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Thema: Altdeutschland Württemberg: Württemberger Chargé Kaminstempel
Richard Am: 28.02.2022 16:39:03 Gelesen: 2247# 1 @  
Liebe Mitglieder,

mir liegen eine Reihe von Kaminstempeln vor. Den Namen haben sie von ihrem Aussehen und auf Philastempel werden sie nach Genehmigung zu sehen sein.

Ich suche ein Mitglied, welches eine kleine Einführung schreibt. Etwa 6-8 dieser Stempel oder die Links darauf stelle ich gerne zur Verfügung.

Schöne Grüsse aus dem sonnigen Allgäu, Richard
 
Ameise Am: 28.02.2022 16:40:25 Gelesen: 2173# 2 @  
Hallo,

anbei ein Stempel von Stuttgart, wobei ich nicht weiß, was der rote Stempel zu bedeuten hat.



Danke schon mal für die Antworten.

Viele Grüße
Enrico

[Um 21:00 Uhr redaktionell verschoben aus dem Thema "Die Poststempel von Stuttgart"]
 
Gernesammler Am: 28.02.2022 19:45:56 Gelesen: 2187# 3 @  
Hallo Richard,

Ich denke mal es geht um die Württemberger Charge Kaminstempel und ich würde Dir gern helfen bzw. eine Einführung zu diesem Thema schreiben, hätte dazu aber gern die Unterstützung eines Württemberg Sammlers der sich mit der Materie auskennt und der mir dabei helfen könnte.

Denn außer in Auktionkatalogen ist da bisher nicht viel darüber zu finden.

Gruß Rainer
 
Gernesammler Am: 07.03.2022 15:15:03 Gelesen: 2044# 4 @  
Hallo Sammlerfreunde,

Recommandierte Briefe gab es bereits im 17. Jahrhundert gekennzeichnet mit einem Rötelgitter welches handschriftlich auf den Brief gebracht wurde, dies wurde bis Ende des 18. Jahrhunderts so weiter praktiziert, dann führten einzelne Postanstalten der Reichspost Stempel zur Kennzeichnung eingeschriebener Briefe ein, meist in größeren Postämtern und nur auf privatem Weg besorgt.

Mit Einführung der Rayonstempel 1803 erhielten alle Postämter eigene Chargestempel nach französischen Vorbild.

Später kamen Sonderformen der Chargestempel mit in den Umlauf die dann auch den Ortsnamen beinhalteten, meist wurde dies getan um Zeit zu sparen da das Briefaufkommen immer größer wurde. Einer davon war der sogenannte „Kaminstempel“



Besondere Formen brachten hier Bayern und Württemberg hervor, z.B. die fast Bildgleichen Chargestempel von Baireuth und Nürnberg (Feuser 202-12 und 2547-13)



Auch gab es bildgleiche Chargestempel von Crailsheim, Kirchberg und Stuttgart die aber mehr dem Chargegitter (Rötelgitter) nachempfunden waren, diese gab es in den Farben schwarz und rot und blau (Feuser 613-5, 1728-5 und 3495-12).



Dieser Stempeltyp ist eigentlich nicht ein, sondern drei Stempel. Oben Zeilenstempel CHARGE, Mitte roter Gitterstempel (sogenanntes „Rötelgitter“, war damals in Württemberg für Einschreiben vorgeschrieben und wurde normalerweise, auch zusätzlich zu anderen Chargé Stempeln, handschriftlich angebracht, unten schließlich ein weiterer Zeilenstempel z.B.CRAILSHEIM.

Eine Ausnahme bildet hier München, hier hat der Stempel auch das Datum mit im Stempelbild:



In Ulm und Stuttart wurde ab 1820 die eingeführten Stempel wegen ihres kastenförmigen Aussehens auch Kasten- oder Kaminstempel genannt. Beide Stempeltypen sind auch schon in der Vormarkenzeit belegt (Stuttgart ab 1820, Ulm ab 1825), Feuser 3495-15 für Stuttgart, Ulm hatte sogar zwei Typen, Feuser 3643-9 ab 1828 und 3643-14 ab 1840.

Der Kaminstempel wurde in den Farben schwarz, rot und blau abgeschlagen, die Verwendungszeit ist bis 1862 belegt, geschätzt wird, das die Stempel noch bis 1874 verwendet wurden.




Die Abmessungen dieser Stempeltypen waren, für Stuttgart 28 x 22 mm und 27 x 23 mm für Ulm, für den ersten Typ mit der kleineren Schrift gibt es noch keine Daten, sollte hier ein Sammler diesen Stempelabschlag zeigen können wäre das schön.



Kleinere Postanstalten die nicht solch hohes Briefaufkommen wie Stuttgart oder Ulm hatten benutzten für Ihre eingeschriebenen Briefe den einzeiligen Chargestempel.

Da die Markenentwertung mit einem Stempel zu geschehen hatte, der den Ortsnamen und das Datum aufwies, war ein Charge-Stempel, den man als klassischen Nebenstempel bezeichnen kann, hierfür natürlich ungeeignet. Aber es gab auch Ausnahmen. Gerade die beiden größten württembergischen Postämter Stuttgart und Ulm besaßen einen Charge-Stempel, der den Ortsnamen aufwies (Kamin-Stempel).

Durch diesem Umstand kam es vor, dass hin und wieder eine Frankatur mit dem Kamin-Charge-Stempel entwertet wurde. Möglicherweise lag dies an dem hohen Postaufkommen dieser beiden Postämter, das eine gelegentliche Verwechslung der Stempel begünstigt hat oder den Schalterbeamten veranlasst hat, der Einfachheit halber nur den Nebenstempel heranzuziehen. Solche seltenen Abschläge mit dem Kamin-Stempel finden sich heute meist auf losen Marken, entweder in. Form einer Duplexentwertung, das heißt neben dem üblichen Ortsstempel ist auch der Charge-Stempel auf der Marke abgeschlagen, oder auch als alleinige Entwertung!

Alleinige Entwertungen mittels Kamin-Charge-Stempel sind sehr attraktiv und besonders auf Brief ganz große Raritäten der Württemberg-Philatelie!

Ich möchte einige Briefe zeigen, diese Bilder hat mir Thomas Heinrich zur Verfügung gestellt.




Ich kann hier einen Franko Brief zeigen aus Stuttgart vom 16.8.1822 vom Stadtrat Bracker an Seine Wohlgebohren Herrn Amtsschreiber Reichardt Beutelspach (heute: Beutelsbach/Weinstadt, östlich von Stuttgart) spediert.

Für das Franko hatte der Absender 5 Kreuzer zu zahlen, sowie weitere 4 Kreuzer für die Recogebühr, gesamt 9 Kreuzer, gestempelt mit Chargestempel von Stuttgart (Kaminstempel) in schwarz.




Unter Philastempel können von diesem schönen Stempel einige eingesehen werden, wer Interesse hat, findet hier die Links dazu:

https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/450325
https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/450327
https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/449792
https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/449171

Bedanken möchte ich mich bei den Herren Peter Obermaier, Peter Feuser und Thomas Heinrich die mir bei der Recherche und dem Bildmaterial sehr geholfen haben.

Gruß Rainer
 
bayern klassisch Am: 07.03.2022 15:29:12 Gelesen: 2032# 5 @  
@ Ameise [#2]

Hallo Enrico,

das ist ein sehr schöner Brief, den du da zeigst. Erst ab 1.1.1861 durfte man im Postverein (Württemberg-Bayern-Sachsen) recommandirte Briefe unfrankiert versenden - zuvor war bei Recobriefen stets zu frankieren in der Zeit des DÖPV.

Hier taxierte die Aufgabepost 6 Neugroschen - 3 Ngr. für den Versand eines Briefes über 20 Meilen unter 1 Loth, 1 Ngr. Zuschlag wegen unfrankierter Versendung und 2 Ngr. für die Recommandation.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 07.03.2022 15:29:57 Gelesen: 2030# 6 @  
@ Gernesammler [#4]

Hallo Rainer,

für mich der Beitrag des Jahres 2022 schon im März !

Klasse und sehr lehrreich.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
filunski Am: 07.03.2022 20:27:41 Gelesen: 1978# 7 @  
@ Gernesammler [#4]
@ bayern klassisch [#6]

Hallo Rainer,

da kann ich Ralph nur zustimmen, super Beitrag! ;-)

Altdeutschland und Altpostgeschichte ist ja eigentlich so gar nicht mein Thema, aber als "alter Stempelfuzzi" hat mich der Kaminstempel schon sehr begeistert. Umso mehr, als ich merkte, dass ihn kaum jemand kennt.

Ein besonders schöner Beleg dazu ist hier zu sehen:



Ein Einschreibbrief von 1855, aufgegeben in Stuttgart, adressiert nach Aichstetten. Abgeschlagen der Kaminstempel zusätzlich zum handschriftlichen Rötelgitter und als besonderes und extrem seltenes "Highlight" der Kaminstempel auch noch zur Markenentwertung verwendet.

Der Brief ist übrigens noch zu haben, in einer Auktion der Dr. Wilhelm Derichs GmbH! [1] Viel Spaß und einen dicken Geldbeutel beim Bieten. ;-)

Viele Grüße,
Peter

[1] https://www.philasearch.com/de/i_9500_34097/100_Altdeutschland_Wuerttemberg/9500-A164-1132.html?set_sprache=de&suchtext=Kaminstempel&row_nr=0&breadcrumbId=1646680764.3987
 
Gernesammler Am: 08.03.2022 16:02:25 Gelesen: 1921# 8 @  
@ bayern klassisch [#6]
@ filunski [#7]

Hallo Ralph, hallo Peter,

Danke für die netten Worte, hatte ja auch Unterstützung und viel Spaß an der Recherche, ich denke durch den Spaß und die Begeisterung dafür wurde es erst gut und hoffe das sich viele Sammler an dem Thema Altdeutschland begeistern können.

Gruß Rainer
 
Richard Am: 12.03.2022 09:45:05 Gelesen: 1844# 9 @  
@ filunski [#7]

Hier noch die Beschreibung des Auktionsloses und der Kaminstempel:



6 Kreuzer schwarz auf dunkelgelblichgrünem Seidenpapier, vierseitig voll- bis breitrandig auf Einschreibbrief mit extrem seltener Entwertung durch den schwarzen Kaminstempel "Stuttgart Charge", dieser nochmals mit Rötelkreuz beigesetzt, ebenfalls beigesetzt der Aufgabe-K2 "Stuttgart 22 Jun.1855", nach Aichstetten Oberamt Leutkirch gelaufen. Die zarte waagerechte Brieffalte unter der Marke war schon vor dem Aufkleben derselben vorhanden und beeinträchtigt die Marke nicht. Luxus-Qualität. Dies ist der einzige bekannte Brief mit dieser Stuttgarter Entwertung, es ist lediglich noch eine Briefvorderseite bekannt. Ein Unikat, das zudem durch seine Qualität und Attraktivität besticht. Fotoattest Thoma BPP und neues Fotoattest Heinrich BPP: "Echt und einwandfrei.". (Handbuch = "LP")[1].



[1] https://www.philasearch.com/de/i_9500_34097/100_Altdeutschland_Wuerttemberg/9500-A164-1132.html?set_sprache=de&suchtext=Kaminstempel&row_nr=0&breadcrumbId=1646680764.3987
 
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