Neues Thema schreiben   Antworten     zurück Suche   Druckansicht  
Thema: Schweiz: Gedanken zur Marktlage 2019
Richard Am: 16.01.2019 09:37:11 Gelesen: 1765# 1 @  
Wie in jedem Jahr veröffentlichen wir auch zu Beginn des Jahres 2019 die Marktmeinung des Schweizer Händlers Gottfried Honegger [1].


Gedanken zur Marktlage 2019

Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Leute, Kunden also, ein Vorwort zu einem Katalog überhaupt lesen! In jungen Unternehmerjahren mag manch einer davon ausgehen, dass solch ein Überblick (fast) alle brennend interessieren wird. Also schreibt man frohen Mutes einfach seitenlang darauf los. Mit zunehmender Erfahrung wird man realistischer. Ob dies einer Alters-Sturheit geschuldet ist oder doch eher einer langsam sich bemerkbar machenden Alters-Weisheit, lassen wir dahingestellt. So oder so: Leider ist darüber noch keine Studie verfasst worden, ob solche, das vergangene Jahr zusammenfassenden Gedanken auf irgendein Interesse stossen oder bloss eine «vergebliche Liebesmüh» darstellen. In unserem Spezialfall kommt eine Erschwernis noch dazu! Bekanntlich befassen wir uns seit Jahrzehnten nur mit den allerersten Schweizer Marken von 1843 bis etwa 1870, dazu noch mit der Vor-Markenzeit der Eidgenossenschaft. Und in diesem Bereich hat sich schon seit einigen Jahren nicht allzu viel verändert. Meine Angaben oder Voraussagen in den letzten Katalogen haben sich also als richtig erwiesen und sie sind es weitestgehend auch heute noch. Es ist also schwierig bis kaum möglich, viel Neues zu berichten! Deshalb möchte ich die einzelnen Punkte nur kurz zusammenfassend angeben:

Nachfrage generell nach Kantonalmarken: Tadellose, schöne Stücke verkaufen sich heute ohne weiteres. Oft erlebt man, dass Kunden, die man seit Jahren oder gar Jahrzehnten bedienen darf, keinen Bedarf für die normalen Katalognummern mehr haben. Und dies einfach, weil sie dort schon komplett sind. Bei uns haben sich aber auch dieses Jahr wieder etliche (etliche!) ganz neue Kunden gemeldet, die diese ältesten und damit auch teuersten Schweizer Marken erworben haben oder noch erwerben möchten.

Rayonmarken waren und sind vor allem für jene Sammler wichtig, die sich in dieses (wahrscheinlich interessanteste) Gebiet der klassischen Schweizer Marken vertiefen möchten. Es geht hier nicht nur um die zahlreichen Farbnuancen, die man zusammensuchen kann, sondern in erster Linie um die verschiedenen Drucksteine. Mit andern Worten: um die verschiedenen Auflagen dieser Marken, die mit immer neuen Drucksteinen hergestellt worden sind. Die Rekonstruktion einer ganzen Typentafel kann einen viele Jahre beschäftigen und begeistern. Ganz zu schweigen von der Vielzahl an Abstempelungen und Frankaturen. Ein immer wichtiger werdendes Gebiet sind Belege nach selten anzutreffenden Orten oder gar Destinationen in andern Ländern! Wir haben uns diese Gebiete seit Jahrzehnten zu einem Hauptgebiet gemacht und deshalb sind wir in der Lage, hier praktisch jedem Sammler Hilfe zu bieten.

Strubel und sitzende Helvetia gezähnt: Eines der zahlenmässig vielleicht meistgesammelten Gebiete bei den klassischen, also ganz alten Schweizer Marken. Warum? Weil die sogenannten Heimatsammler, also jene, die nicht (z.B. aus finanziellen Gründen) gleich sämtliche alten Schweizer Marken sammeln möchten, sondern nur die Stempel auf losen Marken oder auf Briefen einer bestimmten Region (sei dies eines ganzen Kantons, oder eines Bezirks oder nur einiger Orte oder einer einzigen Stadt) in diesem Bereich vor allem fündig werden. Und dies zu wesentlich niedrigeren Preisen als bei den älteren Ausgaben. Die Ausbaumöglichkeiten sind hier fast unbegrenzt, vor allem, wenn – und weil – man hier auch noch grössere Frankaturen oder Auslandsbriefe miteinbeziehen kann. Ein Gebiet, das einem lebenslang Freude bereiten wird.

Geburtstagssammlungen: Als Einleitung in eine Sammlung macht das Zusammentragen einer Anzahl Stücke (lose Marken oder Briefe) mit dem eigenen Geburtstagsdatum (aber nur Tag und Monat, nicht aber dem Jahr) sehr viel Sinn. Auf diese Weise wird eine anonyme Sammlung plötzlich zu einer ganz persönlichen! In erster Linie empfehlenswert ist solch eine Sammlungseinleitung, wenn man die Daten der eigenen Kinder oder Enkel oder Patenkinder sammelt und eines Tages diese damit beschenken möchte. Solch ein Andenken an den Stifter bleibt erfahrungsgemäss (weil es ja wegen des Datums zur persönlichen Sammlung geworden ist) viel eher als Beginn einer eigenen Sammlertätigkeit bestehen und wird nicht einfach veräussert, wie man einen geschenkten oder ererbten Geldbetrag ausgibt. Jedem Sammler, der sich meist während Jahrzehnten um seine Sammlung bemüht und darin nicht selten auch grössere Summen investiert hat, ist es doch eine grosse Befriedigung, wenn er feststellen kann, dass seine diesbezügliche Hinterlassenschaft nicht einfach baldmöglichst «versilbert», sondern in Ehren gehalten und weiter gepflegt wird!

Ungebrauchte Alt-Schweiz-Marken: Die diesbezügliche Nachfrage ist ungebrochen. Da kaum irgendwo nennenswerte Bestände vorhanden sind, muss auch ein spezialisierter Händler durchaus mit Fehllisten arbeiten. Keiner kann einfach «alles» ab Lager liefern! Die diesbezüglichen Preise sind, bei den besseren Nummern keineswegs schon oben angelangt. Man könnte sie praktisch jährlich wieder erhöhen. Da aber oft während Jahren gewisse Nummern kaum auf dem Markt anzutreffen sind muss man mit übermässigen Erhöhungen vorsichtig sein und jeweils nach einer erfolgten Neubewertung wieder einige Zeit abwarten.

Generell: Ältere Sammler tun sich oft schwer mit der Tatsache, dass die Mitgliederzahlen in den Vereinen abnehmen (mit wenigen Ausnahmen sehr aktiver Vereine). Das ist richtig. Die Mitgliederzahlen dort schwinden, wie – damit leider verbunden! – auch die Abonnentenzahlen der Schweizer Briefmarkenzeitung. Nun darf man auf keinen Fall den Fehler machen, deswegen der Philatelie nur noch den nahen Tod vorauszusagen! Wir erleben doch in vielen andern Fällen auch, dass wir heute im Internet-Zeitalter leben und nicht mehr in der Zeit, wo die Sammler sich wöchentlich um den örtlichen Stammtisch versammelten und von der «guten alten Zeit» schwärmten. Das hat prinzipiell rein gar nichts mit der Philatelie allein zu tun. Letztere ist davon aber betroffen. Junge Menschen tragen heute ihr Handy in der Hosentasche und nicht mehr die Büchse mit den überzähligen Briefmarken für den Tausch in der Schulpause. Das führt zwangsläufig zu einem Niedergang der Sammlerzahl, falls es uns nicht gelingt, junge Menschen für Briefmarken zu interessieren oder gar zu begeistern. Wir würden gerne Lehrer oder Leiter von diesbezüglichen Jugendkursen unterstützen und nehmen solche Mitteilungen gerne entgegen.
Es gibt aber auch eine andere Seite, die naturgemäss einem aktiven Händler oder Auktionator, aber kaum einem «Stammtischsammler» bekannt ist! Es gibt durchaus neue Sammler oder noch genauer: neue Käufer. Nur sind das fast ganz sicher nicht Leute, die sich wie früher am Stammtisch des Sammlervereins treffen und dort versuchen möchten, Ihre Sammlungslücken zu füllen oder ihre Dubletten an den Kollegen abzugeben. Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

Wirtschaftliche Gegebenheiten: Nach wie vor erleben wir nicht nur in der Schweiz, sondern in weiten Teilen der wirtschaftlich prosperierenden Welt eine beispiellose Zeit der niedrigen Zinsen. Zudem geht es vielen Leuten in diesen Ländern wirtschaftlich gut bis sehr gut. Seit Jahren oder gar Jahrzehnten konnten diese Leute etwas erwirtschaftetes Geld («für den Ruhestand») auf die Seite legen. Während all dieser Jahre war in den Wertpapieren eine Rendite zu bekommen, die meist über der Inflationsrate lag. Damit ist es seit einigen Jahren aber vielfach vorbei! Ältere Menschen wollen fällige Anlagen heute nicht mehr auf Jahre hinaus verlängern. Schon gar nicht zum Nulltarif (wenn man die Bankspesen und Anlagegebühren berücksichtigt). Da möchten viele vom Ersparten sich noch etwas leisten, solange dies noch möglich ist. Warum boomen heute z.B. Kreuzfahrten oder Ferienreisen (oft mehrere Male pro Jahr!) dermassen? Nun gibt es aber auch Leute (jedes Jahr immer wieder und je länger, je mehr!), die namhafte Investitionen in Sachwerte tätigen. Seien dies Bilder, Schmuck oder eben auch klassische Schweizer Briefmarken! Und genau dies kommt uns allen zugute heute! Das sind aber meist Leute, die keine «Stammtischhobbys» pflegen. Ich mag es bedauern, aber ändern kann ich es nicht, dass diese Leute keinen Wunsch verspüren, einem Verein – auch keinem philatelistischen – beizutreten. Und damit erscheinen sie halt auch nicht in den Mitgliederzahlen der Vereine. Würden diese schwindenden Mitgliederzahlen aber ein Beweis für den Niedergang der Philatelie bedeuten, so müsste sich dies ja auch in den Umsatzzahlen der grossen Auktionsfirmen oder in unserem Geschäft niederschlagen. Sie können davon ausgehen, dass dies – jedenfalls bei uns – überhaupt nicht so ist! Wir sind sehr zufrieden mit dem Geschäftsgang 2018 und wissen sehr genau, dass wir dies vor allem Ihnen als Kunden zu verdanken haben!

Aussichten: Die politischen Aussichten waren auch schon einmal weniger wolkenverhangen. Es sind weltweit etliche Klippen noch zu umschiffen und es lauern ständig neue Gefahren, die einem Angst machen könnten. Der stärkste Wirtschaftsmotor Europas, Deutschland, stottert. Das ist vor allem politisch gemeint. Und auch nach der Ankündigung der Ablösung der führenden Politiker (auch der Bundeskanzlerin) werden sich die neuen Leute erst einmal einarbeiten und ein Netzwerk aufbauen müssen. Von der früheren Führungsrolle ist man da weiterhin entfernt. Nur kurzfristig hat diese Rolle Frankreich übernommen, aber da türmen sich bereits wieder die altbekannten Probleme auf. Der Brexit von Grossbritannien ist noch längst nicht bewältigt und wie dieser letztlich enden wird, werden wir in den nächsten Monaten sehen. Euphorie ist noch nicht ange7 sagt. Irgendwelche politischen Aktivitäten sind da nicht zu erwarten. Und in den Oststaaten der EU macht sich da und dort Widerstand gegen «Brüssel» bemerkbar. Alles in allem, wähnt man sich bei nüchterner Betrachtung von «lame ducks» umgeben! Von der andern Seite des Atlantiks kommen harsche Töne in die ehedem freundschaftlichen Beziehungen. Blauäugig, wer da auf allzu viel Hilfe oder Entgegenkommen in der näheren Zukunft setzen möchte. Im Gegenteil: die Dreistheit, mit der auch gegenüber Grossmächten wie China und Russland abgeschlossene Verträge ohne vorherige Kontaktaufnahme gekündigt und abgebaute Handelsschranken wieder aufgebaut werden, weil sie nicht ins Trump'sche Konzept passen, lassen weltpolitisch neue Probleme auftauchen, deren Lösung und Bewältigung Jahre dauern könnten. Und im vorderen Orient brodelt es in vielen Staaten neuerdings, resp. immer noch. Auch vermeintlich befreundete Staaten zeigen plötzlich ein zweites Gesicht, um nicht zu sagen, eine hässliche Fratze.
Kein Wunder, dass sich diese unsicheren Zeiten auch an den Börsen zeigen. Da wechseln Hochs und Tiefs sozusagen im Wochentakt ab. Solche Zeiten verunsichern Anleger. Vor allem solche, die keine Tages-Spekulationen mitmachen möchten und eine kontinuierliche Anlage suchen, meiden diese und warten ab. Und dies nicht nur schon seit einiger Zeit, sondern wohl auch noch für die nähere Zukunft. Genau diese politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, bewegen anlagebereite Leute, alternative Anlagemöglichkeiten zu suchen. Anlagemöglichkeiten, die, wenn sie schon keine Renditegarantie bieten, so doch wenigstens Freude bereiten. Und genau dies ist wiederum ein starkes Investitionsargument für unsere alten Schweizer Marken! Die Zinssätze werden wohl noch für zwei, drei Jahre tief verbleiben. Weiter in die Zukunft zu schauen, wäre Spekulation. Und genau dies sollte man mit Briefmarken nicht tun: diese haben nichts mit Spekulation zu tun. Die Spekulanten in der Philatelie gab es immer wieder einmal durchaus, z.B. in den 60er- bis 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts das letzte Mal. An dieser Markt-Überhitzung hatten wir über Jahre zu leiden. Es gibt keinen Grund, diese Zeiten zurückzuwünschen! Briefmarken sollten vor allen Dingen Freude bereiten! Freude, die ein ganzes Leben anhalten soll und auch kann! Das lässt die Frage nach einer diesbezüglichen Rendite kleinlich und nebensächlich erscheinen. Überlegen Sie sich doch einmal, welches andere Hobby denn eine Rendite in Franken und Rappen einträgt? Golfspielen oder Tennis vielleicht? Was «rentiert» denn ein Tag im Pulverschnee mit Liftabonnement und wenn möglich auch noch mit Unterkunft? So etwas macht man doch einfach, weil es einen freut – und nicht, weil man da eine finanzielle Rendite sucht! Warum also muss der Kauf von Briefmarken «rentieren»? Wenn diese einem keine Freude bereiten, so soll man den Kauf besser lassen. Dennoch ist eine Investition in Alt-Schweiz-Marken keineswegs mit dem Verlust der investierten Mittel gleichzusetzen. Mit guten eigenen Kenntnissen oder einer seriösen Beratung eines zuverlässigen Lieferanten kommt hier mit Sicherheit eines Tages auch wieder etwas zurück. Dies vor allem, weil einem zwei Faktoren zugute kommen: erstens einmal investiert man in eine der stärksten Währungen der ganzen Welt, nämlich in den Schweizer Franken. So kann es sein, dass Anleger aus andern Ländern beim Verkauf der Sachen sehr viel mehr in ihrer eigenen Währung zurück erhalten als beim Kauf, weil eben die eigene Währung gegenüber dem Schweizer Franken gefallen ist. Und zweitens dient einem der Umstand, dass ein Kauf von Alt-Schweiz-Marken eine Investition in ein Schweizer Kulturgut darstellt!

Privat: So ganz von alleine funktioniert unser Geschäft nicht! Es gäbe uns schon längst nicht mehr, wenn wir nicht auf eine stattliche Zahl von Kunden zählen dürften, zu denen auch etliche unserer Kollegen zu zählen sind und nicht wenige inzwischen zu Freunden geworden sind. Diesen gilt mein erster und ganz persönlicher Dank auch dieses Jahr. Der kommt aber nicht nur von mir, sondern naturgemäss auch von meinem Sohn Markus, der wohl hauptsächlich für den guten Geschäftsgang sorgt. Wenn Sie es nicht schon selbst längst realisiert haben: der macht eigentlich alles besser als sein früherer Chef! Wenn Sie es nicht glauben, so machen Sie doch die Probe aufs Exempel! Wir können uns nicht Dutzende von Mitarbeitern leisten wie die grössten Auktionsfirmen. Umso mehr sind wir froh, Jahr für Jahr auf die Unterstützung meiner Gemahlin und jener meines Sohnes (das ganze Jahr über), sowie etlicher Enkel und Verwandter zählen zu dürfen, die vor allem beim Katalogversand tatkräftig mithelfen. Daher gilt der Dank vor allem auch ihnen. Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Winterzeit bei bester Gesundheit und mit vielen frohen Stunden mit Ihrer Sammlung im neuen Jahr.

Schmerikon, 16. November 2018
Gottfried Honegger

[1] https://ghonegger.ch/de/kontakt
 
  Antworten    zurück Suche    Druckansicht  
 
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.