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Thema: Die Fouré Fälschungen: Altdeutschland Norddeutscher Postbezirk Ganzsachen
Markus Pichl Am: 09.06.2018 22:27:34 Gelesen: 7707# 1 @  
Hallo,

zu den bekanntesten Fälschern des 19. Jahrhundert gehört Georges Fouré. [1]

Er fälschte vor allem Ganzsachen von Preussen und dem Norddeutschen Postbezirk, ferner solche mit Brustschild-Wertstempeln des Deutschen Reichs. Diese Fälschungen, teils handelt es sich sogar um neuartige Kreationen, gelangen Fouré deshalb so gut, weil er über originales Druckwerkzeug, in Form von originalen Klischees verschiedener Wertstempel, verfügte. Seine Fälschungen konnte er wohl in der Reichsdruckerei mit originaler Druckfarbe herstellen.

Heute möchte ich zwei seiner Fälschungen zeigen. Er fertigte seine Fälschungen nicht in Massenproduktion an sondern nur in kleinsten Auflagen, vermutlich zwischen 10 und 20 Stück pro Sorte.

Mit originalem Wertstempel ahmte er u.a. Ganzsachen nach, die in ihrer Form den Umschlägen der Victoria-Invaliden-Stiftung ähneln.

Der Umschlag dieser Fälschung hat das Format von ca. 37,3 x 13,8 cm und entspricht in seiner Größe in etwa den Maßen von Umschlag Borek-Nr. 1 d, für vorgenannte Stiftung. Jedoch fehlt der Aufdruck "Angelegenheiten der Victoria=National=Invaliden=Stiftung".







Dieser Umschlag ahmt NDP Ganzsache U 22 A in ungebraucht nach. Auffällig, gegenüber originalen Ganzsachen, ist das abweichende Papier.





Ein weiteres Erkennungsmerkmal, für eine Fouré-Fälschung, stellt das Zeichen des Berliner Briefmarkenhändlers Künast dar. Künast erwarb in den Jahren 1883 bis 1890 von Fouré zahlreiche seiner Fälschungen und dies wohl im Unwissen darüber, dass es sich um Fälschungen handelt. Bevor Künast bestimmte Ganzsachen an seine Kunden weiterverkaufte, signierte er sie mit seinem Zeichen. Das Zeichen ähnelt einem neunteiligen Mühlrad und kommt gemäß Borek-Katalog auch in roter Stempelfarbe vor. Bei meiner Ganzsache ist es in violetter Stempelfarbe abgedruckt.



Glücklischerweise ist das Zeichen und die dazugehörige Erklärung im Borek-Ganzsachen-Katalog (Verfasser Hans Meier zu Eissen) abgebildet bzw. abgedruckt. Diesen Umschlag hatte ich einst bei einem BPP-Prüfer, Herrn Flemming, zur Prüfung eingereicht. Die Beurteilung von Herrn Flemming lautete damals auf "Nicht sicher prüfbar! (Fouré ?) ./.".



Ich hingegen war mir damals schon sicher, dass es sich um eine Fälschung handelt, hatte ich doch genügend Vergleichsmaterial von echten Ur-Umschlägen von Preussen und weiteren sogen. Aufbrauchs-Umschlägen des NDP. Nur hatte ich damals nicht die Abhandlung im Borek-Ganzsachen-Katalog gelesen, obwohl ich den zu dieser Zeit schon lange hatte. Nun bin ich mir ganz sicher, dass es sich um eine seltene Fouré-Fälschung handelt, dank des Zeichens des Berliner Briefmarkenhändlers Künast.

Eine weitere negative Erfahrung meinerseits, mit BPP-Prüfern. Es ist doch ganz einfach, bei diesem angeblichen Umschlag NDP U 22 A auf Fouré-Fälschung zu kommen und einen entsprechenden Befund auszustellen. Wer soll denn sonst mit orignalem Druckwerkzeug eine solche Fälschung hergestellt haben? Für mich ist das alles nur noch unfassbar.

Beste Grüße
Markus

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Georges_Four%C3%A9
 
sentawau Am: 18.06.2018 18:33:33 Gelesen: 7602# 2 @  
@ Markus Pichl [#1]

Das ist ein interessantes und spannendes Thema!

Fouré hat Vieles meisterhaft gefälscht. Briefmarkensammler bewundern besonders seinen Neudruck von DP Türkei 3 Ne I (1 Piaster auf 20 Pf.), der als besser gelungen als der amtliche gilt und im Katalog vierstellig bewertet wird.

Ganzsachensammler sind von seinen Fälschungen besonders betroffen. Wegen seiner Nähe zur Preußischen Staatsdruckerei – dieses Thema wird wohl nie restlos aufgeklärt werden - bevorzugte er die Umschläge derjenigen altdeutschen Staaten, die dort gedruckt waren. Besonders liebte er die Umschläge Preußens und des Norddeutschen Bundes. Ich besitze eine große Sammlung seiner Fälschungen und kann einige Proben seiner Kunst zeigen.

Von dem preußischen U 14 (ein sogenanntes Oktogon) gibt es echt gebraucht m. W. etwa 25 Stück, dazu ein paar Ausschnitte. Ungebraucht ist angeblich ein echtes Exemplar erhalten. Der nicht unerhebliche Rest stammt von Fouré. Diese Fälschungen gehören zur Philateliegeschichte wie die Speratis und werden gut bezahlt. Die nachfolgend abgebildeten Stücke sind Fourés. Den „gebrauchten“ Umschlag bildete schon Ohrt in seinem Neudruckwerk ab. Seither wurde er mal gewaschen und dadurch schöner, aber nicht echter.



Preußen U 11 A und B sind ungebraucht nicht selten. Fouré fälschte sie trotzdem, verwendete dabei aber das nicht zeitgerechte eosinrot.



Ein weites Betätigungsfeld boten Fouré die sogenannten Überklebten des Norddeutschen Bundes. Hier wurde er zwar durch Carl Lindenberg zu Fall gebracht, seine Produkte sind aber noch längst nicht alle gebrandmarkt und werden immer noch als echt gehandelt. Darüber werde ich demnächst mehr schreiben.

Die Beschäftigung mit Fouré führt zu einem spannenden Stück Philateliegeschichte. Die Literatur dazu findet sich gut zusammengestellt in Wolfgang Maaßens „Wer ist wer in der Philatelie“ Bd 2. Ich empfehle als Einführung in den Krimi den Aufsatz von W. Leist „Der Prozess Fischer-Brill gegen Künast um Fälschungen überklebter Briefumschläge des NDP“ – In: Die Ganzsache 78. 2004, S. 86 – 90. Den einstweiligen Schlusspunkt und derzeitigen Stand der Forschung stellt dar U. E. Klein: Fourés falsche Farben. – In: Die Ganzsache 2005. 79, S. 2 – 7.

Also: Fortsetzung folgt.

Einstweilen grüßt
Sentawau.
 
achim11-76 Am: 19.06.2018 22:12:54 Gelesen: 7546# 3 @  
Ich kenne mich mit dieser Materie nicht wirklich aus, aber wenn jemand original Druckstöcke hat, original Farben und die ganze Sache dort drucken lässt wo es herkam (Reichsdruckerei) warum ist das dann eine Fälschung?

Klingt eher nach einem privaten Neudruck.
 
sentawau Am: 20.06.2018 12:21:32 Gelesen: 7519# 4 @  
@ achim11-76 [#3]

Der Einwand ist berechtigt, und in der Tat werden in der älteren Literatur Fourés Fälschungen manchmal als Neudrucke bezeichnet. Oder als Phantasiedrucke.

Aber Fouré beschaffte sich die Druckstöcke oder Galvanos davon ohne Wissen und widerrechtlich mit Hilfe befreundeter oder bestochener Mitarbeiter der Reichsdruckerei, der Nachfolgerin der preußischen Staatsdruckerei. Genaueres ist sein Geheimnis geblieben. Zweck seiner Tätigkeit war Betrug, und er hat damit viel Geld verdient. Am Ende seiner Tätigkeit steht eine Schadensersatzklage, ein in dritter Instanz erfolgreicher Gerichtsprozess gegen einen ahnungslosen Händler und Fourés Flucht nach Paris in die Bedeutungslosigkeit. Ich werde die story in meinem nächsten Beitrag etwas ausführlicher erzählen.

Ergänzend empfehle ich den Artikel „Neudruck“ in der Wikipedia!

Es grüßt
Sentawau
 
sentawau Am: 20.06.2018 18:41:37 Gelesen: 7492# 5 @  
@ Santana [#4]

Hier die angekündigte Fortsetzung der Kriminalstory.

Kapitel 2

1893 veröffentlichte der Landgerichtsdirektor und Beirat des Reichspostmuseums Carl Lindenberg eine Studie über die Umschläge des Norddeutschen Postbezirks. Darin führte er an Hand von Akten den Nachweis, dass eine Reihe von sehr teuer gehandelten Umschlägen nie amtlich hergestellt wurde, also Schwindelerzeugnisse sein mussten. Als Folge verklagte ein Leipziger Sammler den Händler Künast auf Rücknahme von neun derartigen Umschlägen und Erstattung des Kaufpreises von 790 Goldmark. Rechnet man diesen Betrag zum heutigen Goldkurs um, so kommt man auf etwa 10.000 Euro. Man sieht, welches Ansehen damals ungebrauchte NDP-Umschläge genossen, die heute kaum noch gesammelt werden!



Zwei der Umschläge, um deren Echtheit prozessiert wurde: 2 Gr. auf Braunschweig U 8 A und 1 Gr. auf Oldenburg U 10 A. In beiden Fällen sind die benutzten Umschläge echt, Marke und Überdruck falsch

Künast hatte die Umschläge nichts Böses ahnend von Fouré bezogen. Vor Gericht traten Fouré und Lindenberg als Sachverständige auf, wobei Fouré nur knapp an einem Meineid vorbeisegelte. 1898 ging der Prozess in dritter Instanz für Künast verloren, aber der eigentliche Verlierer war Fouré, der öffentlich blamiert war und eine hohe Schadensersatzforderung zu erwarten hatte. Er setzte sich nach Paris ab und verschwand aus der Affäre.

Die aber war längst nicht am Ende. Zwar waren nun bestimmte Umschläge als Fälschungen erwiesen, aber es blieben Mengen von anderen Umschlägen in den Sammlungen, deren Farben auffällige Abweichungen zeigten. Das Gericht hatte die naheliegende Frage nach der Herstellung der Fälschungen merkwürdigerweise nie gestellt. Ich vermute, dass Lindenberg seine Richterkollegen überzeugt hatte, dass sie mit dieser Frage das Ansehen der Reichsdruckerei gefährden würden, wo ja auch Geldscheine und Wertpapiere gedruckt wurden. Dieser Skandal musste unbedingt vermieden werden!

Merkwürdig auch, dass Lindenbergs Freund und Vertrauter Dr. Franz Kalckhoff, der von Beruf Farbchemiker war, der Farbfrage nicht weiter nachging.

Kapitel 3.

Das nächste Kapitel der Geschichte wurde 1926 aufgeschlagen. In diesem Jahr hielt die Quarzlampe ihren Einzug in die Philatelie. Der erste Sammler, der ein solches sperriges und sehr teures Geräte in Berlin besaß, war seit 1927 Dr. Siegfried Ascher. Das UV-Licht brachte viele Marken der gefälschten Eingroschenumschläge zum Leuchten: knallrot, orange, tiefgelb. Und auch ein Teil der falschen Zweigroschenumschläge fluoreszierte zyanblau. Fouré hatte einen Teil der verwendeten Marken gefälscht, obwohl sie zu seiner Zeit noch bogenweise billig am Markt waren. Warum, bleibt eines seiner Geheimnisse. Dabei benutzte er allerdings Anilinfarben, die es 1868 in der Preußischen Staatsdruckerei noch nicht gab. Er konnte nicht ahnen, dass deren Leuchten im UV-Licht ihn später verraten würde.



Die linke Marke (mit vollem Gummi) ist ein Produkt Fourés. Sie leuchtet unter der UV-Lampe karminrot. Wie sie Fourés Werkstatt entkommen konnte, ist mir ein Rätsel. Der Meister selbst hat sie bestimmt nicht freigelassen.

Jetzt erst wurde der Umfang des Schadens klar, den Fouré angerichtet hatte. Und ein Ende war noch nicht abzusehen. Denn der graue Überdruck fluoreszierte nicht. Wie nun, wenn Fouré echte Marken zum Überkleben verwendet hatte und nur der Überdruck falsch war? Auch da gab es verdächtige Grau- und Gelbtöne. Aber bewiesen war nichts.

Dieser Zustand der Unsicherheit blieb bis 2005.

Spannnend? Fortsetzung folgt
verspricht Sentawau
 
sentawau Am: 22.06.2018 13:48:42 Gelesen: 7404# 6 @  
@ sentawau [#5]

Ich will mit einer Berichtigung zum Michel Deutschland Spezialkatalog beginnen. Als Fußnote zu NDP MiNr. 16 steht folgende Notiz: „von MiNr. 16 gibt es eine nachgravierte Platte (Anf. Juni 1870) (stilisierte Flügel in der rechten Markenecke, Federn ohne Kiele). Von dieser Platte stellte Fouré seine „Nachdrucke“ her“.

Soweit die Notiz Fouré angeht, ist sie unzutreffend. Sie geht auf Friedrich Spalink BPP zurück, der sie später widerrief, dies aber nicht mehr veröffentlichen konnte.

Es wundert Sie vielleicht, dass die gefälschten Marken unterschiedlich fluoreszieren. Fouré stellte immer nur wenige Exemplare seiner Fälschungen auf einmal her.

Kapitel 4

2004 befasste sich der emeritierte Medizinprofessor Dr. Udo Klein, der seit 1992 Prüfer BBP (seit 2010 VP) für Marienwerder, Memel sowie die deutschen Besatzungsausgaben 1939/45 von Estland und Litauen war, mit Fourés Fälschungen. Kleins spezielles Interesse galt der Farbanalyse mit Hilfe der UV-Mikroskopie. Da lag eine Untersuchung der dubiosen NDP-Umschläge nahe.

Prof. Klein wurde schnell fündig. Die Pigmente der Farben weisen eine völlig andere Struktur auf als die „echten“ Farben von 1868. Alle Farben Fourés, welche unter der UV-Lampe nicht regieren wie z. B. die grauen Farben der Überdrucke, enthalten staubfeine Verunreinigungen, die unter dem UV-Mikroskop leuchten und dadurch den Fälscher verraten. Damit war sozusagen Fourés letzter Schleier gefallen. Prof. Klein hat das Ergebnis seiner Untersuchung in der Zeitschrift ‚Die Ganzsache‘ in dem bereits zitierten Aufsatz [#2] veröffentlicht.

Leider hat die Sache einen Haken. Das Arbeiten mit dem UV-Mikroskop ist nicht ganz einfach und das erforderliche Gerät teuer. Meines Wissens verfügen derzeit nur zwei Prüfer über diese Ausstattung: Thilo Nagler VP, der bei Prof. Klein das Prüfen lernte und dessen Ausstattung übernahm, und Michael Jäschke-Lantelme BPP. Beide Prüfer sind für Herrn Fouré nicht zuständig.

Allerdings hält Prof. Klein für alle, die nicht über „schweres Gerät“ verfügen, einen Trost bereit. Durch Ausmessen der grauen Überdrucke fand er heraus, das Fouré Galvanos benutzt hat, die herstellungsbedingt eine Kleinigkeit größer sind als die originalen Druckstöcke. Darauf war vor ihm noch niemand gekommen. Während die Breite der echten Überdrucke zwischen 25,7 und 25,9 mm schwankt, beträgt sie bei den Fälschungen 26,0 bis 26,2 mm. Es gibt ganz, ganz wenige Ausrutscher. Die angegebenen Zahlen beruhen auf eigenen Messungen an 157 echten und 41 falschen Umschlägen. Dafür benutzte ich eine Binokularlupe mit 20facher Vergrößerung. Mit Hilfe eines Scanners ist es wahrscheinlich noch einfacher.

Damit ist die Kriminalgeschichte in ihren Grundzügen (vorläufig?) zu Ende. Ich habe allerdings fast nur über ungebrauchte Umschläge geschrieben. Der große Meister hat aber auch sehr schöne „gebrauchte“ Stücke produziert. Und wie es sich gehört, gibt es zur Tragödie ein Satyrspiel, aufgeführt von Alexander Treischel, einem Zeitgenossen Fourés.

Bis demnächst
grüßt Sentawau.
 
Hornblower Am: 22.06.2018 15:47:32 Gelesen: 7387# 7 @  
Hallo zusammen,

über Georges Fouré hat Reinhard Metz (1937-2009) ein in meinen Augen gutes und umfassendes Buch geschrieben

George Fourè - Die Geschichte eines genialen Philatelisten und Fälschers

Es erschien 2009 bei Phil*Creativ, Schwalmtal

Ich habe es mit Interesse und Spannung gelesen und finde es sehr gut, auch wenn ich nicht ein Stück von Fourè habe.

Gruß
Michael
 
sentawau Am: 23.06.2018 13:25:47 Gelesen: 7349# 8 @  
@ Hornblower [#7]

Danke für den Hinweis! Metz besaß mit mehr als 200 gefälschten Umschlägen die nach Ascher wohl umfangreichste Fourésammlung. Sein Buch ist vor allem durch die rund 140 Farbabbildungen wichtig. Der im Michel Ganzsachen Katalog bei NDP als U 12 (Oldenburger „Riese“ auf U 5) verzeichnete überklebte Umschlag ist echt, das bisher einzige Exemplar stammte aus seiner Sammlung und wurde von ihm erstmals gemeldet. Außerdem fand er neu einen falschen Hannoverumschlag sowie einen bisher unbekannten Stempel, den Fouré zum Fälschen benutzte.

Das Buch ist ausführlich in der ‚Ganzsache’ 83. 2009 S. 72–76 besprochen.

Gruß Sentawau
 
sentawau Am: 27.06.2018 13:23:26 Gelesen: 7287# 9 @  
Kapitel 6

Zu Fourés Zeit wurden Ganzsachen bevorzugt ungebraucht gesammelt. Das Gebraucht-Sammeln kam erst allmählich in Mode. Das spiegelt sich auch in Fourés Fälschungen wieder. Seine „gebrauchten“ Fälschungen sind selten. Zu ihrer Herstellung besaß der Meister echte, aber ausrangierte Stempel. Sie sind alle bekannt, aber m. W. nirgends zusammengefasst veröffentlicht. Gute Zusammenstellungen finden sich in Meier zu Eissens Altdeutschland-Ganzsachen-Spezialkatalog (Borek). Überhaupt sind diese Ausführungen zu Fouré noch heute lesenswert. Die Adressen entnahm Fouré echten Korrespondenzen, z. B. kommt oft „Herr Benno Latz“ vor, der als Empfänger vieler echter Briefe bekannt ist. Die Schreiberhände der gefälschten Briefaufschriften wechseln. Angeblich beschäftigt Fouré junge Damen. Aber das ist wahrscheinlich üble Nachrede.

Einen falschen „gebrauchten“ Oktogonumschlag habe ich schon gezeigt (#2). Nachfolgend bilde ich einen falschen NDP-Umschlag ab sowie einen echten von Preußen mit einer von Fouré gern benutzten Korrespondenz.



Falscher U 10 (auf Meckl.-Strelitz U 2): Umschlag echt, Marke echt, Überdruck falsch, Stempel falsch. – Echter Preußenschlag U 19 A aus einer Kaufmannskorrespondenz mit einer Anschrift, die Fouré gern für seine Fälschungen benutzte. Der Umschlag zeigt, was für minderwertiges Papier die Staatsdruckerei oft verwendete. Fouré benutzte bessere Qualitäten; auch das verrät den Fälscher im UV-Licht. Das Löchlein in der Briefmitte ist typisch für die Herkunft aus einem Kontor. Dort spießte man die unerledigte Korrespondenz auf einen Nagel.

Fourés Aktivitäten beschränkten sich nicht auf Preußen und NDP. Durch seine Freundschaft mit der Graveursfamilie Schilling, die für die Reichsdruckerei arbeitete, hatte er wahrscheinlich Zugang zu vielen Druckmaterialien. Er soll auch Ausländisches gefälscht haben. Über diese Seiten seiner Tätigkeit ist kaum etwas bekannt. Schon Lindenberg wusste, dass er württembergische Ganzsachen gefälscht hat. Aus dieser Produktion kann ich eine literaturbekannte Fälschung zeigen: Württemberg U 16 mit falschem Klappenstempel.



Ein echter U 16 mit verunechteten Klappenstempel. Fouré glättete den vorhandenen Klappenstempel K 3 „Ziffer im Posthorn“ und überstempelte ihn mit dem – an sich echten – K 1, der auf diesem Umschlag aber nicht vorkommen kann.

Noch ein paar Bemerkungen zu NDP U 20 – 23 und U 24 – 27. Diese früher sehr hoch angesetzten Umschläge erscheinen neuerdings im Michel GK ohne Bewertung – zu Recht, denn sie scheinen allesamt falsch zu sein. Soweit es sich um die Verunechtung der Klappengummierung handelt, muss das nicht unbedingt Fouré gewesen zu sein. Die Michelredaktion bittet um Vorlage geprüfter Stücke. Ich besitze einen im Jahre 2001 BPPgeprüften U 21 A, der sich unter dem UV-Mikroskop als falsch offenbarte, des weiteren U 22 B, 23 A, 23 B, 31 A – allesamt falsch. Markus Pichl hat oben (#1) einen gefälschten U 22 A abgebildet. Dubios ist ein U 22 B in meinem Besitz, der zwar von Julius Schlesinger und Friedrich Blecher BPP altgeprüft ist und der Prof. Kleins Untersuchung überstand, dem ich aber trotzdem misstraue.

Das Satyrspiel zum Schluss. 2002 fand ich im Archiv für Philatelie in Bonn die lange Zeit verschollen geglaubte Parallelsammlung des Reichspostmuseums wieder. Eine eigene Mappe ist den Fälschungen Fourés gewidmet. Sie enthält aber auch 5 Ganzsachen-Umschläge, die mich zunächst ratlos machten. Sie tragen alle die Handschrift des bekannten Sammlers Alexander Treichel, der damals in Berlin studierte. Sie sind von der Berliner Post-Expeditioon 13 abgestempelt und wurden zweifellos von der Post befördert. Verwirrend ist, dass es sich um überklebte Zweigroschenumschläge handelt, wie sie Lindenberg überzeugend als Fälschungen Fourés nachgewiesen hat. Hier aber liegen sie echt gebraucht vor!

Eine starke Lupe löst das Rätsel: die Umschläge wurden vor der postalischen Verwendung manipuliert. Und zwar löste der witzige Treichel von gültigen überklebten Eingroschenumschlägen die Marken ab und ersetzte sie durch Zweigroschenmarken, die er ebenfalls von überklebten (wahrscheinlich preußischen) Umschlägen abgelöst hatte. Dann übergab er sie der Post zur Beförderung. Die Briefe datieren von 1870 und 1871 und waren damals geeignet, Treichels Sammlerfreunde zu verblüffen. Vielleicht hat er sie auch dem ihm wohlbekannten Lindenberg gezeigt. Vielleicht sind sie über Lindenberg in die Sammlungen des Reichspostmuseums gekommen. Vielleicht hat sie auch Fouré gesehen, und sie haben ihn vielleicht auf die Idee gebracht, die er zwanzig Jahre später kommerziell verwertete – bis er aufflog. Alexander Treichel trägt an Fourés Betrügereien sicherlich keine Schuld, ungewollt gab er aber vielleicht dazu die Idee. Treichel spielte, Fouré betrog.

Damit bin ich am Ende meiner Kriminalgeschichte angelangt. Ich hoffe, sie hat Interesse gefunden. Vielleicht gilt das auch für das derzeit wenig beliebte Sammelgebiet der NDP-Ganzsachen! Ich würde mich besonders freuen, wenn weitere „gebrauchte“ Umschläge aus Fourés Werkstatt zur Abschreckung und Warnung vorgelegt würden.

Es grüßt
Sentawau
 
sentawau Am: 29.10.2018 17:09:10 Gelesen: 6607# 10 @  
Künast Stempel

Ich habe vergessen, auf den Beitrag von Markus [#1] einzugehen.

Der Künast-Stempel hat zunächst einmal mit Fouré nichts zu tun. Künast war ein Händler in Berlin. Mit dem Stempel kennzeichnete er Ganzsachen, die über seinen Ladentisch gingen. Ahnungslos kaufte er bei Fouré ein. Er wusste nicht, dass er da an einen Fälscher geraten war.

Der Künast-Stempel kann also auch auf echten Briefen vorkommen, und deshalb hatte der vorsichtige Herr Flemming BPP völlig recht, als er sich weigerte, eine Fälschung zu attestieren, auch wenn es sich in solchen Fällen meist darum handelt. Wenn der Meister echte Umschläge mit echten Marken überklebte und nur den Überdruck fälschte, ist die Prüfung immer noch problematisch und nur unter dem kostspieligen UV-Mikroskop sicher. Ein solches besitzen aber nur wenige Prüfer. Darüber habe ich oben mehr geschrieben.

Es gibt übrigens auch eine zuverlässige Brandmarkung der Fälschungen. Wenn Du unter der Oberklappe links ein Löchlein ausgestanzt findest, hast Du mit Sicherheit einen Fouré vor Dir. Von wem das Löchlein stammt, ist unbekannt.
 
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