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Thema: Briefmarken und wie sie entstehen
Rainer HH Am: 14.09.2011 08:40:50 Gelesen: 4515# 1 @  
Der Goldesel kostet rund 3 Millionen. Aber wenn man ihn ordentlich füttert, kommen pro Minute 125.000 Euro hinten raus.

Der Goldesel frißt haufenweise Spezialpapier und steht in der Bundesdruckerei in Berlin-Kreuzberg. „Prototyp" heißt er dort und druckt im „indirekten Hochdruckverfahren" den ganzen Tag nichts anderes als Briefmarken, jede Stunde 15.000 Bogen dieser kleinen Kunstwerke. Wenn die Fünf Mark-Sorte durch die Maschine schießt, ist nach weniger als zehn Minuten eine Million zusammen. Nichts weiter als ein kleiner Stapel Spezialpapier, hinten gummiert, vorn bedruckt, Briefmarken eben und in dieser Masse eine geradezu unverschämte Versuchung. „Früher haben wir schon ab und zu ausgerechnet, wieviel Millionen man so am Tag gedruckt hat. Aber das läßt nach mit der Zeit..."

Bernd Reimer hat als Banknotendrucker vor 25 Jahren in der Bundesdruckerei angefangen. Jetzt ist er Sicherheitsbeamter und besonders vorsichtig bei „Betriebsfremden" im Sicherheitsbereich. Denn in den weitverzweigten Gebäuden der Oranienstraße, gleich neben dem Axel-Springer-Verlag, läuft neben Briefmarken, Pässen und Ausweisen für Polizei und Feuerwehr auch der lukrativste Druckauftrag Deutschlands: der blaue Zehnmarkschein, jeden Tag 900.000 mal aus der Maschine. Gegen die Sicherheitsmaßnahmen der Banknotenabteilung, Wachposten, Radarfallen und schußsichere Eingänge, scheinen Panzertüren und Videokameras, die die Briefmarken vor bösen Buben schützen sollen, fast nachlässig.

Keine Gefahr, daß bei diesen Briefmarken-Bergen einer lange Finger macht? „Es passiert schon mal was, aber Genaues möchte ich da nicht sagen", wehrt Herr Reimer vorsichtig ab. Schließlich hat man einen über 100 Jahre alten Ruf zu verlieren. 1879 vereinigte Reichskanzler Otto von Bismarck die „geheime Oberhofbuchdruckerei" und die „königlich preußische Staatsdruckerei" unter der Regie des Generalpostmeisters. Der heißt heute zwar Bundespostminister, das Prinzip aber ist geblieben. Die Post ist oberster Dienstherr der Bundesdruckerei, die aber von der Postverwaltung getrennt, wie ein kaufmännischer Betrieb arbeitet. Vielleicht ist das der Grund für die ausgezeichnete Qualität der Erzeugnisse? Wohl eher die ausgefeilte Technik, die Spezialmaschinen und die Erfahrung der Mitarbeiter, insgesamt fast 3000 in Bonn und Neu-Isenburg, die meisten davon arbeiten in der Oranienstraße in Berlin.

Klaus Böse, 39, steht am Kontrollpult im ersten Stock vor dem „Goldesel", der modernsten Briefmarkendruckmaschine der Bundesdruckerei, einer italienisch-deutsch-schweizer Koproduktion. Hinter ihm schaltschränkeweise Elektronik, die gerade im Druckgewerbe immer intensiver genutzt wird. Bei herkömmlichen Druckmaschinen sind die Einzelantriebe durch mechanische Wellen verbunden, bei neuen elektronisch synchronisiert. Und nicht nur das läuft nur noch via Computer. Nicht unproblematisch für den Mann an der Maschine: „Drucktechnisch ist meine Arbeit zwar noch dieselbe wie früher. Aber wenn mal was kaputtgeht, ist man ziemlich hilflos. Und selbst unsere Elektroniker im Hause tun sich schwer damit."

Ein Griff zum Schaltpult, ein Kommando zum Kollegen am hinteren Ende des Goldesels. Der ist Vorschrift - mindestens zwei Mann müssen bei jedem Druckbeginn an der Maschine stehen. Damit der Drucker nicht womöglich die ersten tausend Bögen auf eigene Kappe produziert...

Plötzlich ist die Hölle los. Der Fußboden zittert unter den infernalischen Schlägen, die aus dem Inneren des Druck-Kolosses donnern. Klaus Böse dreht ein Rad, der Takt der Donnerschläge wird schneller. „Das ist der Perforator", brüllt Böse, „der die Löcher in die Bögen stanzt."

Ein immer intensiveres Pfeifen von der zentnerschwere Papierrolle am vorderen Ende der Maschine druchdringt den Lärm. Die Maschine hat Hunger. Mehr Futter! 180 Bögen pro Minute spuckt sie jetzt aus, über 250 sind theoretisch möglich. Probiert hat das noch keiner. Da horcht Klaus Böse nochmal zwischen die Donnerschläge, kontrolliert den flimmernden Bildschirm auf der Konsole, der blitzschnell jeden Fehler im Inneren des 3 Millionen-Molochs anzeigt.

„Alles klar, dann zeig' mal, was in dir steckt". Nervös flackern rote Lichtreihen, das Pfeifen der Papierrolle hat keine Chance mehr gegen den betäubenden Herzschlag der Maschine. 230, 240, 250, Vollgas! Alles im ersten Stock dreht die Köpfe, die kleine Sensation durchbricht unüberhörbar den Arbeitsalltag. Da is' wat los! Da plötzlich überschlagen sich die Meldungen auf dem Fehlerbildschirm, schlagartig ebbt das Donnergetöse ab, rote Warnlampen blitzen auf. „Verflixt, jetzt ist die Papierbahn gerissen. Klappt doch noch nicht alles hundertprozentig."

Hydraulische Pressen teilen die gewaltige Maschine. Walzen und Druckplatten werden sichtbar, das Ende der gerissenen Bahn hängt schlaff zwischen zwei Führungsrollen. „Hier sieht man das Prinzip des indirekten Hochdrucks sehr deutlich", erklärt Böse gelassen. „Die Druckform ist entscheidend für die Bezeichnung: Tiefdruck heißt Drucken mit Formen, bei denen die druckenden Teile vertieft in der Platte liegen, beim Hochdruck sind die druckenden Teile erhaben. Das hier ist eine Hoch- oder Buchdruckplatte, gedruckt wird aber wie beim Offsetdruck über ein Gummituch."

Die Vorteile? „Glatteres Ausdrucken, die unterschiedliche Oberflächenrauhigkeit der Papiere wird ausgeglichen. Gegenüber dem Offsetverfahren kommt der indirekte Hochdruck ohne Wasserfeuchtung aus. Dadurch ergeben sich weniger Farbprobleme, die Druckqualität ist konstanter, das Emulgieren der Farbe wird vermieden. Außerdem schont es die Druckplatte. Beim direkten Buchdruck nutzt sich die Druckplatte durch den Papierkontakt etwa 10 Prozent schneller ab." Die älteste Buchdruckmaschine der Bundesdruckerei von 1967 arbeitet noch nach dieser Methode: Farbwalzen benetzen die „hohen" Teile der Druckplatte, die dann direkt die Papierbahn bedruckt.

Der „Stich-Tiefdruck" arbeitet mit feinen Linien, die in einen Metallzylinder graviert wurden. Aus den Vertiefungen saugt das Papier die Druckfarbe heraus. Eine, aber auch zwei Farben sind mit den Maschinen der Bundesdruckerei möglich, praktiziert beispielsweise bei der Dauerserie „Deutsche Frauen" der Bundespost. Aber schon das ist wesentlich teurer als einfarbig.

Noch aufwendiger wird es bei mehrfarbigen Sondermarken, bei denen der Offsetdruck ins Spiel kommt. Zwar dauert die Herstellung eines Stahlstichzylinders fast eineinhalb Monate, die Druckvorlage für die Offsetmaschine nur knapp zwei Stunden, dafür ist der Druck aus bis zu 15 verschiedenen Farben höchst aufwendig und damit kostspielig.

Die Abteilung Offsetdruck arbeitet eine Etage höher mit modernstem Gerät. Farbabweichungen kontrolliert der Computer. Er mißt über sein elektronisches Auge die Reflektionsstrahlen der Farbfelder am Rand der Briefmarkenbögen und stellt die Farbsättigung auf dem Bildschirm in Zahlenwerten dar. Zusätzlich hat er auch noch die Sollwerte gespeichert und vergleicht automatisch. Er könnte zwar jetzt auch selbst nachregeln, aber diesen diffizilen Vorgang überläßt man immer noch erfahrenen Druckern wie Verena Rabbe, 24, die von Hand ausgleicht, denn Feuchtung und Farbe beeinflussen sich gegenseitig. Sie hat das Druckerhandwerk in der Bundesdruckerei gelernt. Wie sie dazu kam, „is' 'ne viel zu lange Geschichte, um sie hier zu erzählen".

Erstaunlich genug, daß sich das Druckerhandwerk, seit Gutenberg immer im Kampf mit neuer Technik und alter Tradition, so flott auf die „Damen Drucker" eingelassen hat. Die kommen zwar wie ihre männlichen Kollegen um die Gautschfeier, bei der es äußerlich und in der Kehle ziemlich feucht hergeht, nicht herum. Aber auch nicht um alte Zöpfe: „Man muß sich umstellen - an der neuen Technik kommen wir nicht vorbei. Trotzdem ist das menschliche Auge immer noch entscheidend."

Offensichtlich der richtige Weg: die Fehldrucke sind in den letzten Jahren fast auf Null zurückgegangen, sehr zum Leidwesen der Sammler - bei über vier Milliarden kleiner Kunstwerke pro Jahr eigentlich unglaublich. Erstaunlich aber auch, daß am Sammeln, dem eigentlichen Geschäft mit Briefmarken die Post nur verhältnismäßig wenig verdient. Über drei Millionen Sammler allein in der Bundesrepublik horten die kleinen Wertpapiere, Millionen werden für besonders seltene Stücke bezahlt. Und das sind, pikanterweise, eben die Marken, die jede Briefmarkendruckerei am liebsten überhaupt nicht unters Volk lassen würde - Fehldrucke. Ein kleiner Klecks, eine fehlende Zacke, eine unscheinbare Farbabweichung genügt und schon verwandelt sich der massenhaft erzeugte schöne Schwan in ein häßliches, aber wertvolles, weil seltenes Entlein.

Erna Neumann (57) ist der Alptraum aller Philatelisten. Seit 1961 kontrolliert sie Briefmarken, Stück für Stück penibel unter der beleuchteten Lupe, jeden Bogen einzeln auf kleinste Abweichungen. Was irgendwie von der Masse abweicht, wandert in die hauseigene Müllverbrennung. Da ist wieder so ein seltenes Stück. Am Giebel des kleinen grünen Dachs in der unteren Reihe links, ein kleiner Punkt, der da nicht hingehört. Weg damit! Da hilft es nichts, daß der Verbrennungsofen seit Tagen kaputt ist, die geheimen Wunschträume aller Briefmarkensammler sich meterhoch im Keller stapeln. Am Ende kommt alles ins Feuer. Asche zu Asche.

Und das betrifft nicht nur Kleinigkeiten. Bis nach dem Maschinenanlauf Brauchbares zwischen den Walzen herauskommt, wandern einige Tausend Bogen Fehldrucke in den Papiercontainer. Abhängig von der Papierqualität, wellig oder nicht, kann der Ausschuß schon mal von 40 bis zu 100 Prozent betragen. Dann wird eben alles noch einmal gedruckt. Bei dem treuen Auftraggeber kein Problem. Zwar darf die Bundesdruckerei nicht wie andere Druckereien werben, hat aber immer genug zu tun und bleibt trotzdem nicht ohne Fremdaufträge. 40 Millionen Steuermarken für Venezuela beispielsweise oder fälschungssichere Eintrittskarten, die künftig Besuchern der Tierschutzparks in Kenia verpaßt werden. Das Unternehmen steht bombensicher auf Briefmarken und Banknoten. So sicher, daß man außergewöhnliche Sozialleistungen nicht nötig hat. Sicherheitsmann Bernd Reimer hat es erfahren: „Bei anderen Betrieben bekommt man Prozente auf Eigenprodukte. Da haben wir auch mal vorgeschlagen, ob wir denn die 5 Mark-Briefmarke auch für 4,50 Mark bekommen könnten. Hat leider nicht geklappt..."

Die Geschichte der Post Zu Anfang war die Post ein äußerst elitäres Unternehmen. Wer Briefe befördern und empfangen wollte, mußte schon Pharao oder ähnlich potent sein und mindestens auf Papyrus schreiben. So steht es wenigstens im Hibeh-Papyrus aus dem Jahr 255 v. Ch., dem ältesten postalischen Dokument, in dem der damalige Postmeister penibel Absender und Empfänger der hochherrschaftlichen Post vermerkte. Transportiert wurde ausschließlich zu Fuß, dabei hatte Perserkönig Kyros schon um 550 v. Ch. die Postreiter erfunden. Um 50 v. Chr. hatte Kaiser Augustus bereits ein Postnetz im gesamten römischen Reich organisiert, dessen Etappenstationen, die „mansio posita", soviel wie „Verweilstelle" hießen. Daraus entstand das Wort „Post". Damit war im Mittelalter Schluß. Außer diversen Botendiensten zwischen den Hansestädten war der private Kontakt auf Besuche beschränkt.

Erst Kaiser Maximilian I. erkannte den Wert einer Postorganisation, gleichzeitig aber auch die Behäbigkeit des Staatsapparates und befahl kurzerhand einem Privatunternehmer, auf der Stelle ein Postnetz zu organisieren. Was der Familie von Thurn und Taxis anfangs zwar viel Arbeit, aber auch Ruhm, Ehre und kräftig Kapital einbrachte. So hatte Preußen im 18. jahrhundert eine perfekt arbeitende Post, nicht zuletzt ein Grund für die militärischen Erfolge des ehemaligen Kleinstaats. Daraus wurde nach der Reichsgründung 1871 die Reichspost, später die Deutsche Bundespost. Die Geschichte der Briefmarke Die Zeiten vor der Briefmarke müssen fürchterlich gewesen sein. So war es in Frankreich üblich, die Gebühren beim Empfänger einzufordern. In England rechnete die Post seitenweise ab, was den Herren Postmeistern außer gefüllter Kasse auch noch erfrischende Lektüre einbrachte. Verständlich also, daß sie sich gegen den Vorschlag eines gewissen Rowland Hill im Jahre 1936 mit aller Macht zur Wehr setzten. Dieser Mensch forderte nämlich einheitliches Briefporto und - Briefmarken. Und damit verschlossene Briefumschläge. „Schwachkopf" war denn auch der Kommentar des Generalpostmeisters Lord Lichfield, „die Vorschläge dieses Mister Hill stellten die Potenz jeder möglichen und nur denkbaren Ungereimtheit dar." Drei Jahre debattierten die Herren, bis der Einheitstarif Gesetz war, noch ein Jahr dauerte die Einführung der Briefmarke. Am 1. Mai 1840 war es dann soweit: die ersten Briefmarken, geschmückt mit dem Bild der englischen Königin Victoria verließen die Postämter, ein Penny für die schwarze, zwei Pence für die blaue Marke.

Ausgerechnet die sonst eher behäbigen Schweizer zogen auf dem Kontinent am schnellsten nach, in Übersee machte Brasilien mit den berühmten „Ochsenaugen" den Anfang. 1847 folgten die USA und die britische Kronkolonie Mauritius. 1848 erst wurde die erste „deutsche" Briefmarke verkauft. Und flugs druckte jeder der vielen Einzelstaaten eigene Briefmarken. Das Chaos war vollkommen. Erst mit der gründung der Reichspost kam ins postalische Verwirrspiel wieder Ordnung.

Und heute kommt mancher Sammler wieder nicht mehr durch die Masse der Gedenk- und Sondermarken. Vom Entwurf zur Druckvorlage Bevor ein Pinselstrich einer neuen Marke Farbe gibt, haben eine ganze Auswahl Entscheidungsträger das Wort. Zuerst mal der Programmbeirat: drei Bundestagsabgeordnete, je ein Vertreter der Presse, des Bundes Deutscher Philatelisten, der kultusministerkonferenz, des Innenministeriums und dem Referatsleiter Briefmarken im Postministerium. Aus Hunderten von Vorschlägen sondieren diese honorigen Herrschaften jedes Jahr maximal 20 Vorschläge, die dem Bundespostminister zur Entscheidung vorgelegt werden.

Die Kriterien sind hart. Lebende Personen - Bundespräsidenten ausgenommen - dürfen nicht abgebildet werden, Werbung für Produkte ist ausgeschlossen. Was denn nun international kulturell und wirtschaftlich, sozial oder sonstwie wichtig war, bleibt auch hier Diskussionsfrage. Ist die Entscheidung gefallen, wird der „Kunstbeirat" aktiv. Zwölf Mitglieder, hauptsächlich Kunstexperten, bestimmen ungefähr sechs Grafiker und bitten um Vorschläge. Danach hat das letzte Wort wieder der Postminister. Nach Kontrolle der Probeabzüge durch den Kunstbeirat liegt alles bei den Experten der Bundesdruckerei. Hier wird zunächst das Druckverfahren festgelegt. Der sechsfach vergrößerte Briefmarkenentwurf kommt dann unter die Reprokamera, danach in die Fotolithografie, wo die Farbnegative zeichnerisch überarbeitet werden. Jetzt wird auf endgültiges Format verkleinert, nochmals korrigiert und aus diesen Filmen dann die Druckplatte hergestellt. Sämtliche Arbeitsschritte, vom künstlerischen Entwurf bis zur Herstellung der Druckplatte, sind streng geheim. Und das nur aus einem Grund: es könnte schließlich ein Sammler schon vor der offiziellen Ausgabe der Marken an ein Exemplar kommen, womöglich eines, das hinterher gar nicht ausgegeben wird. Alles schon mal dagewesen.

Quelle: http://testberichte.ebay.de/Alles-auf-Zack-Briefmarken-und-wie-sie-entstehen-1_W0QQugidZ10000000000104585
http://testberichte.ebay.de/Alles-auf-Zack-Briefmarken-und-wie-sie-entstehen-2_W0QQugidZ10000000000104590

Für eine bessere Lesbarkeit wurden von mir Absätze eingefügt.

Gruß Rainer
 
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