@ Christian
[#6]Hallo Christian,
Da ich momentan nicht viel selber machen kann (mein rechter Daumen ist plötzlich steif und doppelt so dick wie der linke), habe ich einen Bekannten um Rat gefragt.
Seine Antwort lautet so:
"Tja, lieber Harald, da hast Du mir eine Frage gestellt, die ich nicht eindeutig beantworten kann. Ich habe solche Umschläge noch nie gesehen. Zuerst dachte ich, dass es sich um China handelt. Nachdem ich die Rückseite gesehen habe, kann ich Dir sagen, dass es sich eindeutig um Japan handelt. Ich nehme aber doch stark an, dass es sich um keine postalischen Briefe handelt, sondern diese mehr privater Natur sind, vielleicht von eine Bank, oder einem Geschäft. Postalisch gibt es in Japan sogenannte Bargeld-Briefe, wo man in entsprechenden Umschlägen Bargeld verschicken kann. Bei Deinen Fällen glaube ich, dass auch hier „Geld“ mit im Spiel ist, denn links oben in dem Kästchen ist das Zeichen 金 = Geld.
Und damit gehen meine Weisheiten schon zu Ende. Falls ich oder Du noch etwas ermitteln können, informieren wir uns, Okay?
Viele Grüße aus Leipzig, Bernd"
Vielleicht hat aber LigneN eine gute Antwort, da er auf diesem Gebiet doch sehr kompetent ist?
Viele Grüße,
Harald
@ Christian
[#6]Hallo,
1. Die Briefumschläge
Sie stammen von der "Inlandsexpressgesellschaft", einer staatlichen japanischen Transportgesellschaft, die ergänzend zur Post bestand. 1950 privatisiert, heute:
http://www.nittsu.com.
Mehr dazu unten.
Die drei Umschläge sind Standardumschläge zur Bargeldbeföderung. Auf der Rückseite sind Regelungen abgedruckt. "handschriftlich" (Vordrucktext)
Oben steht "Zentral-Hauptlinie" (Strecke). - Wohl Sortierung für den Beutel bei Bahntransport.
Rechts im Kasten steht "Musashi" (provinz) "Sakai" (Bahnhof)
-- Das war der Bestimmungsort.
(z. Hd. Inlandstransportgesellschaft Filiale)
(Betrag) 20 sen
rechts außen steht: (Summe, Abrechnung usw. Nr. 23).
Es handelt sich um eine interne Formnummer.
unten steht (Bahnhofsfiliale)
Eingestempelt ist dann oben in violett der Ortsname, unten das Logo der Inlandstransportgesellschaft E (für Express) und mittig das "tsu" (Transport).
Das beiderseitige "E" fiel später weg, das Logo sieht man heute noch, zB auf Containern auf Flughäfen (weiss auf rot).
Die drei absendenden Filialen sind v. l. n. r. "Tachikawa" (bei Tokyo), "Kozukue" (bei Yokohama, merkwürdigerweise von links geschrieben), der dritte ?Senezawa (konnte ich nicht finden). Die Namen sind von Bahnhöfen, nicht von Orten.
Die heissen in Japan nach Straßen, Kreuzungen, Ortsteilen.
Die anderen Beträge sind 27 sen und 40 sen = Vorkriegszeit. 1920er Jahre (spätestens) kommt hin.
*Musashi = bis 1868 Provinzname für die Gegend rund um Tokyo/Yokohama.
Postalisch bis 1909 beibehalten, als Traditionsname auch noch später.
2. Inlandsexpressgesellschaft
(Wegen des direkten Zusammenhangs mit der Post 1872-77 ausführlicher)
1872.6.- gegründet als "Land(wegs-)transportgesellschaft", unter Kontrolle des Generalpostamts. War die offizielle Vereinigung der ehemaligen Privatkuriere: nach der Gründung der Staatspost wurden private Briefdienste nach und nach (mit Erweiterung des Postnetzes) verboten, 1873 endgültig. Die Privatposten/kuriere/Angestellten wurden in der neuen Gesellschaft vereinigt bzw. die Geschäftsbetriebe integriert.
1872.8.- Gesetzgebung trennt "Post" und "Transport" per Definition.
1872.9.- Private Gesellschaften dürfen keine Briefe mit Nachrichten ("Post") mehr transportieren, sonstige Inhalte wie z.B. Wertgegenstände sind ausdrücklich zugelassen.
1873.6.6 Staat macht den Betrieb aller nichtpostalischen Landwegs-Transportunternehmen genehmigungspflichtig, de facto Monopolisierung dieser Aufgaben in der Gesellschaft (Kabinettsorder Nr. 230).
Die Gesellschaft wird mit allen Transportaufgaben außer Nachrichten (Briefen) betraut, dh Geldtransport inkl. Löhnen, Briefmarken, sonstigen Wertpapieren, Paketen usw.
Aus diesem Grund hat Japans Post Pakete erst 1892 und Wertbriefe erst ab 1900 eingeführt. Danach ging die Expressgesellschaft zu Großpaketen und Industriebetreuung über.
1875.3.- umbenannt in "Inlandstransportgesellschaft". Monopolisiert den landesweiten Postkutschenbetrieb.
1875.5.- eröffnet Zweigstellen an jeder Station (erst Pferdewechsel-, dann Bahn-), bald auch an jedem Standort von Poststellen.
1877: 5083 Zweigstellen landesweit - zum Vergleich Zahl der Postämter per 1877: 3946.
1892/1900 Monopole für Geldtransport bzw. Pakettransport enden, s.o.
1928 AG als "Internationale Transportgesellschaft"
1937 aufgrund des Nationalen Transportgesetzes (kriegsbedingt) in die halbstaatliche "Japan Transportgesellschaft" umbenannt (heutiger Name).
1942 alle anderen privaten Bahn- und LKW Transportfirmen mit ihr vereinigt, erneut auf Basis des Transportgesetzes (Kriegsmaßnahme).
1950.2.1 Nationales Transportgesetz aufgehoben, privatisiert. Seitdem an der Börse Tokyo gehandelt.
2008 zur Trennung der Geschäftsbereichte postähnliche Paketzustelldienste in neue Fa. "JP Express" ausgegliedert.
2009 übergibt die meisten Bereiche des Zustelldienstes "Pelikanbin" an Tochter JP Express. Zustelldienste an Privat direkt damit praktisch nicht mehr Bestandteil des Betriebs von Nittsun.
Der Hauptgeschäftszweig besteht seit den 1960er Jahren aus dem Containerverkehr.
3. Logo
EEE (tsu) EEE wurde als Logo geschaffen von Generalpostmeister Maeshima (1832-1919, er ist auf diversen Japanmarken zu sehen). Die Idee hatte er wohl von einem Aufenthalt in den USA, als er Wells-Fargo Firmenfahnen/logos sah.
1879 wurden die "E" links und rechts von tsu wieder abgeschafft.
Das Logo wird seitdem unverändert benutzt, auf jedem Container/LKW/Schiff von Nittsun - und in jeder Filiale als Logo/Fahne.
4. Verbindung zur Post
Bis 1900 quasi der andere Arm der staatlichen Postdienste. Mit dem Ausbau des staatlichen Postpaketdienstes mehr und mehr Betreuung von Industrie und Wirtschaft (große Gebinde, große Mengen), aber bis 1950 de facto staatlich.
Anfangs Postkutschen (gepanzert, mit bewaffneter Begleitung), mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes (1889/92 durchgehende Strecken vollendet) dann vor allem Bahn. Stationen der Gesellschaft standen stets neben dem Postamt, oft sogar Schalter im selben Gebäude. Auf dem Land, dh bei 80%+ von Japans Postämtern, war der Postmeister meist in Personalunion Agent der Inlandsexpressgesellschaft (oder sogar umgekehrt, bei entsprechendem Geschäftsvolumen).
Eine direkte Zusammenarbeit gab es aber nur bei Geld/Wertbriefen, die bis 1900 im Auftrag der Post von der Gesellschaft weitertransportiert wurden.
Fazit: gehört für Kenner zu Japans Postgeschichte dazu.
Quellen:
Firmengeschichte (shashi, Selbstverlag 1962, in jap. Sprache)
Eintrag bei wikipedia.jp
2. - 4. ist mein Rohentwurf für einen deutschen wikipedia-Eintrag, also nicht vorher in der unfertigen Version irgendwo veröffentlichen. Sondern abwarten, bis ich das selbst mit Fußnoten versehen hochgeladen habe. Dann frei. ;-)
Gruß
ligneN