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Thema: Tschechoslowakei unter polnischer Verwaltung
Das Thema hat 82 Beiträge:
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Detlev0405 Am: 02.08.2018 14:33:54 Gelesen: 32957# 58 @  
@ gabriele [#17]

Hallo Gabi,

ich habe mich noch einmal intensiv mit dem Stempel von Oderberg - Bogumin 1 6a beschäftigt [1]. Alle Belege die ich fand (über 30) bis Ende 1918 weisen das typische a bei 6a mit Abstrich nach unten auf.



Im Detail sehr deutlich erkennbar:



Im Gegensatz dazu steht der Stempel für die Marken der Krakauer Aushilfsausgaben - eine markante Abweichung des Buchstaben a. Ich verweise ausdrücklich darauf, das es mir bei der Betrachtung nur um die Abstempelung geht (und damit um die Echtheit im Gebrauch), nicht um den Aufdruck der Krakauer Aushilfsausgabe als solches.



Diesen Stempeltyp halte ich für eine Fälschung.

LG
Detlev

[1] https://www.ebay.de/itm/Oderberg-in-Osterreich-Bahnhof-Feldpost-Postkarte-Schlesien/392027874046?hash=item5b46aea2fe:g:osIAAOSwgJla1ie0
 
gabriele Am: 03.08.2018 09:23:44 Gelesen: 32887# 59 @  
@ mausbach1 [#57]

Hallo mausbach1,

danke *freu*, darauf wäre ich nicht gekommen!

Dann ist das eine Feldpostkarte von einem "gehorsamsten Pfarrers-Sohn", der sich "Glück bei der Jagd (auf Feinde im 1. WK)" wünscht.

Vielleicht gibt es ja auch eine Filius-Karte mit "Waidmannsdank" [1]. Dabei ist es möglicherweise schon völlig egal ob evangelisch oder katholisch.

LG, Gabi

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Jagdliches_Brauchtum
 
gabriele Am: 03.08.2018 09:28:32 Gelesen: 32886# 60 @  
@ Detlev0405 [#58]

Hallo Detlev,

den Stempel Oderberg 1 6a hattest Du ja schon ab [#20] mit in eine Fälschungsvermutung einbezogen, schätzungsweise ist der wirklich falsch.

Was bedeutet eigentlich der rote "10 h (Heller ?)"-Stempel oben rechts auf deiner und meiner [#52] Feldpostkarte?

LG, Gabi
 
mausbach1 (RIP) Am: 03.08.2018 10:25:30 Gelesen: 32878# 61 @  
@ gabriele [#59]

Hallo Gabriele,

ja, damals hatten die Kinder (egal in welchem Alter) noch Respekt vor älteren Mitmenschen und vor allem vor den Eltern "grins".

Ein schönes WE!
Claus
 
Detlev0405 Am: 03.08.2018 13:48:11 Gelesen: 32848# 62 @  
@ gabriele [#60]

Hallo Gabi,

da ich diese Währungsangabe auf verschiedenen Karten gesehen habe, denke ich das es der Kartenpreis beim Verkauf ist.

LG
Detlev
 
gabriele Am: 04.08.2018 16:39:51 Gelesen: 32797# 63 @  
@ Detlev0405 [#62]

Hallo Detlev,

da ich diese Währungsangabe auf verschiedenen Karten gesehen habe, denke ich das es der Kartenpreis beim Verkauf ist.

Das hört sich zu einfach an, finde ich. ;-)

Warum sollten alle Karten einzeln mit VK-Preisen versehen worden sein (?). Von der violetten Stempelfarbe her könnten das doch theoretisch Stempel von so einer "Eisenbahn-Überwachungsstelle" [#52] sein. Die KuK-Versandgebühr für Postkarten betrug 1916-1918 10 h. Ausserdem hatte die Inflation schon begonnen, eventuell ging es hierbei um Forderungen wegen der Feldpost an die KuK-Armee.

LG, Gabi
 
Detlev0405 Am: 04.08.2018 19:07:00 Gelesen: 32780# 64 @  
@ gabriele [#63]

Hallo Gabi,

da es sich um eine Feldpostkarte handelt und ich hier im Forum gelernt habe, das Feldpost - Heimat immer kostenlos ist, glaube ich nicht, das Deine Version hier greift.

LG
Detlev
 
gabriele Am: 04.08.2018 22:29:21 Gelesen: 32756# 65 @  
@ Detlev0405 [#64]

Hallo Detlev,

da es sich um eine Feldpostkarte handelt und ich hier im Forum gelernt habe, das FP - Heimat immer kostenlos ist, glaube ich nicht, das Deine Version hier greift.

So weit ich weiß, mußte auf zulässiger Feldpost mit Feldpostnummer immer ein Truppenstempel abgeschlagen werden und die Post wurde beim zuständugen Feldpostamt eingeliefert, eigentlich nicht in den normalen Stadtpostämtern (?).

Die Karte von Dir [#58] ist unfrankiert, hat keine Feldpostnummer und ist nicht mit Truppenstempel bestätigt. Der 10 h-Stempel kann auch keine Nachgebühr für den Empfänger bedeuten, in Preußen/Sachsen gab es keine Heller als Währung. Deshalb kam ich auf eine Forderung an die KuK-Post, die Karten könnten beide vom Bahnhof Oderberg (KuK) stammen. Meine Karte [#52] ist eine unfrankierte Privat-Postkarte, die "Feldpost" war wegen dem "gehorsamsten Gruß" als Spaß gemeint.

Aber sei's drum, mit 1. WK-Feldpost kenne ich mich nicht gut aus.

LG, Gabi
 
Markus Pichl Am: 24.08.2018 09:27:07 Gelesen: 32484# 66 @  
@ gabriele [#52]

Wie lange solche preussischen Bahnüberwachungsstempel von "Oderberg 3" verwendet wurden, weiß ich nicht.

@ Detlev0405 [#53]

Nun siehst Du sogar, das es damals schon Oderberg 1, 2 und 3 gab (verwaltungstechnisch betrachtet).

Hallo Gabi,

es handelt sich nicht um "Oderberg 3". Die handschriftliche "3" stellt die Zug-Nummer dar, die in der dafür vorgesehenen Zeile "Z. Nr." im Stempel "Preussischen Eisnbahn-Überwachungsstelle Oderberg" eingetragen wurde. Die Eisenbahn-Überwachungsstellen hatten keine vergleichbare Funktion bzw. Aufgabe, zu den Postüberwachungsstellen.

Deiner Karte fehlt die Aufschrift "Feldpost" und auch die Absenderangabe des Soldaten, der sie aufgegeben hat. Feldpost wurde damals in der Regel mit Briefstempeln der militärischen Einheit versehen, bei dem der Soldat seinen Dienst verrichtete. Auch ein solcher fehlt. Die Karte befand sich wahrscheinlich in einem Sack mit Feldpost und beim Stempeln fiel auf, dass die Absenderangabe oder ein Briefstempel der Einheit fehlt und daraufhin wurde der besagte Stempel aufgesetzt, sozusagen als Portokontrollstempel. Daher auch keine Erhebung von Nachporto. So meine These.

MfG
Markus
 
Markus Pichl Am: 24.08.2018 22:19:19 Gelesen: 32419# 67 @  
Hallo,

nachdem Gabi die Karte gestern auch in einem anderen Forum zur Diskussion gestellt hatte, war ich erst heute Morgen über eine Google-Suche auf die Beiträge hier gestoßen.

In dem anderen Forum wurde die These aufgestellt, es würde sich bei dem violetten Stempel vermutlich um einen Zensurstempel handeln. Daraufhin hatte ich hier meine These und dann auch dort gepostet, dass es sich um keinen Zensurstempel handelt, weil es, gemäß Handbuch Riemer "Die Postüberwachung im Deutschen Reich durch Postüberwachungsstellen 1914-1918", in Preussisch Oderberg keine deutsche Zensurstelle gab. Gut, mit meiner These, warum sich der violette Stempel auf dem Beleg befindet, lag ich dennoch ein bisschen daneben.

Nach langer und interessanter Diskussion ist nun klar, dass es sich bei dem Stempel "Preußische / Eisenbahn-Überwachungsstelle / Oderberg / I. Nr._____ (hs) 3", um einen Dienststellen bzw. Briefstempel einer Dienststelle handelt. "I. Nr." = "Inspektions Nr.", selbst hatte ich ein "Z" vermutet. Die Stempelfarbe liegt bei starker Vergrößerung des Scans augenscheinlich unter der mit Tinte geschriebenen Anschrift und es wird deutlich, dass es kein "Z" ist, was vor "Nr." steht.

Im gesamten Deutschen Reich gab es im I. Weltkrieg Eisenbahn-Überwachungsstellen und diese waren regional den verschiedenen Armeekoorps untergeordnet. Die Postüberwachungsstellen spähten in Feldpostsendungen von Soldaten u.a. Hinweise auf Fahnenflucht oder Offiziersbeleidigungen aus und versorgten die Kommandos der Eisenbahn-Überwachungsstellen mit den Personendaten des "straffällig" gewordenen Soldaten, welche dann von besagten Kommandos in Zügen festgenommen werden konnten.

So die Kurzfassung, der heutigen Diskussion und der damit verbundenen Erkenntnis.

Beste Grüße
Markus
 
Detlev0405 Am: 22.09.2018 10:27:01 Gelesen: 31934# 68 @  
@ [#1]

Für alle, die auf eine Konkretisierung von Erkenntnissen zu diesem Beleg warten, folgende Zwischeninformation.

Ich habe mich natürlich wieder an das Postmuseum in Prag gewandt und um Mithilfe gebeten. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Mittelpunkt:

1. Sind bei den Postämtern in Oderberg 1 + 2 die in Beitrag [#35] mit Zitat von Herrn Lenke gelieferten Werte der Krakauer Aushilfsausgabe an den Postschaltern auch angekommen ? Ein Nachweis müsste zu erbringen sein, weil die Werte buchhalterisch in den Unterlagen der Postämter eingetragen werden müssen. Meine Anfrage beim Stadtarchiv Bohumin hatte kein Ergebnis erbracht.

2. Gab es in der fraglichen Zeit in Oderberg die Möglichkeit für Barfrankaturen ?

3. Welche Bedeutung hat der Aufdruck "Franco" auf den österreichischen Marken ?
Ich habe bei Nachforschungen beobachtet, das dieser Aufdruck in der Zeit 1918/1919 in allen Regionen der Tschechoslowakei auftreten und auch auf Marken, die in Österreich niemals als Portomarken klassifiziert waren.

4. Gibt es interne Postanweisungen in Oderberg, die die Duldung in der Tschechoslowakei gültiger Briefmarken bis zum eintreffen polnischer Marken gestattet ?

Da es sich doch um eine ziemlich umfangreiche Nachforschung handeln wird, werden wir uns eine gewisse Zeit in Geduld fassen müssen.

Gruß
Detlev
 
Detlev0405 Am: 04.10.2018 14:34:23 Gelesen: 31602# 69 @  
@ [#68]

Heute kann ich mit Freude das Ergebnis meiner Nachfrage beim Postmuseum in Prag veröffentlichen und damit auch Antworten auf meine aufgeworfenen Fragen geben. Wichtig dabei, es widerspiegelt den jetzigen Wissensstand und kann durch weitere Forschungsergebnisse durchaus noch Änderungen erfahren.


"Sehr geehrter Herr Roehn,

ich sende Ihnen ein Paar Worte zu Ihrer Frage.

1. Es handelt sich nicht um Studenec, sondern um Studénka - bis heute existierte Stadt in Mährenb. Das auf der Karte gedruckte Wort "Studénce" ist Ablativ, Nominativ ist Studénka.
 
2. Aus der Notiz auf der anderen Seite der Karte geht hervor, dass es sich um dringende Bestellung von Material handelt. Von der Unterschrift des Kunden (die durchgestrichen ist) ist nur das einzige Wort „Skøeczoni“ geblieben, was wiederum Ablativ ist - Nominativ lautat Skøeèoò (Skretschon auf Deutsch, auf Polnisch Skrzeczoñ), damals Dorf in der Nähe von Bohumín, jetzt Stadtteil von Bohumín. Nach dem ersten Weltkrieg kam Unsicherheit, zu welchem Staat Skøeèoò nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarn fällt; 1920 wurde beschlossen, dass Skøeèoò fällt der Tschechoslowakei.
 
3. Ihre Frage:

Die Altösterreichische Briefmarken, d.h. Briefmarken des cisleithanischen Teiles der ehemaligen österreichisch-ungarische Monarchie, die am 1. Oktober 1916 ausgestellt wurden,  waren in der Tschechoslowakei gültig  bis 1. März 1919 gleichzeitig mit den ersten tschechoslowakischen Briefmarken („Hradschin“). Hradschin wurden schrittweise ab dem 18. Dezember 1918 ins Betrieb gegeben.  Erst im Februar 1919 war es möglich, die ausreichende Menge von diesen Briefmarken an alle Postämter zu liefern. Am 1. März 1919 endete die Gültigkeit von Altösterreichischen Briefmarken in der Tschechoslowakei - Verordnung des Ministeriums für Post und Telegraphen in Prag Nr. 3426-VI-29 vom 8. Februar 1919. Das bedeutet, dass die altösterreichische und ungarische Briefmarken  mit Überdruck wurden in Tschechoslowakei ungültig.

Der Vollständigkeit halber stelle ich fest, dass aufgrund fehlender Briefmarken von November 1918 bis Ende Februar 1919 (manchmal sogar noch später!) halfen sich einige Postämter in einer Art und Weise, dass sie  verschiedenen Überdrucke benutzen: T, P, PORTO, DOPLATIT (=Nachgebühr), FRANCO, D u.s.w. Diese Überdrücke veränderten Nachgebührmarken (Portomarken),  Eilmarken und  Zeitungsmarken auf Freimarken. Die Überdrücke wurden – wie Sie erwähnt haben - waagerecht, senkrecht als auch diagonal aufgebracht.

Für Ganzstücke wurden österreichische Briefmarken mit dem Überdruck FRANCO verwendet. Die Postmeister halfen sich so in Abwesenheit der erforderlichen Marken, insbesondere nach der Entstehung neuer unabhängiger Staaten  nach dem Ersten Weltkrieg also auch im Gebiet Cieszyn. Sie verwenden eine Provisorien-Stempel PORTO oder FRANCO und mit diesen Stempeln regelten Die Postmeister die verbleibenden österreichischen Briefmarken je nach Bedarf (Porto oder umgekehrt zu bezahlen). Im Cieszyn Gebiet – wo der polnische Einfluss stark war – gab es Verwendung dieser Provisorien in Postämtern in Jablunkov, Tøinec, Bohumín und vielleicht auch zu anderen Postämtern. Der Mangel an neuen Briefmarken zeigte sich in Postämtern sogar nach der Veröffentlichung der ersten polnischen Briefmarken oder auch nach dem Widerruf der österreichischen Briefmarken. Interessant ist die Un- Einheitlichkeit in Posttarifen. Irgendwo verwendete man österreichischer Preis für eine Postkarte (10 Heller.) In anderen Ländern polnische Rate (15 Heller).

Zu diesem Zeitpunkt benutzten sich in schlesischen Bohumín gemischte Frankaturen -  polnisch-österreichische, österreichische oder polnische Frankaturen mit dem Überdruck PORTO und mit dem Nominal der Tschechoslowakischen Post. Ihre Karte, welche aus Bohumín (Oderberg, Bogumin 2)  am 21. 1. 1919 gesendet wurde (d. h. Gebiet unter polnischer Verwaltung)  hat österreichische Briefmarke mit dem Überdruck FRANCO und entspricht dem damals gültigen polnischen Tarif für Postkarte (15 Heller).

Was der FRANCO Stempel betrifft, es ist mir nicht bekannt, dass die Benutzung dieses Stempels durch eine zentrale Regelung  der tschechoslowakischen Postverwaltung von 1918 handeln solle.

…..

Mit freundlichen Grüssen

PhDr. Jitka Zamrzlová
kurátorka
odd. správa sbírkového fondu
zamrzlova.jitka@cpost.cz
+420 954 400 701
http://www.postovnimuzeum.cz "


Aus dem Beitrag von Frau Dr. Zamrzlova leite ich folgende Schlußfolgerungen ab:

zu 1) Offensichtlich haben die ausgelieferten Werte der Krakauer Aushilfsausgabe keinen der Postschalter in Oderberg bis zum 23.01.1919 erreicht und kommen somit in der Kurszeit niemals echt gestempelt vor von Oderberg.

zu 2) Es gibt keinen Nachweis über die Anordnung von Barfrankaturen bei Markenmangel.

zu 3) Die Verwendung des "Franco" Stempels qualifiziert die Marke als Freimarke und ist auf die Initiative der lokalen Postmeister zurückzuführen.

zu 4) Offensichtlich gab es keine postseitige Anweisung zur Duldung der noch umlaufenden Marken, es wurde einfach praktiziert in Ermangelung anderer Alternativen.

Nun kann der Beleg wieder beruhigt in die Kiste - seine Identität ist nun geklärt. Es ist ein Beleg mit tschechischen Wurzeln unter polnischer Verwaltung, heute würde man sagen doppelte Staatsbürgerschaft.

Ich kann nur jedem empfehlen, bei Fragen zur Geschichte von Marken oder Belegen der tschechischen Post sich vertrauensvoll an das Postmuseum zu wenden, Frau Dr. Zamrzlova wird sich immer bemühen, alle Fragen nach Möglichkeit zu beantworten.

Gruß
Detlev

[Beiträge [#1] bis [#69] aufgrund des Wunsches von Gabriele und Detlev redaktionell verschoben aus dem bisherigen Thema "Schlechte Belege erzählen nette Geschichten"]
 
10Parale Am: 14.04.2019 15:51:01 Gelesen: 29812# 70 @  
Hier kann ich auch einzelne Stempelfragmente von ODERBERG auf tschechoslowakischen Anfangsmarken beisteuern. In die Komplexität des Themas muss ich mich aber erst mal einlesen.

Ich werde im weiteren Verlauf noch einige Stempel von Ortschaften zeigen können, die unter polnischer Verwaltung standen, aber eigentlich zur Tschechoslowakei gehörten (bzw. Schlesien) - Oh Mann, ist die Geschichte kompliziert. Warum nennen wir das ganze nicht einfach Europa?

Liebe Grüße

10Parale


 
Detlev0405 Am: 14.04.2019 18:47:26 Gelesen: 29784# 71 @  
@ 10Parale [#70]

Hallo 10Parale,

schön, dass Du Dich in dieses Thema mit einbringst.

Die polnische Besetzung und damit auch Verwaltung erstreckte sich von 05.11.1918 bis zum 23.01.1919, am 23.01.1919 waren dann definitiv tschechische Truppen in dieses Gebiet einmarschiert und haben das Gebiet bis auf eine kleine Unterbrechung in den 30er Jahren unter tschechische Verwaltung gebracht.

Das bedeutet, dass in dieser Zeit vom 05.11.1918 bis zum 23.01.1919 Stempel mit Oderberg und Bogumin 1 oder 2 zum Einsatz gekommen sein müssen, danach Stempel mit der Bezeichnung Oderberg/Bohumin. Bei der 1. und 4. 40 Heller Marke erkenne ich möglicherweise die Jahreszahl 20 (bitte korrigieren wenn ich das falsch interpretiere) und bei beiden Marken auch noch die polnische Ortsbezeichnung. Das ist für mich schon erstaunlich. Vielleicht könntest du beide Marken im Original bezüglich des Datums noch einmal auslesen.

Der 30 Heller Wert zeigt zwar wunderschön das Datum, aber die polnische oder tschechische Ortsbezeichnung fehlt unten.

Die Kernfrage in dem Thread ist eigentlich, welche Marken kamen in der Zeit vom 05.11.1918 bis zum 23.01.1919 zum Einsatz. Die einzige amtliche Ausgabe von polnischer Seite war bis zum 23.01.1919 die Krakauer Aushilfsausgabe. Zwei Werte der Ausgabe wurden laut Fischer Katalog auch von der zuständigen OPD auf den Weg gebracht. Offensichtlich kamen sie aber nie in den Einsatz, da es bisher keine geprüften Werte der Krakauer Aushilfsausgabe von Oderberg gibt bzw. aufgetaucht sind.

Leider gibt es auch aus dieser Zeit kaum oder keine ähnlichen Belege von Oderberg, bei denen man Vergleiche ziehen könnte.

Vielleicht findest Du ja in Deinen Archiven weitere Belegmarken mit vollständigem Datum, um hier weiter zu kommen. Du hast Recht, eine hochinteressante Zeit und auch Gebiet.

Gruß
Detlev
 
10Parale Am: 14.04.2019 21:38:46 Gelesen: 29753# 72 @  
@ Detlev0405 [#71]

tschechische Truppen in dieses Gebiet

Ist dieses Gebiet definiert? Gehören dazu noch andere Orte, eine ganze Region, vielleicht könnte ich dann aushelfen.

Ich habe die beiden Marken entfärbt und einem starken schwarz-weiss-Kontrast ausgesetzt und das Datum erscheint damit deutlicher und die Jahreszahl 20 ist meines Erachtens richtig, wie die Scans hoffentlich zeigen. Leider habe ich bezüglich Oderberg nicht mehr Material, werde meine Augen natürlich offen halten.

Freue mich, beständig weiter zu lesen.

Liebe Grüße

10Parale


 
Detlev0405 Am: 15.04.2019 14:17:55 Gelesen: 29695# 73 @  
@ 10Parale [#72]

Hallo 10Parale,

danke für die separate Darstellung beider Marken. Das zeigt zumindest, das die Weiterverwendung des Stempels mit polnischer Ortsbezeichnung noch bis in das Jahr 1920 erfolgte. Aus meiner Sicht eine noch sehr späte Verwendung.

Zu Deiner Frage bezüglich des Gebietes - ja es handelt sich um das Teschener Schlesien (oder auch Olsagebiet genannt), das im Streit zwischen Polen und der Tschechoslowakei bis in die 30er Jahre Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen beiden Staaten war. Im [#27] findest Du von Prof. Friedl eine genaue Beschreibung des Gebietes und des Streites. Bei anderen Orten können Belege bis zum 31.01.1919 in Frage kommen als letzten Tag der Auseinandersetzung. Zur besseren Übersicht ein Link [1].

Liebe Grüße
Detlev

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Olsagebiet#/media/File:%C5%9Al%C4%85sk_Cieszy%C5%84ski.PNG
 
10Parale Am: 15.04.2019 16:03:16 Gelesen: 29685# 74 @  
@ Detlev0405 [#73]

Erst mal vielen Dank für die Erklärungen, Hinweise und Links. Ich bin dabei, die geschichtlichen Zusammenhänge langsam zu verstehen, sie sind offen gesagt sehr kompliziert. ich kenne das teilweise aus Gebieten im heutigen Rumänien, wo eine Mischung aus Volksstämmen, Ethnien und Religionen immer wieder in einem langen Ablauf der Geschichte zu Konflikten geführt hat. Obwohl es viele heutzutage eigentlich nicht interessiert, woher wir stammen, sondern lieber die Möglichkeiten des Hier und Jetzt zelebriert werden, hält die Philatelie die Erinnerungen doch noch wach.

Ich zeige vielleicht abschließend noch einen weiteren Stempel aus meinem Fundus aus PETERVALD VE SLESZKU. Auf der schönen Karte in dem von dir empfohlenen Link [1] tippe ich einmal auf die Ortschaft PIETWALD zwischen Ostrava und Orlowa. Heute liegt dieser Ort an der nordöstlichen Stadtgrenze von Ostrava, der drittgrößten tschechischen Stadt.

Wie Bogumin (Oderberg) lag auch sie im hellblau eingefärbten Gebiet, also unter polnischer Verwaltung, doch der Stempel scheint eine schlesischer Stempel auf einer tschechischen Marke zu 40 H zu sein. Das Datum eruiere ich mit 24/2/20 - wobei das 20 wirklich nicht einfach zu lesen ist.

Ich werde weiterhin am Ball bleiben und die Thema hier, - hoffentlich mit weiteren Belegen versehen - studieren. Danke schön.

Liebe Grüße

10Parale



[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Olsagebiet#/media/File:%C5%9Al%C4%85sk_Cieszy%C5%84ski.PNG
 
Detlev0405 Am: 28.06.2019 14:00:54 Gelesen: 29148# 75 @  
Heute kann ich eine wichtige Ergänzung zu den Stempeln von Oderberg / Bohumin, speziell zum Postamt Bohumin 2 a, in die Diskussion bringen.

Ab 1920 gab es einen eigenständigen tschechoslowakischen Stempel für das Postamt "BOHUMIN 2 a *C.S.P.*". Der Stempeltyp war M.41 und bis 1938 im Einsatz. Der später aufgelegte Typ M.45 ist für das Postamt Bohumin 2 a nie aufgelegt worden. Es ist der geläufige Stempel mit *** an Stelle von *C.S.P.* . Auch in Bohumin 1 wurden die tschechoslowakischen Stempel erst ab 1920 eingeführt.

Somit kann davon ausgegangen werden, das neben dem polnischen Stempel Oderberg / Bogumin bis Ende Januar 1919, in erster Linie ehemalige österreichische Stempel für Oderberg nachverwendet wurden in Ermangelung der neuen Stempel. Aber auch der polnische Stempel wurde bis zur Einführung der neuen tschechoslowakischen Stempel weiter verwendet wie im Beitrag [#72] ersichtlich .

Gruß
Detlev

Quelle: Monografie tschechoslowakischer Marken , Band 17 Teil 1 , Seite 107
 
10Parale Am: 08.01.2020 22:53:49 Gelesen: 27602# 76 @  
@ Detlev0405 [#75]

Wer sich fragt, woher die ersten Eisenbahnschienen der Nordbahn von Wien nach Krakau herkamen, findet sich schnell in Ostrava wieder. Heute ist Ostrava die drittgrößte Stadt von Tschechien. Durch den Abbau der Steinkohle ab etwa 1763 wurden Arbeitsplätze geschaffen und es entstand ein rapides Bevölkerungswachstum. Ostrava ist so etwas wie ein Dreiländereck im Osten der tschechischen Republik. Etwa 10 km entfernt liegt die Grenze zu Polen und 50 km entfernt die Grenze zur Slowakei. Das Flüsschen Ostravice fließt in Ostrava in die Oder und beidseits dieses Zuflusses entstanden 2 Dörfer, eines war das Polska Ostrava, das andere nannte sich Moravska Ostrava. Die Oder und die Ostravice bilden seit Jahrhunderten den Grenzverlauf zwischen Mähren und Schlesien.

Die Zugehörigkeit zum ungarisch-österreichischen Kaiserreich erleichterte die Zuwanderung nicht nur aus Mähren, sondern auch aus Galizien. Bis 1918 gehörte Mährisch Ostrau (deutscher Name) zur Markgrafschaft Mähren und Polnisch Ostrau zum Herzogtum Schlesien.

Ab 1918 waren beide Städte Teil der tschechoslowakischen Republik. Aus dieser Zeit stammt die tschechische Marke mit dem Hradschin und dem gut sichtbaren Stempel von POLSKA OSTRAVA. Was sucht der Stempel auf einer tschechischen Marke?

Ich zeige eine frühe Fotokarte (Correspondenz-Karte) von Ostrava, die am 31.12.1898 wunderschön auf einer 2 Kreuzer Marke abgestempelt wurde. Die Benutzung des deutschen und slawischen Namens lässt auf ein harmonisches Miteinander verschiedener Völkergruppen schließen. Auf der Rückseite sehen wir eine im Wachstum begriffene Stadt, wo Schornsteine, Kirchtürme und Herrenhäuser miteinander konkurrieren.

Ich hoffe, diese Stadt wieder mal besuchen zu können, denn obwohl einige, die sie kennen, nicht besonders schön finden, ich habe sie ins Herz geschlossen. Die Feinstaubbelastung erreichte in den 1980-er Jahren ihren Höhepunkt, wurde aber durch zahlreiche Auflagen der EU mittlerweile wieder reduziert.

Bekannte Einwohner von Ostrava waren u.a. Sigmund Freud, Alfred Biolek und der Dichter Joseph von Eichendorff.

Liebe Grüße

10Parale




 
Detlev0405 Am: 10.01.2020 20:35:25 Gelesen: 27502# 77 @  
@ 10Parale [#76]

Was sucht der Stempel auf einer tschechischen Marke?

Das ist eine gute Frage, die sich aber nur mit einem kompletten Stempel beantworten lässt. Ich meine damit das Datum. Ich habe inzwischen gelernt, das in der Regel tschechische Marken erst ab Februar/März 1919 in diese Region gekommen sind. Erst in den großen Städten, später auch bis hin ins letzte Dorf.

Bei tschechischen Stempeln verhält es sich ähnlich. Bei Deinem Stempel - den ich übrigens noch nie gesehen habe - handelt es sich wohl um eine amtliche Nachverwendung des polnischen Stempels mangels eigener tschechischer Stempel.

Wie gesagt, es bleibt eine Vermutung, die nur bei Fixierung des Datums besser beantwortet werden könnte.

Gruß
Detlev
 
Stefan Am: 10.01.2020 21:14:21 Gelesen: 27494# 78 @  
@ 10Parale [#76]

Ab 1918 waren beide Städte Teil der tschechoslowakischen Republik. Aus dieser Zeit stammt die tschechische Marke mit dem Hradschin und dem gut sichtbaren Stempel von POLSKA OSTRAVA. Was sucht der Stempel auf einer tschechischen Marke?

Ich stehe etwas auf dem Schlauch: Polska Ostrava und Moravska-Ostrava gehörten beide ab 1918 zur Tschechoslowakei. Du zeigst eine entsprechende Briefmarke dieses neuen Staates aus der Anfangszeit und einen Teil eines Tagesstempelabschlags. Was soll da nicht zusammenpassen? :-)

@ Detlev405 [#77]

Bei tschechischen Stempeln verhält es sich ähnlich. Bei Deinem Stempel - den ich übrigens noch nie gesehen habe - handelt es sich wohl um eine amtliche Nachverwendung des polnischen Stempels mangels eigener tschechischer Stempel.

Warum soll es sich bei dem Stempelgerät um einen polnischen Stempel handeln, wenn der Ort nach dem Zerfall von Österreich-Ungarn direkt zur Tschechoslowakei kam?

Wie eingangs geschrieben, ich stehe etwas auf dem Schlauch.

Gruß
Pete
 
10Parale Am: 10.01.2020 22:04:49 Gelesen: 27484# 79 @  
@ Detlev0405 [#77]
@ Pete (#78)

Ok, wenn beide Stadtteile (von einem Fluss getrennt) ab 1918 zur Tschechoslowakei gehört haben, passt es zusammen. Möchte ja niemand auf dem Schlauch stehen lassen. Das kleine Wörtchen "polska" hat wohl meine Sinne etwas verwirrt.

Ja, das liebe, verräterische Stempeldatum kann man auch auf den beiden anderen Abschlägen nicht erkennen, die ich auf frühen tschechischen Marken fand.

Sobald ich meine Füße wieder auf Ostrava-Land setze, werde ich einen geschichtsbeflissenen Menschen bei einem Budweiser nach der Historie der Stadt fragen. Wird aber der Umstände halber dauern.

Vielen Dank und liebe Grüße

10Parale


 
rudi63 Am: 11.01.2020 11:05:53 Gelesen: 27443# 80 @  
Votocek Monografie Teil 16 1. Teil Seite 498

1918 - 1919 Polnisch Ostrau - Polska Ostrava - aptierter Stempel (deutsche Inschrift entfernt)

in 1919 umbenannt in: Slezska Ostrava

Es gibt Postamt 1 + 2

Schöne Grüße
Rudi
 
Detlev0405 Am: 12.01.2020 15:26:25 Gelesen: 27364# 81 @  
@ Pete [#78]

Hallo Pete,

Du stehst zu Recht auf dem Schlauch wegen meiner fehlerhaften Äußerung. Ich kann sie nun selbst nicht mehr nach vollziehen.

Es handelt sich bei dem gezeigten Stempel - wie rudi63 schon richtig aufzeigt - um einen Stempel aus der KuK Monarchie, der sowohl zweisprachig als auch aptiert vorgekommen ist.



Hier eine komplette Aufstellung der Quelle, die Rudi63 bereits zitiert hat. Daraus wird ersichtlich, das der ursprünglich zweisprachige Stempel im Jahre 1919 generell aptiert wurde.

Man möge mir meinen Fehler verzeihen.

Gruß
Detlev
 
10Parale Am: 19.05.2020 22:00:38 Gelesen: 26222# 82 @  
@ Detlev0405 [#47]

Am 1. Mai 1847 kam die Zäsur für diesen Ort - der Bau des Bahnhofes Oderberg als Endbahnhof der Kaiser Ferdinand Nordbahn.

Meines Wissen nach war Krakau der Endpunkt der Kaiser Ferdinand Nordbahn. Am 1. Mai wurde der Abschnitt Leipnik - Oderberg fertiggestellt. Reisende, die nach Berlin wollten oder von Berlin kamen, mussten den Weg zwischen Oderberg (Bohumin) und Annaberg (Chalupki) mit Pferdefuhrwerken zurücklegen (in Annaberg war der Endpunkt der Wilhelmsbahn aus Richtung Berlin).

Um die Geschichte kurz zu Ende zu erzählen: es wurde eine weitere Flügelbahn über Gänserndorf nach Marchegg errichtet als Anschlussbahn ins ungarische Preßburg (Pozsony) bzw. weiter nach Budapest. Auf Rechnung der ungarischen Bahnverwaltung durfte die Kaiser Ferdinand Nordbahn bis Preßburg fahren.

1848 wurde auch das Teilstück von Bohumin (Oderberg) an die preußische Grenze nach Annaberg fertiggestellt, der Weg war frei für die Eisenbähnler nach Berlin.

1853 wurde dann beschlossen, die Hauptlinie weiter nach Auschwitz (Oswiecim) zu verlängern, ebenso weitere Flügelbahnen nach Bielitz (Bielsko - Biala) und nach Troppau (Opava) in Schlesien. Am 11. Dezember 1855 wurde dann der Abschnitt Oderberg - Dzieditz in Betrieb genommen. Am 1. März 1856 war die Strecke von Wien bis Auschwitz dann fertiggestellt, 20 Jahre nach Baubeginn.

Die Krakau-Oberschlesische Bahn, die 1850 verstaatlicht wurde, fuhr dann den Rest des Weges von Auschwitz nach Krakau. Am 27. Januar 1858 kam es dann zu einem Deal zwischen dem Staat und der Nordbahn und für eine nicht unbeträchtliche Summe Geld durfte die Nordbahn nun auch das Stück bis Krakau ihr Eigen nennen. Das Prinzip war immer das selbe: der Staat brauchte Geld.

Die ursprüngliche Idee des Ingenieurs Riepl, die Bahn bis zu den reichen Salzvorkommen in Galizien zu führen, wurde somit nie verwirklicht.

Liebe Grüße

10Parale
 

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