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Thema: Norwegen: Zensurpost Belege mit Öffnung durch Deutsche Wehrmacht
Bernstein26 Am: 02.11.2022 00:15:45 Gelesen: 1350# 1 @  
Norwegen: Belege mit Öffnung durch Wehrmacht

Einen schönen guten Abend in die Runde,

Heute habe ich beim Sortieren einer Kiste mit alten Briefen den abgebildeten Beleg gefunden und möchte ihn zur Diskussion stellen. Der Brief wurde von Oslo nach Aurich versandt, von Ferdinand Gittermann an seine Ehefrau Grete Gittermann (diese Information habe ich aus der Familiengeschichte, es handelt sich um Verwandte meiner Frau). Frankiert wurde mit der Gedenkmarke an Trykkve Grans ersten Nordsee-Überflug 1914, die frankierte Marke erschien 1944. Laut Stampworld (anderes Katalogmaterial steht mir für Norwegen nicht zur Verfügung) ist die Marke 306 am 30.07.1944 erschienen.

Der Stempel von Oslo stammt ebenfalls vom 30.07.1944, also scheint es sich um einen Ersttagsbeleg zu handeln. Ferdinand Gittermann war ein begeisterter Philatelist, insofern würde das gut zu ihm passen. Interessant ist jetzt aber auch die anscheinend vom Oberkommando der Wehrmacht erfolgte Öffnung des Briefes. Diese scheint mit einer Schneidemaschine erfolgt zu sein, da der Brief hier etwas schräg geschnitten wurde. War es damals Standard, daß Post vom (besetzten) Norwegen nach Deutschland geöffnet wurde?

Und schließlich findet sich auf der Rückseite des Belegs noch eine rote aufgestempelte 13, deren Bedeutung ich nicht kenne. Ein Aufdruck durch eine Sortiermaschine? Ich freue mich auf alle Kommentare zu dem Beleg!

Bernhard


 
TeeKay Am: 02.11.2022 00:42:25 Gelesen: 1340# 2 @  
@ Bernstein26 [#1]

Zensur von Auslandspost war normal, ja. Schließlich befand man sich im Krieg und wollte nicht, dass unliebsame Informationen mit dem Ausland ausgetauscht werden - ob unter Besatzung oder nicht.

Post aus Norwegen wurde von der Auslandsbriefprüfstelle Hamburg geprüft, erkennbar am roten Rundstempel auf der Vorderseite mit Kennbuchstaben f. Der rote Stempel "13" auf der Rückseite ist ein Prüferstempel, den der Zensor anbrachte. Zusätzlich wurde in Hamburg ein blauer Stempel, in dem Fall A I, gefolgt vom Prüferkürzel mit Bleistift, auf der Vorderseite angebracht.

Alle Infos aus "Die Überwachung des Auslandsbrief-Verkehrs während des II. Weltkrieges durch deutsche Dienststellen" von Karl-Heinz Riemer, erschienen als Band 88 in der Poststempelgilde.
 
Bernstein26 Am: 02.11.2022 18:59:37 Gelesen: 1269# 3 @  
@ TeeKay [#2]

Vielen Dank für Deine interessanten Informationen zur Briefzensur. Den blauen Stempel auf der Vorderseite habe ich gar nicht gesehen, und das Bleistiftkürzel nicht der Zensurstelle zugeordnet. Dann scheint auf dem gezeigten Beleg ja alles, was zur Zensur gehört, gut wiederzufinden zu sein.

Kann denn jemand mit Zugriff auf z.B. einen Facit-Katalog bestätigen, daß es sich um einen Ersttagsbeleg handelt? Und schließlich würde mich auch interessieren, wie hoch ihr einen solchen Beleg werten würdet.

Beste Grüße von der Küste,

Bernhard
 
TeeKay Am: 02.11.2022 19:54:25 Gelesen: 1251# 4 @  
Ich habe noch den sich von links oben nach rechts unten schlängelnden Strich übersehen. Dabei dürfte es sich um eine chemische Zensur handeln (Chemikalie, um Geheimtinte sichtbar zu machen).

Laut Michel war der 30.7. der Ersttag - Bewertung für FDC 5 Euro. Hat also mehr ideellen Wert als Teil der Familiengeschichte. Die chemische Zensur könnte werterhöhend sein. Bin jedoch kein Sammler dieses Gebiets, daher das "könnte".
 
Bernstein26 Am: 02.11.2022 23:49:37 Gelesen: 1231# 5 @  
@ TeeKay [#4]

Noch einmal ganz herzlichen Dank für Deine Kommentare zu dem Beleg. Ich habe viel neues über Zensur erfahren. Das mit der chemischen Prüfung finde ich sehr interessant. Die Linie war mir auch aufgefallen, aber ich habe sie eher für eine Verunreinigung gehalten (was sie ja letztlich auch ist). Nach welchen Kriterien wurden damals wohl Briefe herausgesucht und überprüft? Sämtliche Post? Randomisierte Stichproben? Oder vermutete man in Ostfriesland Widerstandsnester? Bei der Menge an anfallenden Briefsendungen ist das ja ein enormer Aufwand gewesen. Ich glaube übrigens, daß der blaue Zensor-Stempel auf der Vorderseite "A IV" lautet.

Ehrlich gesagt, ich freue mich sehr über diesen Beleg, weil doch in diesem kleinen Papierstück von Familiengeschichte über philatelistisches Bemühen bis hin zu knallharter Welt- und Machtpolitik alles drin steckt. Noch einmal vielen Dank für Deine Hilfe.

Beste Grüße von der Küste,

Bernhard
 
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