922 gestiegen. Einen Monat später kostete das Papier bereits 12,80 Mark, erklärte Löbe im Reichstag. Der Abgeordnete sah durch die Krise die Selbstständigkeit der deutschen Presse in Gefahr und befürchtete, künftig könnten der Zeitungsbetrieb zu einem Nebengewerbe werden und dann werde die öffentliche Meinung fabriziert, „wie man andere Waren fabriziert“.

Unterstützt wurde Löbe auch durch Staatssekretär Hirsch aus dem Wirtschaftsministerium: „Die Reichsregierung ist der Überzeugung, dass eine vielgestaltige, überall verbreitete Tagespresse ein kultureller Vorzug, ja geradezu für die deutsche Entwicklung eine kulturelle Notwendigkeit ist.“ Die steigenden Papierpreise bergen die Gefahr einer Uniformierung der öffentlichen Meinung. „Die Reichsregierung hält es deshalb für notwendig, diesem Prozess entgegenzuwirken“, unterstrich Hirsch.

Das einstimmige Votum des Reichstages führte zum Pressenotgesetz. Waldbesitzer sollten eine Abgabe zahlen wie auch Exporteure. Die Einnahmen wurden von der eigens gegründeten Rückvergütungskasse der deutschen Presse verwaltet und an die Verleger ausgezahlt. Waldbesitzer (über 10 ha) mussten ein halbes Prozent des Verkaufspreises zahlen, Exporte wurden mit 1,5 Promille belegt. Für die Höhe der Rückvergütung an die Verleger war der Papierverbrauch ausschlaggebend, wobei mit Anzeigen bedrucktes Papier nicht mitgerechnet wurde. Kleinverleger erhielten eine relativ höhere Rückvergütung als Zeitungen mit einem großen Papierverbrauch.

Für Exporte über 10 000 Mark, die keiner Ausfuhrbewilligung bedurften, wurden Rückvergütungsmarken geschaffen. Sie wurden in verschiedenen Wertstufen ausgegeben (anfangs zu 15, 150 und 1500 Mark), die sowohl von der Rückvergütungskasse für die deutsche Presse in Berlin (Zimmerstraße 86) als auch von den Postämtern verkauft wurden. Die Rückvergütungsmarken sind auf die Ausfuhrerklärung zu kleben, die der Lieferung beiliegen, hieß es in Paragraf 8 der entsprechenden Verordnung, die am 7. Oktober 1922 erlassen wurde.

Die Verleger mussten der Rückvergütungskasse monatlich auf bestimmten Meldebögen Auskunft über den Papierverbrauch geben. Die Kasse errechnete auf Grund der Einnahmen die jeweiligen Beträge, die den Verlegern ausgezahlt wurden.
Die Situation für die Verlage verschärfte sich jedoch von Monat zu Monat weiter. Zahlreiche Zeitungen erschienen nicht mehr, andere nur noch in einem eingeschränkten Umfang. Es sei abzusehen, dass bald nur noch reiche Leute eine Zeitung herausgeben könnten, beklagte der sozialdemokratische Abgeordnete Richard Fischer in einer Debatte im Reichstag am 16. Januar 1923.

Der Papierpreis war zu diesem Zeitpunkt bereits auf 560 Mark pro Kilogramm gestiegen. Fischer erwähnte auch, dass der Bischof von Speyer den 2. und 3. Sonntag im Dezember 1922 zum Pressesonntag erklärt und die Priester aufgefordert hatte, von der Kanzel auf die Bedeutung der Presse aufmerksam zu machen. Der Abgeordnete Carl Anton Piper (Deutsche Volkspartei), Redaktionsmitglied der Hamburger Nachrichten, formulierte seine Sorge so: „Es ist die große Gefahr, dass unser Volk gerade durch das Absterben der Presse in einem Moment geistig verblindet und ertaubt, wo es alle seine geistigen und politischen Willenskräfte am notwendigsten gebraucht.“

Die bisherige Praxis der Rückvergütung sei vollkommen unzulänglich, stellte der Reichstagsabgeordnete Dr. Wilhelm Külz fest, der gleichzeitig Vorsitzender des Verwaltungsrates der Rückvergütungskasse war. Die Abgabe auf Holzverkäufe habe zwar 4,5 Milliarden Mark eingebracht, was angesichts der aktuellen Papierpreise jedoch „nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein ist“, sagte Külz in der gleichen Debatte. Er warb darum, die Holzabgabe von einem halben Prozent nicht nur auf 1,5 Prozent, sondern auf zwei Prozent zu erhöhen, denn es müsse eine durchgreifende Hilfe geschaffen werden. Külz: „Wie soll eine Regierung arbeiten, wenn sie keine Presse zur Verfügung hat oder bloß eine bestimmte Zahl von Zeitungen, die von den einseitigsten wirtschaftlichen Sonderinteressen geleitet werden?“

Die Mehrheit im Reichstag stimmte für die Erhöhung der Holzabgabe auf zwei Prozent, doch die Regierung blieb bei den geplanten 1,5 Prozent."

 
Nonvaleur Am: 27.07.2017 09:09:02 Gelesen: 4285# 3 @  
Vielen Dank für die ausführliche Erläuterung

Eine Frage noch:

Ist diese Marke überhaupt einem Sammelgebiet zuzuordnen, denn es ist ja wie beschrieben keine Briefmarke.

Viele Grüße
 
Stefan Am: 27.07.2017 18:01:31 Gelesen: 4227# 4 @  
@ Nonvaleur [#3]

Ist diese Marke überhaupt einem Sammelgebiet zuzuordnen, denn es ist ja wie beschrieben keine Briefmarke.

Da die Marke als staatliche Gebührenmarke zu betrachten ist, fällt diese damit in den großen "Topf" der Fiskalphilatelie. Dafür existiert auch eine eigene Arbeitsgemeinschaft [1] ;-)

Gruß
Pete

[1] http://www.fiskalphilatelie.de/
 
Nonvaleur Am: 28.07.2017 10:47:02 Gelesen: 4190# 5 @  
Vielen Dank.
 
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