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Thema: (?) (2894) Altdeutschland Bayern: Schöne Belege
Das Thema hat 2908 Beiträge:
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Gisi Am: 27.03.2009 22:20:28 Gelesen: 1120774# 59 @  
Hallo bayern klassisch!

Habe den Faltbrief mal kopiert und sende das Resultat. Sieht doch aus wie 1882, oder ?

Viele Grüsse, Gisi




 
HEFO58 Am: 27.03.2009 23:45:10 Gelesen: 1120767# 60 @  
@ bayern klassisch [#54]


Leider nein, sollte mir mal eine gestempelt unterkommen werde ich sie hier zeigen.

Gruß
Helmut
 
bayern klassisch Am: 28.03.2009 18:39:18 Gelesen: 1120738# 61 @  
Hallo HEF058,

Okay. Magst du mal ein paar aus der Kreuzerzeit sehen, die gelaufen sind?

Hallo Gisi,

der Brief stammt von todsicher von 1852, weil der Empfänger 1882 nicht mehr lebte. Dieser hat ihn jedoch als Advocat mit einem Datum unten versehen, und da steht dann 13.2.1852.

Was der triefelige Absender oben notiert hat, wird er wohl selbst nicht gewusst haben.

Als Anlage zeige ich mal für heute einen schnuckeligen 7 Kr. Brief mit vermutlich der Nr. 32 und 33 aus München vom 9.7.1875 nach Chicago. Wer einen früheren mit der Ausgabe hat, darf ihn gerne hier einstellen.

Quizfrage: Wie lange war es möglich, für 7 Kr. in die USA einen Brief zu schicken? Mal sehen, ob sich wer traut.

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
Gisi Am: 29.03.2009 16:17:02 Gelesen: 1120693# 62 @  
Hallo bayern klassisch,

das ist ein sehr schmuckes Stück dieser 7 Kreuzer Beleg nach Chicago 1875. War es möglich bis 1891 einen Brief für 7 Kreuzer nach Amerika zu schicken? Wie ich lese wurde am 1. April 1891 der Seepostdienst zwischen Deutschland und Amerika aufgenommen nach dem 1890er Abkommen mit der Hamburg-Amerika-Linie und dem Norddeutschen Lloyd, wo die Post dann während der Seefahrt von Postbeamten bearbeitet wurde?

Wahrscheinlich liege ich total daneben, aber ich lerne gerne noch dazu und bei bayern klassisch ist man in der besten Schule! Vielen Dank für die Aufklärung des 1852er Beleges. Man kann also das Jahr nicht am Stempel erkennen, sondern an der Marke, die zu der Zeit verwendet wurde. Nun habe ich im Anhang einen Beleg mit eingeprägter (embossed) Drey Kreuzer Marke, finde diese Ausgabe nicht in meinem Michel Spezialkatalog, oder schaue ich nicht richtig, wie ja schon mal.

Bedanke mich für jeden Hinweis.

Mit freundlichen Grüssen,
Gisi


 
Jürgen Witkowski Am: 29.03.2009 16:30:25 Gelesen: 1120685# 63 @  
@ bayern klassisch [#61]

Nach reiflicher Überlegung komme ich zu dem Schluß, dass die Möglichkeit für 7 Kreuzer einen Brief in die USA zu schicken am 31. Dezember 1875 endete, da am 1. Januar 1876 die Pfennigzeit begann.

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
bayern klassisch Am: 29.03.2009 21:27:30 Gelesen: 1120665# 64 @  
Hallo ConcordiaCA,

ich stelle fest, dass das Produkt deiner reiflichen Überlegung völlig richtig ist.

Ab dem 1.7.1875 galten die Verträge der ratifizierenden Staaten des Allgemeinen Postvereins (später der Weltpostverein), so dass einfache Briefe zwischen diesen Staaten nur noch 7 Kr. bzw. 10 Neukreuzer für Österreich und 2 Groschen für das Deutsche Reich kosteten.

Um es mal etwas zu verdeutlichen: Das wäre so, als würde innerhalb von 30 Jahren der Spritpreis von jetzt 1,20 Euro auf unter 10 Cent fallen - heute für Autofahrer der 7. Himmel, damals für die Korrespondenten ein Grund in die Luft zu springen.

Bei einem Zeitfenster dieser Frankaturstufe von einem halben Jahr kann man sich ausmalen, wie viele Briefe es von Bayern mit 7 Kr. in die USA heute noch gibt.

Super gemacht und vielen Dank dafür. :-)

Hallo Gisi,

dein Ganzsachenumschlag (GSU) wirst du im Michel - Ganzsachenkatalog finden. Es gibt deren 3, die aber, ungeachtet der in Katalogen notierten Preisdifferenzen, finanziell alle recht nahe beieinander liegen. Sie werden dann gerne gesammelt und hoch bewertet, wenn ihnen postgeschichtliches widerfuhr, was etwas aus dem Rahmen fiel.

Begehrt ist die U1, also der 1. bayerische Umschlag, wenn der Wertstempel mit einem Mühlradstempel getroffen wurde. Da diese Umschläge am 1.2.1869 nur am Sitz der Oberpostämter erstmalig verkauft wurden, und die Mühlräder nach dem 9.3. desselben Jahres zurückgezogen wurden, war das Zeitfenster hierfür also genau 37 Tage - nicht eben viel!

Dazu muss man bemerken, dass sie vom Publikum nur sehr zögerlich angenommen wurden und nicht eben ein Kassenschlager der damaligen Zeit waren.

Gut bezahlt werden auch alle GSU mit Zusatzfrankaturen, umso mehr, wenn der Zielort im Ausland lag.

So ein oder zwei davon habe ich auch und werde sie mal hier im Lauf der Zeit vorstellen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 29.03.2009 23:07:07 Gelesen: 1120652# 65 @  
Heute Abend möchte ich mal eine "simple" Nr. 4II Platte 2 auf Brief zeigen, die von Landau in der Pfalz am 6.3.1858 nach Forstfeld ins (französische) Elsaß lief. Würde man nur in den Katalog schauen, ohne die Besonderheit dieser Frankatur zu erkennen, könnte man denken, dass man ihn für 20 oder 30 Euro auf jedem besseren Flohmarkt bekommen könnte.

Wer erkennt, was das besondere dieses Briefes ausmacht?

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
reichswolf Am: 30.03.2009 01:00:38 Gelesen: 1120636# 66 @  
@ bayern klassisch [#65]

Gab es nicht ein ermäßigtes Porto für Briefe aus der Pfalz in grenznahe französische Gebiete? Genau weiß ich es nicht mehr, aber in einem der Foren meine ich darüber schon etwas gelesen zu haben. Auf die Schnelle finde ich aber weder den betreffenden Beitrag noch den entsprechenden Postvertrag.

Beste Grüße,
Christoph
 
bayern klassisch Am: 30.03.2009 01:27:28 Gelesen: 1120632# 67 @  
... und die richtige Antwort hat: Christoph!

Der Postvertrag vom 1.7.1847 bis 30.6.1858 zwischen Bayern und Frankreich bestimmte, dass für die Korrespondenz der Pfalz nach den französischen Grenzdepartements, hier "Bas Rhin", die Gebühr nur 6 Kr. betragen sollte (franko wie porto). Dieser lief von Landau im Paket nach Strasbourg, wo er die Stempel P.D. (alles bezahlt), 11 AED (11. Grenzpostbüro Frankreichs in alphabetischer Reihenfolge) und "Bavière Strasbourg" erhielt. Er hätte auch über das Landauer Paketschlußamt Weisembourg laufen können, aber dafür war die Zeit wohl nicht ideal, so dass man ihn über Baden (Kehl) nach Strasbourg spedierte. Gebührenmäßig war das fast egal, aber wohl schneller.

Die Gebühr von 6 Kr. (normaler Brief: 18 Kr. aus dem rechtsrheinischen Bayern, aus der Pfalz 12 Kr.) wurde am Ende des Quartals hälftig zwischen Bayern und Frankreich geteilt. Baden erhielt von Bayern noch einen Drittel Kreuzer für den einfachen Brief, was aber nicht zu sehen ist und nur vertraglich fixiert wurde. Interessant ist noch die Tatsache, dass wegen der unterschiedlichen Gewichte, Bayern rechnete mit dem halben Loth = 8,75g, Frankreich mit 7,5g als einfache Gewichtsstufe, ein Brief von Landau nach Forstfeld mit 8g in der 1. Gewichtsstufe lag, während er mit demselben Gewicht aus Frankreich nach Bayern schon in der 2. Gewichtsstufe (= 12 Kr. oder 40 Centimes) lag.

Diese Briefe sind nicht häufig - wer immer einen Brief nach Frankreich mit geringerer Frankatur als 12 Kr. vor dem 16.5.1872 (Reichspostvertrag mit Einheitstaxe von 9 Kr. aus Bayern bis 10g Gewicht) findet, sollte wissen, dass er etwas besonderes vor sich hat.

Vielen Dank dass du dich geoutet hast als Postgeschichtler - das nächste kleine philatelistische Rätsel kommt bestimmt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Gisi Am: 31.03.2009 00:23:47 Gelesen: 1120600# 68 @  
Hallo,

kann mich nur bedanken, mitreden kann ich da nicht mehr. Werde mir einen gebrauchten Ganzsachenkatalog zulegen.

Gruss,
Gisi
 
bayern klassisch Am: 31.03.2009 10:16:50 Gelesen: 1120582# 69 @  
Hallo Gisi,

ich zeige dir mal 2 Postanweisungen (PA) aus Bayern nach Württemberg, weil ich das, wie alles andere auch, nach Destinationen sammle.

Die 1. stammt aus Feuchtwangen im Allgäu und lief nach Westheim bei Schwäbisch Hall. Am 7.6.1875 wurde sie aufgegeben, um den Betrag von 19 Gulden und 53 Kreuzern zu überweisen. Du siehst, man hatte nur 20 Gulden bei sich und abzüglich der Kosten für diese PA blieben noch 19 Gulden 53 Kr. als Überweisungsbetrag übrig.

Im Text links vermerkte der Absender auch diese "7x Porto". Das Verhältnis zwischen gebrauchten und ungebrauchten PA liegt etwa bei 500 zu 1.

Das Verhältnis 5.000 zu 1 erreichen wir nur durch eine PA wie diese, welche am 11.5.1875 von Immenstadt im Allgäu nach Stuttgart gerichtet worden war. Es ging um den Betrag von 15 Gulden.

Da PA nur von der Aufgabepost geschrieben werden durften, vermerkte man bei der Aufgabepost " Per Telegraph" und unterstrich dies rot. Gleichzeitig brachte man unter Stuttgart den Vermerk " postlagernd" an.

Dies scheint ein Widerspruch in sich zu sein, denn entweder ich schicke etwas auf die schnellste und teuerste Weise, also telegraphisch, oder ich lasse etwas auf der Post liegen, postlagernd.

Es geht also nicht ohne die Kenntnis der Behandlung seinerzeitiger Abläufe. Der Absender wollte die 15 Gulden schnellstmöglich dem Empfänger in Stuttgart zukommen lassen. Hierfür wurde ein Postanweisungstelegramm ("telegraphisch") von Immenstadt nach Stuttgart abgeschickt, welches 18 Kr. kostete. Der Expressbote in Stuttgart kostete 9 Kr. und die PA selbst 7 Kr., so dass dem Absender Kosten in Höhe von 34 Kreuzern (!) entstanden sind.

Weil es postlagernd war, konnte der Empfänger immer davon ausgehen, dass sein Geld am Stuttgarter Bahnhof für ihn bereit lag.

Aus der Kreuzerzeit sind nur 2 derartige PA von Bayern bekannt geworden.

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
Gisi Am: 01.04.2009 17:25:48 Gelesen: 1120534# 70 @  
Hallo bayern klassisch,

sehr aufschlussreich. Diese Ausführungen lassen mich mit einem ganz anderen Blick den Nachlass meines Vaters betrachten.

Vielen Dank und freundlichen Gruss,

Gisi
 
bayern klassisch Am: 01.04.2009 18:33:09 Gelesen: 1120526# 71 @  
Hallo Gisi,

dafür mache ich das hier. :-)

Aus München vom 3.1.1872 zeigt uns ein schwerer Brief (oben links "2" in blau für die 2. Gewichtsstufe über 1 - 2 Loth) aus München nach Sinigaglia (= bayerische Orthographie) in Italien, dass auch späte Bayernbriefe schön sein können (die meisten sind es leider nicht).

Je 10 Kr. für Bayern und das Königreich Italien ergaben 20 Kreuzer, die verklebt wurden. Dazu kamen weitere 7 Kr. für die Einschreibung, die der Aufgabepost belassen wurden.

Am Münchner Bahnhof schlug man dafür den sog. Wiegestempel "Chargé" in blau ab. Eigentlich sollte die Rekonummer, hier die 691, in den Stempel selbst geschrieben werden, was man in der Regel auch tat, hier aber unterließ. In Italien erhielt er eine eigene Rekonummer, die 918, welche unter Benedetto notiert wurde.

Rekobriefe der 2. Gewichtsstufe ins Ausland sind nicht sehr häufig, und wer einmal ein solches Stück in gutem Zustand angeboten bekommt, sollte nicht zu lange zögern.

Passend dazu eine bayerische Drucksache aus München vom 31.10.1872 nach Padua, welche mit 2 Kr. für ein Gewicht bis 2 1/2 Loth treffend frankiert wurde. Warum man den P.D. - Stempel in rot vergaß, wird ewig ein Geheimnis Münchens bleiben.

Dieser Postvertrag über Österreich nach Italien wurde zum 1.4.1869 in Kraft und am 31.10.1873 außer Kraft gesetzt.

Ich habe diese beiden Stücke auf einer Seite einer meiner Ausstellungssammlungen - zweimal blau, zweimal rot, zweimal grün. Es gibt Seiten, die sehen schlechter aus ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
duphil Am: 01.04.2009 19:01:30 Gelesen: 1120521# 72 @  
@ bayern klassisch [#71]

Hallo bayern klassisch!

Mittlerweile habe ich gelernt, dass es keine dummen Fragen gibt. Darum lege ich einfach mal los!

Was mich jetzt bei dem erstem Brief von München nach Sinigaglia irritiert, ist die Tatsache, dass die Gebühr für das Einschreiben nicht mit Postwertzeichen verrechnet wurde, jedenfalls nicht auf dem Brief.

Für mich würde das bei einem evtl. Erwerb erst einmal bedeuten, dass der Brief nicht portogerecht frankiert wurde.

Woran ist erkennbar, dass die Einschreibe-Gebühr doch bezahlt wurde? Nur am Charge-Stempel?

Gab es denn in Bayern eine Verordnung, Anweisung o.ä., die es den Postbeamten ermöglichte, Zusatzleistungen nicht mit Postwertzeichen zu verrechnen? Wie wurde das denn sonst abgerechnet? Oder war das nur bei Sendungen in das Ausland der Fall? Galt das dann für alle Zusatzleistungen oder nur für Einschreiben? War das vielleicht nur eine Sondervereinbarung zwischen Bayern, Österreich und Italien? Oder gab es noch ganz andere Gründe?

Entschuldige die Reihenfolge der Fragen, aber ich habe sie so aufgeschrieben, wie sie mir in den Sinn gekommen sind.

Mit freundliche Gruß
Peter
 
bayern klassisch Am: 01.04.2009 19:44:53 Gelesen: 1120512# 73 @  
Hallo Peter,

dumm ist nur, wer auf Fragen keine Antwort geben kann. Also versuche ich mal, nicht dumm dazustehen.

In Bayern wurde die Chargégebühr erst ab dem 1.3.1874 in Marken verklebt. Vorher war das prinzipiell nicht möglich.

Ab dem 1.1.1861 - ich habe hier mal einen Brief in diesem Thread ab Bahnhof München nach Österreich gezeigt - waren auch Portochargébriefe zugelassen, bei denen der Empfänger sowohl das Porto als auch die Chargégebühr bezahlen musste.

Da mein Brief aus 1872 stammt, konnte also die Chargégebühr gar nicht frankiert werden.

Die Rekogebühr wurde, ob sie nun 4 Kr. bis 30.6.1850, 6 Kr. bis 31.12.1867 oder 7 Kr. ab 1.1.1868 betrug, kassiert und dafür der Postschein ausgestellt. Auf diesem war sie zu quittieren. Der Brief erhielt dieselbe Nummer wie der Postschein und wurde unter derselben Nummer im Rekomanual eingetragen, schließlich musste man ja wissen, wer wann an wen welchen Brief eingeliefert hatte.

War die Aufgabepost eine gewöhnliche Postexpedition, dann bekam der Postexpedtior die Chargégebühr unvermindert. Er musste aber dafür die Vordrucke auch kaufen bzw. bei der Materialverwaltung bestellen (100 Stück = 2 Kreuzer, wenn ich mich nicht irre).

War die Aufgabepost mit Beamten besetzt, dann bekam die Aufgabepost die Chargégebühr, nicht das Individuum. Diese floss in mehrere Kassen (Witwen- und Waisenkasse für Postbeamte usw.) und war somit mildtätigen Zwecken zugedacht.

Wollte ein Absender eingeschrieben versenden, musste er dies auf der Adress - Seite des Briefes kenntlich machen. Die Vermerke hierfür waren: Recommandirt, gegen Schein, gegen Postschein, Chargé oder später Einschreiben (ab 1874).

Gab ein Absender einen so bezeichneten Brief auf der Post ab, wollte dann aber doch nicht eingeschrieben versenden lassen (zu teuer), dann musste er den Vermerk streichen oder die Post einen entsprechenden Vermerk anbringen.

In dem Falle der Einschreibung war immer der Chargéstempel abzugschlagen.

Es gibt aber auch Briefe, bei denen man den Chargéstempel vergessen hatte (Stress). Um festzustellen, ob er dann chargiert worden war, oder nicht, sucht man die Rekonummer. Hat der Brief keine, war er auch nicht eingeschrieben. Hat er eine, war er eingeschrieben und der Stempel vergessen worden.

Zusatzleistungen waren neben dem bereits besprochenen Einschreiben auch die Versendung mit Expressen. Dieses ist ein hoch kompliziertes Kapitel, welches 99% der Bayernsammler überfordert (auch finanziell). Ich könnte hier mal einen eigenen Thread diesbezüglich aufmachen, wenn es gewünscht wird.

Diese Express - Beförderung war teils in bar, teils in Marken teils dem Empfänger zu überlassen bezahlbar gewesen. Eine Beurteilung wird nur der Experte vornehmen können, zumal sich die Vorschriften änderten und für private und dienstliche Express - Sendungen andere Regeln galten. Die Gebühren verblieben i. d. R. dem Expeditor der Abgabepost bzw. dem Expressboten für seinen Gang zum Empfänger.

Der Postlieferschein bzw. der Postrückschein, in Bayern Retour - Recepisse genannt, war ebenfalls kostenpflichtig, wurde aber in der Regel bar bezahlt. Teils kommt es bei spätern Kreuzerbriefen vor, dass diese Gebühr auf den Brief selbst geklebt wurde, teils auf den Rückschein. Alles ist sehr selten und ich habe nur ganz wenige Stücke dieser Art in meiner Sammlung (und gesehen).

Der Rückschein war aber der einzige Sonderdienst, der immer vom Absender getragen werden musste. Die Gebühr von 12 Kr. bis zum 30.6.1850, 6 Kr. bis zum 31.12.1867 bzw. 7 Kr. ab dem 1.1.1868 verblieb immer der Aufgabepost bzw. dem Expeditor der Aufgabepost.

Die Versendung mit poste - restante war ebenfalls kostenpflichtig bis zum 31.12.1867 und zwar mit 4 Kreuzern. Diese waren nicht frankierbar, sondern mussten vom Empfänger bei der Abholung bezahlt werden. Sie wurden aber nur ganz selten angeschrieben und verblieben auch der Abgabepost bzw. dem Expeditor der Abgabepostexpediton. Sie war ein Teil seines Gehaltes (das nannte man Emolument).

Diese Aufzählung bezieht sich auf innerbayerische und Postvereinsversendungen. Nach dem Ausland konnte dies abweichen.

So wurde vom 1.7.1858 bei Chargébriefen nach Frankreich bis zum 15.5.1872, die Chargégebühr für Bayern in bar entrichtet, die für Frankreich aber mit 6 Kr. in Marken verklebt. Bis dahin war in diesen Fällen die Gebühr für den Brief zu verdoppeln, so dass du dir vorstellen kannst, wie wenige Chargébriefe es zwischen diesen beiden Postgebieten gab und gibt.

Bei Sendungen nach Russland wurde im Falle der Einschreibung der russische Gebührenanteil verdoppelt, nicht aber der bayerische.

Bei Einschreiben bis 1854 über England nach den USA wurden 18 Kreuzer = 5 Silbergroschen in Marken oder bar bis zum britischen Ausschiffungshafen fällig, während die bayerische Chargégebühr von 6 Kr. wieder bar bezahlt wurde. Ab dem britischen Ausschiffungshafen war der Brief aber nicht mehr eingeschrieben, obwohl er so aufgegeben worden ist, weil niemand die Sicherheit für die einwandfreie Überfahrt garantieren wollte und konnte.

Das sind nur ein paar Beispiele von vielen, die dir zeigen sollen, dass diese Materie ungeheuer vielfältig und spannend ist.

Für weitere Fragen stehe ich gerne zu Diensten, so ich sie beantworten kann.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
duphil Am: 01.04.2009 20:04:36 Gelesen: 1120508# 74 @  
@ bayern klassisch [#73]

Uff, dass muss sich jetzt setzen.

Ich stelle immer mehr fest, dass der klassische Teil der Briefmarkenausgaben von Deutschland und hier besonders der Briefeteil mein Interesse weckt. Vor allem (für mich) vor dem Hintergrund der Postgeschichte und besonders der verschiedenen Gebührenordnungen und -verordnungen. Natürlich sind da auch Postwege interessant und, und, und ... (Aber wem sage ich das?) Mal sehen, wohin mich das führt. "grins"

Ich sage erst einmal vielen Dank für die vielfältigen und aufschlussreichen Informationen.

Mit freundlichen Gruß
Peter
 
bayern klassisch Am: 02.04.2009 09:28:38 Gelesen: 1120483# 75 @  
Hallo,

zum zurücklehnen eine kleine Rosine zur Abwechselung.

Mit dem Postvertrag Bayerns und Frankreichs vom 1.7.1858 wurde bestimmt, dass je 10g Briefgewicht 12 Kr. zu frankieren waren (18 Kr. Porto bei unfrankierter Absendung). In Nürnberg am 7.12.1869 notierte der Absender links unten zwar "fco" für franko, aber so ganz richtig war das nicht.

Zwar ließ sich noch die Nürnberger Aufgabepost von dem Vermerk beeindrucken und druckte auch artig den "P.D." - Stempel als Zeichen der Bezahlung aller Gebühren ab, ja man notierte in der linken oberen Ecke in blau auch "1P" für Premier Port, also 1. Gewichtsstufe, doch richtig war dies alles nicht.

So musste es kommen, dass man in Forbach am 8.12. den Brief wog und feststellte, dass er über 10g wog. Nun wurde links oben eine "2" über der "1" geschrieben, der Vermerk "Afranchissement insuffisant" (Freimachung ungenügend) angebracht und der "P.D." - Stempel gestrichen. Die Folge davon war eine Nachtaxierung von 8 Decimes (24 Kreuzer!) für den Empfänger.

Wie aber kam man auf 8 Decimes? Der Vertrag bestimmte, dass unterfrankierte Briefe wie gänzlich unfrankierte Briefe zu taxieren waren, abzüglich der verwendeten Frankatur.

Ein Portobrief kostete je 10g 18 Kr. (6 Decimes), ein schwerer also 36 Kr. bzw. 12 Decimes. Zieht man nun von 36 Kr. die verklebten 12 Kr. ab, so bleiben genau 24 Kr. übrig, die den 8 Decimes entsprechen. Ein teures Vergnügen, wenn man nicht aufpasste.

Als Beweis füge ich eine Portobrief aus München ein, der links oben mit der blauen "1" als tatsächlicher Brief der 1. Gewichtsstufe mit dem französischen Stempel "6" für 6 Decimes bedruckt wurde.

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
bayern klassisch Am: 25.04.2009 07:58:45 Gelesen: 1120302# 76 @  
Hallo,

wenn eine Mischfrankatur noch nicht gezeigt worden ist, dann möchte ich mal mit einer der Nr. 20 und Nr. 22 beginnen.

Am 16.5.1871 sandte man von Regensburg einen Brief der 2. Gewichtsstufe nach Eppstein bei Frankfurt am Main. Hierfür waren 7 Kr. zu frankieren (im Portofall wären es 11 Kr. gewesen, so dass der Absender gut daran tat, mit Marken zu frankieren).

Vermutlich hatte er noch eine alte, aber gültige 6 Kr. braun, die am 1.10.1868 an die Schalter kam, aber schon am 1.7.1870 durch die Nr. 24 in gezähnter Version ersetzt wurde. Zur Auffrankatur bedurfte es eines Kreuzers, den man ja ab dem 1.7.1870 mit der Nr. 22 reichlich zur Verfügung hatte.

Mischfrankaturen Bayerns sind immer selten, so wie sie von anderen AD - Ländern auch recht häufig sein können. In Bayern war man fast immer bestrebt, mit der neuen Ausgabe einer Serie die alten Marken umzutauschen bzw. sie aufzubrauchen. Auch Restbestände wurden vom Markt genommen, um die neuen Marken zu platzieren.

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
Christian Am: 30.04.2009 00:48:35 Gelesen: 1120265# 77 @  
Hallo zusammen!

Hier noch ein amtlicher Brief von der Regierung von Niederbayern, gelaufen von Landshut nach Wolfstein (Rheinland Pfalz). Der Brief datiert vom 26. Dezember 1853. Ich finde in einfach schön. An dieser Stelle noch einen Dank an das Philaseiten-Mitglied, der ihn mir überlassen hat.

Den Inhalt konnte ich noch nicht komplett entziffern, werde ihn aber nachreichen.





Herzliche Grüße

Christian
 
bayern klassisch Am: 30.04.2009 07:33:09 Gelesen: 1120257# 78 @  
Hallo Christian,

ich bedauere sehr, dich enttäuschen zu müssen, aber dieser Dienstbrief hat die Rheinpfalz erst gesehen, als du ihn aus dem Briefkasten geholt hast.

Es war ein Dienstbrief nach Wolfstein bei Landshut - daher brauchte man damals auch keine Präzisierung des Zielortes (Rheinbayern), den man weder damals noch heute als Ort in der Pfalz gekannt hätte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 29.05.2009 17:46:53 Gelesen: 1120053# 79 @  
Postbetrug lag vor, wenn der Absender etwas suggerierte, was tatsächlich nicht so war.

Hier ein Beispiel aus Regensburg vom 24.10.1850, welches man als Drucksache mit nur einem Kreuzer nach Neuburg an der Donau frankierte. Drucksachen durften nichts geschriebenes enthalten, von der Adresse, dem Datum und der Unterschrift einmal abgesehen.

Hier hätte ein einfacher Brief mit 3 Kr. frankiert werden müssen. Die Ersparnis von 2 Kr. war es dem Absender wert, denn die Aufgabepost in Regensburg überprüfte den Inhalt der DS nicht und sandte sie einfach so nach Neuburg an der Donau (das Streifbändchen ist heute nicht mehr erhalten).

Die Scans des Inhalts belegen eindeutig den erfolgreichen Postbetrug, den auch ein BPP entsprechend attestierte. Darüber hinaus ist es eine recht späte Verwendung einer 1. Platte der schwarzen Eins.

Liebe Grüsse von bayern klassisch


 
Martinus Am: 16.10.2009 11:07:13 Gelesen: 1119138# 80 @  
Bin kein Bayernsammler, habe diesen Brief in einer Kiloware gefunden!

Kann mir jemand helfen, wie so etwas einzuordnen ist?

Danke lg Michael


 
bayern klassisch Am: 16.10.2009 11:44:58 Gelesen: 1119133# 81 @  
Hallo Martinus,

der Brief ist verfälscht, weil der Stempel von Speyer der Type Braungardt mit der Einkerbung zwischen E und R ein Falschstempel ist.

Der Wert ist somit gleich Null anzusetzen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Martinus Am: 16.10.2009 21:17:34 Gelesen: 1119098# 82 @  
Ok, gibt es dazu irgendwo etwas schriftliches zum nachlesen?

Dann behalte ich ihn trotzdem und kennzeichne ihn mit falsch!

lg Michael
 
bayern klassisch Am: 16.10.2009 22:35:41 Gelesen: 1119091# 83 @  
Hallo,

du kannst gerne bei Dr. Joachim Helbig BPP nachfragen. Er hat vor mehreren Jahren ein Heft mit bekannten Falschstempeln heraus gebracht. Dieses Heft habe ich vor einem Jahr einem jungen Sammlerfreund gegeben, kann also den Falschstempel nicht mehr einscannen.

Dass du den Brief als verfälscht deklarieren willst, ehrt dich sehr. Würden das doch nur alle tun, die manipulierte Stücke besitzen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 

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