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Thema: Die billigsten und (bisher) viel zu selten besprochenen Briefmarken der Welt
Bendix Gruenlich Am: 07.04.2023 12:06:28 Gelesen: 800# 1 @  
Liebe Sammler,

hier im Forum ist der Blog „Die berühmtesten und wertvollsten Marken der Welt“ ja besonders beliebt und vielbesprochen. Ich sehe da selbst gerne rein, auch wenn hier mit wertvollsten die teuersten Marken der Welt gemeint sind, also der kulturelle Wert nicht im Vordergrund steht. Da könnte man nun die Meinung vertreten, dann wäre ja jetzt alles zur Philatelie Besprechenswerte gesagt.

Aber was ist denn mit den anderen Marken? Sind die etwa nicht gut gelungen, sind die keiner Betrachtung wert, gibt es da keine Informationen zu, gibt es da keine interessanten Aspekte, die es wert wären, beleuchtet zu werden?

Deshalb hab ich mich entschlossen, heute für unsere Briefmarken aus prekären Verhältnissen – also die aus dem Grabbelalbum, dem Papierkorb, kurz: aus der Gosse – mal eine Lanze zu brechen.

Das liegt vielleicht auch daran, dass ich mich langsam für die Feierlichkeiten meines 50-Jähriges-Sammeljubiläum warmlaufen muss. Im Laufe der Zeit wird man gnädig, daher ist meine Auswahl vielleicht auch ein Anfall von Altersmilde.

Nun, im Reich des Alle Welt-Sammler jedenfalls geht ja bekanntlich die Sonne nie unter. Also habe ich mal kurz unter „A“ nachgeguckt, was mir da aufs geratewohl in die Hände fällt (Fortunas Wahl: Ägypten) …und das ausgearbeitet. Das hat Spaß gemacht – und ich dachte mir, ich gebe Euch Gelegenheit, die Freude zu teilen oder mich für verrückt zu erklären.

Ist die Marke dann mal in einem Blog gelandet, ist das schwer wiederzufinden. Deswegen habe ich für die Marken ein Extra-Thema aufgemacht, so findet man die so selektierten Marken wieder, wenn man nach denen oder zum Land sucht (außerdem entspricht das meinem Sammlungsaufbau, und wir Sammler lieben ja bekanntlich, wenn wir Strukturen wiederfinden, nach denen wir selber sammeln).

Hier der link zum Beitrag hier im Forum [1].

Was gibt’s neben den dort niedergelegten Fakten noch zu sagen.

Provenienz: Die Marken sind Ex einem Verlegenheitsgeburtstagsgeschenk und die Geber waren der Meinung, mir Masse zukommen lassen zu müssen. Das waren so 50 billigste Steckkarten mit wirklich allerlei kleinformatigen Allerweltsmarken und vielen hässlichen Entlein. Das war nach keiner Logik gesteckt, außer die Karten zur Vermarktung zu füllen, Dubletten waren häufig. Ich habe in meiner Sammlerzeit so manche Gabe und Teilsammlung durchgesehen und sortiert und aufbereitet, aber das Zeug, das habe ich viele Jahre irgendwo liegen gehabt. Und ich muss dann wohl mal sehr krank gewesen sein oder mal wirklich ganz viel Zeit gehabt haben und bin das dann endlich mal angegangen. Nachdem das alles wieder länderweise gegliedert war, war das dann auch mal systematisch bearbeitbar.

Wert: Neun Marken zeige ich, ich vermute der Katalogwert ist EUR 3,30. Die Gefahr in einem schweizer Freihandelslager als Anlagegegenstand bis zum jüngsten Tag gefangengehalten zu werden ist daher gering. Eine Fälschungsgefahr verneine ich. Fände man einen Käufer, wären wohl vermutlich EUR 1,00 fällig (übrigens per heute: 33 ägyptische Pfund und 47 Piaster).

Motiv: Ohne Zweifel echte Klassiker. Alles drin, was mir gefällt – zitiert ikonische Denkmäler, veredelt mit Ornamenten (das sehe ich immer gerne), die historischen Hintergründe zum Land zu dieser Zeit lesen sich wie ein Abenteuerroman. Auch ausdauernd waren sie, die Marken. Germania hat jedenfalls nur 22 Jahre geschafft.

Die richtige Atmosphäre zum Lesen des Artikels schafft sich, wer den Orient-Teppich (bitte aus Wolle oder Seide) mit prachtvollen Ornamenten ausrollt und es sich auf Sitzkissen darauf gemütlich macht. Dazu ein frisch aufgebrühter Tee, Baklava und Datteln vom Orientalen um die Ecke. Musik: Musicians of the Nile (lokaler Name Metqal Quenawi Metqai - oberägyptische Folklore) oder Khamis Ali El Fino.

Wem es jetzt noch an Ehrfurcht mangelt, sollte sich an Napoleon erinnern. Der hat nach seiner Ägypten-Kampagne behauptet, seinerzeit u.a. folgende Worte an seine Truppen gerichtet zu haben: „Sammler, denkt daran, dass von diesen Monumenten vierzig Jahrhunderte auf Euch herabblicken“.

[1] https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=18071&CP=0&F=1
 
Bendix Gruenlich Am: 10.11.2023 21:03:03 Gelesen: 477# 2 @  
Liebe Sammler,

Nicht-Sammler haben ja nicht das geringste Verständnis für die zeitkonsumierende Beschäftigung mit Briefmarken. Einige Sammler empfinden das ähnlich, wenn da nicht das große Geld winkt. Andere machen an den eigenen Landes- / Kulturgrenzen halt.

Für alle anderen (also denjenigen, die vor kaum etwas zurückschrecken) heute folgendes zum exotischen Gebiet Ägäische Inseln, am bekanntesten davon die Insel Rhodos – von diesem Gebiet hört man nicht oft:

Folgt dem link [1], habe dort ein paar Stichworte hinterlegt, wieder eine irre Geschichte (die besten Geschichten schreibt auch in diesem Fall wieder einmal das Leben selbst).

Was gibt’s neben den im Artikel niedergelegten Fakten noch zu sagen.

Provenienz: die im Beitrag gezeigten Marken sind aus einer langjährigen Tauschrelation. Meinem Partner überließ ich aktuelles, echtgelaufenes aus dem Eingang der Unternehmenspost. Mein Tauschpartner hingegen kaufte Sammlung auf Sammlung auf Auktionen auf und überließ Dubletten einem großen Kreis von Enthusiasten. Diese Relation war fruchtbar, dankbar und sehr unterhaltsam. Leider aus Altersgründen beendet, ich vermisse das - war genau das richtige, so vier Mal im Jahr - insbesondere für die dunkle Jahreszeit.

Wert: sage und schreibe vier Marken zeige ich, das ist mein ganzer Bestand aus 50-jähriger Sammlungstätigkeit (hatte also offenbar nicht wirklich oft Post von dort im Briefkasten), Katalogwert aktuell EUR 1,80 (die ungestempelten Marken sind gefalzt) - Barwert vermutlich EUR 1,00 (nicht weniger – meiner Meinung nach zu selten für einen größeren Discount). Aber keine Sorge, wer es krachen lassen will, bekommt eine komplette Sammlung für EUR 2.200,-- zzgl Gebühren, habe ich vor ein paar Monaten bei Felzmann gesehen (preisprägend sind ein paar Zeppelin-Ausgaben – für eine Inselgruppe in der Ägäis mit 141.000 Einwohnern vermutlich unverzichtbar).

Motive: geprägt vom Geist der Zeit - also dem italienischen Faschismus (keine Scheu, die Designs sind ansehnlich und nicht per se böse).

Die richtige Atmosphäre zum Lesen des Artikels könnte ich mir so vorstellen, dass Ihr Euch von Euerer lokalen Frittenbude ein Gyros-Pita holt und danach einen Ouzo trinkt, denn die Inseln sind griechisch geprägt. Wer allerdings den italienischen Kolonialstil würdigen will, da könnte ein Teller Spaghetti Frutti di Mare gut zu passen, schließlich liegen die Inseln im Mittelmeer. Inselspezialität soll ein Salat mit Kapernblättern sein.

Was mir noch so auffiel: ich bin der Meinung, dass es sich um ein Raubstaaten-Sammelgebiet handelt, die bekannten Auflagen sind einfach zu hoch, um vor allem für den lokalen Bedarf bestimmt zu sein. Ob die ungestempelten Marken wohl jemals tatsächlich auf den Inseln waren, deren Namen sie tragen? Ich hab da meine Zweifel.

Bleibt neugierig!

[1] https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=18634&CP=0&F=1
 
Bendix Gruenlich Am: 13.01.2024 09:41:03 Gelesen: 255# 3 @  
Liebe Sammler,

heute müsst Ihr tapfer sein. Ich werde Euch heute einiges zumuten. Irgendwie werde ich meinem Motto auch untreu. Ich würde über eine Vielzahl von Ausgaben, die ich hier thematisiere, eigentlich gar nicht sprechen wollen.

Diese Designs treiben mich zum Wahnsinn - aber sie sind da, es gibt sie, sie werden bzw. wurden vermarktet, sie haben eine Geschichte. Und jetzt, da ich mich einmal damit beschäftige, kann ich sogar der ein oder anderen Ausgabe mal was Positives abgewinnen.

Darum geht’s diesmal: Äquatorialguinea.

Folgt dem link, ich habe dort ein paar Hintergründe (bzw. Abgründe) hinterlegt.

https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=18868&CP=0&F=1

Allerdings muss ich eine Warnung aussprechen: dieser Beitrag enthält Designs und Briefmarken, die als Akt psychischer und gestalterischer Gewalt wahrgenommen werden könnten.

Die Geschichte ist nicht nur philatelistisch, sondern auch historisch in Teilen grausam. Möge die westliche Welt in ihrer aktuellen Selbstgeißelung und Selbstüberschätzung als alleiniger Moralstandardsetzer endlich begreifen, dass das Böse nicht nur vom Kolonialismus und vom weißen Mann ausgeht. Auch ist der Indigene nicht immer grundsätzlich selbstlos und gut, sondern Mensch mit allen bekannten Abgründen. Lest den verlinkten Beitrag und bildet Euch hierzu selbst eine Meinung.

Was gibt’s neben den im Artikel niedergelegten Fakten noch zu sagen.

Provenienz: Ich zeige vier Ausgaben. Den Block habe ich mal von Freunden geschenkt bekommen, die sich mit der Überlassung einer ganzen Partie über meine Sammelei lustig machen wollten. Tatsächlich war die Gabe insoweit ein Volltreffer, als dass ich nicht eine Marke bereits besaß. Die Madonnen und die Sommerolympiade Wasserwettbewerbe habe ich durch Absorbierung irgendwelcher Kleinsammlungen (in Laufe meines Sammlerlebens werden mir so vierzig in die Hände gefallen sein) dazubekommen. Die Olympia 72 Fußball-Marke besitze ich tatsächlich seit über vier Jahrzehnten (ich glaube, aus einem Tütchen vom Apotheker), ohne dass sie mir ans Herz gewachsen wäre.

Wert: Katalogwert aktuell EUR 1,70 - Barwert vermutlich EUR 0,60. Ich würde dafür übrigens nicht einen Cent ausgeben. Ich mag sie einfach nicht.

Motive: einfach nur groß und bunt. Mir ist das einfach zu grell und kommerziell. Ich fühle mich dabei auch getäuscht und vorgeführt. Aber auch folgendes (und jetzt mache ich einer meiner berüchtigten 180 Grad-Wendungen)

• Die Madonnen zitieren eines der bekanntesten und beliebtesten Motive der christlichen Welt: die Mutter mit Kind. Geborgenheit, Liebe, Jugend, Reinheit und Fruchtbarkeit in einem Frieden verheißenden Motiv vereint. Dazu noch von hervorragenden Künstlern (mein Favorit: von Weyden) gestaltet. Selbst die Museen, wo man die Originale findet, sind genannt. Das ist instruktiv und lehrreich. Mit Blick auf die Geschehnisse in Äquatorialguinea in den Siebzigern hatte das auch lokalen Bezug, denn dort half seinerzeit offenbar nur noch beten.
• Die Wassersportmarken sind bunt, nicht völlig gestalterisch misslungen und wer eine Fernsehsendung dieser Zeit schaut, die den Alltag zeigt, so war dieser eher grau und braun. Farbfernsehen war 1972 auch noch neu. Und jetzt kommen diese Marken…die müssen damals sensationell gewirkt haben.
• Block: ist für alle Weltraumfreunde etwas. Space, Technik, ferne Welten – spricht mich persönlich nicht an, aber es gibt eine Schar von Sammlern dieser Motive. Übrigens mit einem phantastischen Sechseck-Flugpoststempel der spanischen Welt versehen. Ist auch noch Marke auf Marke.
• Man mag von dieser Fußballmarke halten, was man will, aber: sie zitiert für mich erkennbar die Silhouette eines architektonischen Meisterwerks: die des Münchner Olympiastadions. Ferner passen die Frisur und das schlabbrige Trikot 100% zur Zeit.

Die richtige Atmosphäre zum Lesen des Artikels: hier fällt mir eine Empfehlung schwer, die Designs sind einfach nicht lokal genug. Gut, wie wäre es denn mit Weißwürsten, Brezeln und einer Halben Helles (Olympia 72 – das Thema hat ja schließlich das Markenjahr 1972 in Äquatorialguinea schwer geprägt) - alternativ ein Brathendl (Hahn ist das Wappentier Äquatorialguineas).

Alles ganz schön irre.

Und hier habe ich noch was. Eine Düsseldorf-Marke aus Äquatorialguinea. Das Düsseldorfer historische Rathaus. Ein schöner Ort. Wenn ihr die Position eingenommen habt wie auf der Marke (ihr also vor der Front steht), dann 180 Grad-Drehung ca. dreihundert Meter gehen, dann rechts, dann steht ihr vorm „Uerige“ (Hausbrauerei). Da stehen bleiben und erstmal draußen ein Bier nehmen und das Glas auf die Philatelie erheben.


 
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