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Thema: Erfahrungen auf Auktionen: Briefmarken im Kreislauf
Richard Am: 06.06.2012 08:02:56 Gelesen: 20573# 1 @  
Briefmarken im Kreislauf

Von Dr. Volker Hartung

Seit 60 Jahren sammele ich Briefmarken, habe viele Gebiete begonnen, aber auch wieder aufgegeben, als ich merkte, dass diese Länder durch die Ausgabepolitik und das Verhalten der Sammler auf Tauschtagen eigentlich im wesentlichen nur auf das Geld der Sammler fixiert sind.

USA hat mich seit ca. 1960 gefesselt. Solide Ausgabepolitik, keine Zuschlagmarken, weitestgehende Spezialisierungsmöglichkeiten, interessante Nebengebiete mit teilweise schwer zu bestimmenden Untertypen (Ganzsachen) nenne ich einmal. Wenn ich ehrlich bin, bezeichne ich die Ausgabepolitik der letzten 20 Jahre nicht mehr so rosig. Aber ich sammele auch heute noch die USA mit allem, was der Scott Spezialkatalog so aufführt.

Tauschtage besuche ich nicht mehr, mir Fehlendes bei Ebay kaufe ich nicht, da mir der Kauf zu wenig Betätigung mit Briefmarken bringt. Ich empfinde sehr viel Freude daran, größere Posten auf Auktionen zu kaufen und sie dann in langwieriger Arbeit durchzuarbeiten und Material in meine Sammlung einzubauen. Den Rest verkaufe ich dann auf Auktionen oder über Ebay, um möglichst nah ein meinen Kaufpreis zu kommen.

Es gibt mehrere Auktionshäuser im norddeutschen Raum, die ich daher regelmäßig besuche. So war ich auch im Frühjahr 2011 in Hamburg zur Besichtigung in einem Auktionshaus, das mehrere interessante USA – Posten anbot. Ein Posten bestand nur aus USA – Vorausentwertungen. Es waren 56 dicke, dunkelgrüne Leuchtturm – Einsteckalben der Luxusausgabe mit jeweils 64 Seiten in allerbestem Zustand. Der Ausrufpreis betrug 3500.- Euro. Ich habe mir ungefähr 20 Alben flüchtig angesehen. Alle waren mit Bureaus und Locals sehr gut gefüllt. Die Qualität der Marken hat mich beeindruckt. Wirklich gute Erhaltung. Relativ wenige Markenausgaben der Liberty – Ausgabe und später. Ich habe 2 und 5 Dollarwerte der Präsidentenserie 1923 und gute Sondermarken vor 1930 in großer Zahl gesehen. Es dürften geschätzt 100.000 Marken (Es waren tatsächlich 100.300 Marken.) gewesen sein. Auf der Rückfahrt von Hamburg und noch 24 Stunden zu Hause rumorte es in meinem Kopf. Kaufen oder nicht? Ich habe mir aber gesagt, nachdem du alle Locals dir vom Hals geschafft hast, fängst du nicht wieder erneut an.

Also habe ich unseren Sammlerfreund Kaußen angerufen und ihm von der Sammlung erzählt. Er war sofort interessiert und wollte diese Sammlung für maximal 7500.- Euro (einschließlich der Aufschläge bei Auktionskäufen) für die ARGE kaufen, denn das wäre reichlich Material für Rundsendungen. Ich habe ihm gesagt, dass ich am Versteigerungstag in Hamburg infolge Interesses an anderen Posten im Saal bin. Also übernahm ich die Aufgabe, für die ARGE diesen Posten zu ersteigern.

Am Versteigerungstag füllte sich der Saal mit ca. 70 Personen. An der Rezeption hatte ich schon bei der netten Dame, die ich schon gut kannte, in Erfahrung gebracht, dass das VE – Los nicht schriftlich geboten war. Da ich schon mehrfach an diesen Auktionen teilgenommen hatte, erkannte ich eine größere Zahl an Gesichtern von Großeinkäufern und wusste auch, dass hier andere Briefmarkenauktionatoren kaufen kommen, um ihre Kataloge ausreichend füllen zu können. Die Sitzordnung bei diesen Auktionen ist überall gleich, in der ersten Reihe unmittelbar vor dem Auktionator hocken die Kommissionäre.

Die Versteigerung der Posten und Sammlungen begann. Es wurde wirklich alles verkauft, es gab kein Rücklos. Der Vorausentwertungsposten war nach ungefähr zwei Stunden dran. Der Auktionator verkündete, es liegt kein Gebot vor. Er pries den Posten noch einmal als ein schönes Los an. Niemand zeigte Interesse. Als er zum nächsten Los gehen wollte, habe ich meine Bieterkarte in die Höhe gehoben und 3200.- Euro gerufen. Er hob seinen Auktionshammer in meine Richtung und ich hörte „zum Ersten“ und „zum Zweiten“ .

Mein neben mir sitzender Freund stieß mich an und gratulierte mir. Da flog von einem Kommissionär die Bieterkarte hoch. Er drehte sich zu mir um, musterte mich und sagte unausgesprochen, wenn Du den Posten gebrauchen kannst, dann kann ich damit auch etwas anfangen. Bei 6500.- Euro bin ich dann ausgestiegen. Ich war stinksauer. Aber dieser Kerl war mir schon mehrfach in vorigen und der jetzigen Auktion unangenehm aufgefallen, da er sich häufiger umdrehte, die Steigernden musterte und dann rücksichtslos niedermachte.

Das VE – Los war also weg. Jetzt interessierte ich mich für den Ersteigerer. In der nächsten halben Stunde ersteigerte er für ungefähr weitere 100.000.- Euro Lose. Es gab dann eine Pause. Es wurden Schnittchen und Getränke geboten und man plauschte mit anderen Anwesenden. Ich holte also Informationen über meinen „Gegner“ ein. In Erfahrung konnte ich bringen, dass er regelmäßig für ca. 1 Millionen Euro pro Auktion kauft und mehrere süddeutsche Auktionshäuser als Auftraggeber hat, damit sie ihre Kataloge reichhaltig füllen können. Man sagte mir auch, er besichtigt nicht, was er ersteigert. Er versucht die Bieter einzuschätzen und wenn er meint, die wissen, was die Sammlung wert ist, dann überbietet er sie gnadenlos. Wenn er sich täuscht, dann trifft es seine Auftraggeber. Er hat seine Provision in jedem Fall sicher.

Ein dreiviertel Jahr später ruft mich mein Freund, der bei der Auktion zugegen war, an und berichtet mir, das Auktionshaus M. in E. bietet in seiner Auktion im Februar 2012 die Vorausentwertungen aus Hamburg an. Ich erhalte von ihm den Katalog. Der Katalog weist jetzt 40 Einzellose auf. Die einzelnen USA – Staaten mit reichlich Marken sind jeweils ein Los geworden, der Rest wurde in einem Sammelposten untergebracht. Der Gesamtausrufpreis dieser 40 Lose ergibt rund 17.000.- Euro.

Aus 3500.- Euro Ausruf in Hamburg sind immerhin schon 17.000.- Euro in E. geworden. Ich beginne, mir Gedanken über die Sammler und die professionellen Händler zu machen. Dabei komme ich auf keine guten Gedanken. Aber ich will nicht voreilig meine Schlüsse ziehen, bevor nicht das Auktionsresultat der M. – Auktion vorliegt.

Im Internet habe ich mir dann die Auktionsresultate angesehen. Wie von mir erwartet, fand diese Auflösung einer sehr guten Spezialsammlung nicht ausreichend Interessenten. Es wurden nur 15 der 40 Einzellose verkauft. 4 Lose zum Ausrufpreis, 11 Lose für 10 % unter dem Ausrufpreis. Der Versteigerer konnte nur 3868.- Euro einnehmen. Bis auf das Sammellos, das alle Reste enthielt, ist er kein Los mit einem Ausrufpreis über 250.- Euro los geworden. Sicher für den Auktionator ein ernüchterndes Ergebnis. Ca. 80 % der verkauften Lose hat ein Mitglied unserer ARGE erworben, der sich mit mir telefonisch über die Qualität dieses Postens unterhalten hat.

Die unverkauften Lose werden sicher in der nächsten M. – Auktion unter neuer Beschreibung und für einen geringfügig geringeren Ausruf erneut erscheinen. Wenn wieder keine Interessenten vorhanden sind, dann geht das Material den üblichen Weg. Es taucht dann bei anderen Auktionshäusern auf, die in der Regel in einer anderen Region Deutschlands angesiedelt sind. Denn so funktioniert normalerweise das Verkaufen von Briefmarken auf Auktionen. Man kennt sich unter den Auktionatoren und man unterstützt sich, denn man melkt gemeinsam die gleichen Interessenten, nämlich die Sammler.

Betrachten wir nun einmal die finanziellen Aspekte des voranstehend geschilderten Ablaufes. Der Sammler war mit Sicherheit philatelistisch bewandert. Er kannte sich auf dem Gebiet der US – Vorausentwertungen aus und hat 100.000 Marken zusammengetragen. Da ich unterstelle, dass es ein deutscher Sammler war, hat er diese Marken nicht auf Tauschabenden erworben, sondern sie sich über Kontakte käuflich in den USA beschafft. Das Fehlen von modernen Ausgaben sagt eigentlich klar, dass diese Sammlung zu DM – Zeiten zusammengetragen wurde.

Mindestens 90 % der Marken wurden also gekauft, Unterstellt man einen wirklich sehr niedrigen durchschnittlichen Kaufpreis von -.15 DM pro Marke, so sind etwa 13.000.- DM ausgegeben worden. Die wirklich hervorragenden Alben haben weitere 1500.- DM gekostet.

Ich glaube nicht, dass der Sammler diese Sammlung selbst für 3500.- Euro eingeliefert hat, es waren seine Erben. Er hätte sich für diesen Schandpreis bei seinem Wissen um die Beschaffungskosten anders verhalten.

Letztlich haben die Verkäufer 6600.- Euro minus ca, 20 % für den verkaufenden Auktionator, also rund 5200.- Euro erhalten, Sie haben eindeutig ein Minus gemacht, freuen sich aber sicher über den Geldsegen aus den Briefmarken, weil sie keine Beziehung zu diesem Hobby haben und den Wert des Verkauften nicht einschätzen konnten. Sie sind also klarer Verlierer.

Erster Gewinner ist der Auktionator in Hamburg. Er erhält seine Provisionen vom Verkäufer und vom Käufer. Für ihn hat es sich gelohnt.

Zweiter Gewinner ist der Kommissionär, er erhält vom Käufer seine Provision und hat nicht das geringste Risiko bei diesem Kauf, denn er hat ihn im Auftrag getätigt.

Das süddeutsche Auktionshaus als jetziger Besitzer steht noch als Verlierer da, da ihm der komplette Verkauf, wobei 100 % Gewinn anvisiert waren, nicht im ersten Anlauf gelungen ist. Aber wie geschildert, hat er diverse weitere Möglichkeiten und wird letzten Endes auch als Gewinner aus dem Vorgang gehen.

Was lernt man aus diesem Vorgang? Ein Sammler, zumal wenn er sich einem Spezialgebiet intensiv widmet, sollte seinen Erben in schriftlicher Form etwas hinterlassen, aus dem sie entnehmen können, was er so an Werten zusammengetragen hat. Da hat es keinen Sinn, irgendwelche Katalogwerte aufzuführen, sondern man muss schon mit realistischen Verkaufswerten arbeiten.

Ich versuche zum Beispiel, meinen beiden Söhnen auf dem Rechner eine Datei zu hinterlassen, in denen meine Sammelgebiete klar bewertet sind. Ich beschreibe kurz, um was es sich handelt, welche Besonderheiten enthalten sind, wie vollständig die Sammlung ist, welchen Verkaufswert ich schätze und wo man es verkaufen sollte. Jedes Mal, wenn ich eine Sammlung durch Neues wesentlich verändert habe, aktualisiere ich die Eintragung. So habe ich als Generalsammler der USA auf einer Auktion einen großen Dublettenbestand USA für nur 131.- Euro (inklusive Provision) ersteigert. Er enthielt in Luxusqualität für 3700.- Scottdollar Rollenmarken 1980 – 2003 mit Plattennummern, die alle in meine Sammlung eingeflossen sind, da es gesuchte Werte sind. Obwohl ich noch ungefähr weitere 6000 Rollenmarken als Dubletten über habe und damit den Kaufpreis irgendwie reinholen werde, habe ich einen entsprechenden Vermerk in meiner Datei gemacht. Denn meine Sammlung wurde um ca. 700.- Euro Verkaufswert verbessert. Sie bemerken, dass ich bei der Bewertung nur 20 % angesetzt habe.

Es würde mich freuen, wenn die Schilderung dieses Vorganges mit nachfolgenden Gedanken einige Sammler nachdenklich macht. Es liegt an uns Sammlern, wie wir es steuern, dass Briefmarken, die sich in einem Kreislauf bewegen, nicht nur dem Handel zum Vorteil dienen. Er soll und muss auch verdienen, wenn er Leistungen erbringt. Aber es müssen nicht immer gleich große Spannen sein.

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Der Autor, Dr. Volker Hartung, ist Mitglieder der Arge Vorausentwertungen und dort insbesondere zuständig für die USA.

Der Beitrag ist erschienen im VE-Sammler Mai 2012, dem vierteljhährlichen farbig gedruckten Rundbrief der Arge Vorausentwertungen.

Internet: http://www.arge-ve.de
 
22028 Am: 06.06.2012 09:57:20 Gelesen: 20543# 2 @  
Leider kein Einzelfall. Noch schlimmer ist es aber in den USA. Der werden bei Cherrystone z.B. Briefe angeboten die dort schon 10-mal angeboten und verkauft wurden, gekauft aber nur vom Auktionator, da der Erlös scheinbar zu niedrig war.

Inwieweit diese Erlöse dann in der Verkaufsstatistik einfliessen, kann ich nicht sagen. Sollten sie daher dort einfliessen, wäre das schlichtweg falsche Angeben zum Erlös.
 
mausbach1 (RIP) Am: 06.06.2012 10:54:49 Gelesen: 20524# 3 @  
Die geschilderten Vorgänge kann ich aus eigenem Erleben bestätigen bestätigen. Ob im weiteren Rheinland oder im Rhein-Main-Gebiet - es waren immer die gleichen Handlungsabläufe: Direkt dem Auktionator gegenüber zwei Kommissionäre - siehe oben.

Weil mich u.a. Persien interessiert verfolgte ich vor etlichen Jahren die MiNr. 30, sie hat den höchsten Katalogwert dieses Landes. Da wurde ein gestempeltes Exemplar angeboten, aber nicht verkauft. So machte dieses Stück über einige Jahre eine komplette Rundreise durch die meisten größeren Auktionshäuser Deutschlands, doch ein Zuschlag erfolgte bei keiner Firma. Dann tauchte das "gute" Stück bei Cherrystone auf, ob es hier zugeschlagen wurde entzieht sich meiner Kenntnis.

An Hand des Stempels war die Marke immer zu identifizieren.
 
duphil Am: 06.06.2012 13:57:20 Gelesen: 20478# 4 @  
Hallo zusammen!

Bei den Kreisläufen darf man auch die Profi-Einlieferer nicht vergessen. Gerade sie kaufen gerne große Sammlungen, Posten und Nachlässe, detaillieren diese und liefern dann das aufgearbeitete Material wieder ein.

Was dann in einem Auktionshaus nicht verkauft wird, wandert dann zum nächsten Auktionator usw.

Irgendwann wird auf dieser Reise sicher auch das letzte Los verkauft, wenn auch nicht immer zum ursprünglichen Startpreis.
 
philapit Am: 06.06.2012 15:14:34 Gelesen: 20454# 5 @  
Auch ich habe das geschilderte schon mehrmals erlebt. Der Höhepunkt war auch auf einer Hamburger Auktion. Da das von mir gewünschte Los unverkauft blieb, ich mich sofort zur Kasse begab, um das Los zum üblichen Ausrufpreis-10% zu erwerben.

Eine kurze Mitteilung der Mitarbeiterin ließ mich an ein Wunder glauben - das Los wäre gerade zum Ausrufpreis -10% verkauft worden. Der Käufer muß mich in der Luft überholt haben. Nach Ende der Auktion habe ich beobachtet, wer das Los gekauft hat.

Welch ein Wunder - der Kommissionär. Absprachen zwischen den Damen und Herrn sind üblich - Handzeichen die für die dahinter sitzenden Kunden nicht sichtbar sind zum Auktionator nicht unüblich. Sogenannte Schnäppchen auf Auktionen zu machen wo mehrere Kommissionäre anwesend sind - fast unmöglich. Aber nicht aufgeben. Viel Glück!
 
vozimmer Am: 07.06.2012 10:37:06 Gelesen: 20338# 6 @  
Hallo Zusammen,

ein sehr interessanter Artikel und darauf folgende ebenfalls interessante Beiträge, die alle eines zeigen: Betroffenheit und damit einhergehende Subjektivität.

Zum Artikel selbst. Was mach der Autor? Er besichtigt eine umfangreiche Sammlung, er macht für sich eine Wertschätzung und kommt letztendlich zum Schluss, die Sammlung nicht zu bebieten. Was macht sein Sammlerfreund? Der verlässt sich auf die Einschätzung des Autors, überlegt sich ein Geschäftsmodell (wenn auch zugunsten einer Arge), die Vereinzelung, und bebietet die Sammlung.

Was macht der mitbietende Kommissionär? Er macht nichts anderes (wenn er die Sammlung tatsächlich nicht besichtigt hat). Er verlässt er sich auf das Urteil des bietenden und geht davon aus, dass dieser ein Geschäft machen will. Seine Überlegung lautet: Wenn der auf eine Sammlung bietet ist da etwas drin, da ziehe ich mit.

Dann wird auch noch der Einlieferer als der Verlierer dargestellt, obwohl, wenn der Plan des Autors aufgegangen wäre, dieser erheblich weniger Geld für die Sammlung bekommen hätte. Aber das spielt nur am Rande eine Rolle.

Das Grundproblem solcher Betrachtungen ist, dass gerne davon ausgegangen wird, dass Briefmarkenauktionen dazu da sind, dass sich Sammler zu „fairen“ Preisen etwas für die Sammlung einkaufen können. Menschen, die von der Philatelie leben werden in diesem Zusammenhang eher als Parasiten betrachtet, als Menschen, die ohne einer wirklichen Arbeit nachzugehen, die Sammler aussaugen. Dabei ist es egal, ob jemand als Auktionator, Händler, Kommissionär oder Prüfer arbeitet.

Diese Sichtweise ist aber falsch. Eine Briefmarkenauktionen bildet einen Markt. Auf dem Markt tummeln sich verschiedene Akteure und alle haben ein finanzielles Interesse. Die Einlieferer, der Auktionator, der Kommissionär (der meist für einen Sammler kauft), der Berufsphilatelist, der ebay-Händler und auch der Sammler. Letzterer möchte ja für seine Sammlung die Stücke auch möglichst günstig kaufen, das ist ein legitimes finanzielles Interesse.

Natürlich bilden die Sammler die wirtschaftliche Grundlage des Marktes, ohne sie würde der Markt zusammenbrechen. Aber darum haben sie kein alleiniges Recht auf einer Auktion zu kaufen. Am liebsten noch ohne dem Auktionator („der gewinnt ja immer“) einen Erlös zu gönnen.

Um ihre Ziele zu erreichen entwickeln die verschiedenen Marktteilnehmer unterschiedlich erfolgreiche Strategien. Der Autor des Artikels hat im vorliegendem Fall (zumindest für den Kauf auf der benannten Auktion) keine erfolgreiche Strategie entwickelt, er hat sein Ziel, das Superschnäppchen, nicht erreicht. Möglicherweise liegt es daran, dass er ein bekannter Marktteilnehmer ist, er das erste Gebot abgab und damit dem pfiffigen Kommissionär ein Zeichen gab einzusteigen. Schlauer (erfolgreicher) wäre es eventuell gewesen selbst über einen Kommissionär zu bieten und durch eigen Anwesenheit und „nicht bieten“ zu zeigen, dass das Los nicht interessant ist.

Nun noch ein paar Worte zu dem Kommissionär. Hier sollte man beachten, dass das meiste was in dem Artikel steht nur Vermutungen sind. Der Autor wird nicht wirklich wissen, ob der Kommissionär die Sammlung nicht vorher besichtigt hat, oder jemand dies für ihn getan hat. Er wird nicht wissen, ob er sie für eigene Rechnung gekauft und sie selbst später aufgeteilt wo anders eingeliefert hat oder dies im Auftrag gemacht hat, oder oder oder.

Ich selbst biete mittlerweile nur noch über einen Kommissionär und bin mir sicher, dass mir das schon einiges an Geld gespart hat. Das letzte mal, dass ich schriftlich bei einem Auktionshaus geboten habe, bekam ich beide Lose genau zum Höchstgebot zugeschlagen. Komischerweise sind die anderen Lose, die sehr ähnlichen Inhalt hatten einfach liegen geblieben. Das mach stutzig und ich habe meine Strategie geändert. Die 3% vom Zuschlag, die ich jetzt (nur bei erfolgtem Zuschlag) bezahle sind da schnell wieder rausgeholt. Ich spare Zeit und Reisekosten und bin mir sicher, dass ich günstigst kaufe. Da soll der Kommissionär, der für mich tätig ist doch gerne ein gutes Auskommen haben.

Zum Schluss noch eine kurze Überlegung zum Beitrag [#5] von philapit: Er versucht sich bei der Auktion einen Vorteil zu verschaffen, in dem er ein Stück nicht bebietet und die Aufmerksamkeit anderer Marktteilnehmer damit nicht weckt. Der andere Marktteilnehmer wird ihn aber sehr wohl in der Luft überholt haben, z.B. mit einer SMS an die Dame der Kasse schon während der laufenden Auktion. Wenn die dafür eine Schachtel Pralinen erhält ist das doch ok., oder?

Viele Grüße, Volker
 
Markdo Am: 07.06.2012 11:58:34 Gelesen: 20315# 7 @  
Ich kenne auch einen "Kommissionär" der im Ruhrgebiet unterwegs ist und bei kleinen und mittleren Auktionshäusern und auf Tauschtagen Posten aufkommt - zusammenkippt und an ein großes Auktionshaus weiterschiebt. Den beschriebenen Kreislauf kann ich nur bestätigen.
 
drmoeller_neuss Am: 07.06.2012 16:36:28 Gelesen: 20274# 8 @  
Vorneweg eine Geschichte aus eigener Erfahrung. Vor Jahren hatte ich einmal ein exotisches Sammelgebiet. Auf ebay gab es vielleicht drei bis vier Sammlerkollegen mit den gleichen Interessen. Von einem wusste ich, dass Geld keine Rolle spielt. Entweder man lässt sich in einen sinnlosen Bieterkampf treiben, oder man ändert seine Strategie. Ich habe dann auf das Bieten verzichtet, und die Kollegen haben dann zum Schnäppchenpreis abgeräumt. Ich habe dann die ebay-Anbieter nach der Auktion angeschrieben, und gefragt, ob noch Material da ist. Natürlich habe ich angeboten, etwas mehr zu bieten als auf den letzten Auktionen bezahlt wurde. Einige sind darauf eingegangen. ebay wird es nicht erfreut haben, da der Freiverkauf keine Provisionen erzielt.

Man sollte nicht vergessen, dass unser Markt sehr klein ist. Jeder kennt jeden. In dem Artikel von Dr. Volker Hartung wäre der Autor als Bieter besser nicht in Erscheinung getreten, und hätte im Nachverkauf zugeschlagen. Hätte natürlich auch schief gehen können.

An dieser Stelle schätze ich doch die Transparenz von ebay. Puscher werden schnell entlarvt, und die abgegebenen Gebote kennt wirklich niemand, wenn man einen sniper einsetzt und erst in den letzten Sekunden bietet.

Im Übrigen ist der Artikel doch voller Widersprüche. Der Autor regt sich darüber auf, dass der erste Auktionator die Sammlung zu einem "Schandpreis" von 3500.- Euro ausgerufen hat. Er war aber selbst nicht bereit, den Marktpreis zu bieten. Das hat dann der Kommissionär gemacht. Letztlich hat es sich doch für die Erben gelohnt. Sie haben knapp den halben Einstandspreis erzielt. Von einer solchen Quote können die klassischen Länder- und Motivsammler nur träumen. In anderen Foren haben sich Verkäufer bitterlich darüber beklagt, dass das Auktionshaus zu bequem war, einen Posten in Einzellose aufzuteilen. Das Resultat sehen wir im zweiten Teil des Artikels. Der Auktionator hat es mit dem Einlieferer gut gemeint und hat alles vereinzelt, aber leider nur die Hälfte des Erlöses des ersten Auktionators erzielt. Vielleicht werden die Reste noch in späteren Auktionen verkauft. Ob es die Einlieferer erfreut, solange auf ihr Geld zu warten, steht auf einem anderen Blatt.

Für die Nachkommen kann es nicht schaden, wenn man die eigene Sammlung bewertet. Vielleicht tritt auch schon vorher der Versicherungsfall ein. Jeder Auktionator beschreibt Lose gerne mit dem Kommentar "nach Angaben des Einlieferers xxx Micheleuro". Das treibt den Preis nach oben und der Auktionator muss für eine falsche Angabe nicht gerade stehen.

Jeder Sammler sollte mit seinen zukünftigen Erben Klartext reden. Natürlich ist es am schönsten, die Sammlung weitergeführt zu sehen. Ansonsten muss man das Interesse der Erben realistisch einschätzen. Bei einem Erbfall gibt es viele andere wichtigere Dinge zu erledigen, als die Briefmarkensammlung aufzulösen. Häufig ist eine Immobilie vorhanden. Jeder Monat Leerstand kostet viel Geld. Unter diesem Aspekt ist eine Einlieferung zu einer Auktion die sinnvollste Strategie, obwohl eine Auflösung über ebay viel mehr erlösen würde. Per Testament kann man auch einen Sammlerfreund oder seinen Verein als Vollstrecker mit der Auflösung beauftragen, wenn man das dem Nachwuchs nicht zutraut.

Wenn sich der Nachwuchs nicht für das Sammeln interessiert und ohnehin genügend Erbmasse da ist, kann man auch per Vermächtnis seine Sammlung der Arge zukommen lassen. Über Heimatsammlungen freut sich vielleicht auch der Ortsverein oder das Heimatmuseum. Auch hier gilt es, bereits zu Lebzeiten mit den Verantwortlichen zu reden. Sonst kann es passieren, dass die Heimatsammlung im Keller des Dorfmuseums verschimmelt, weil keiner damit etwas anfangen kann.
 
Wachauer Am: 07.06.2012 22:58:09 Gelesen: 20233# 9 @  
Ein weiterer Widerspruch in dem Artikel von Dr. Hartung drängst sich mir auf:

Ich versuche zum Beispiel, meinen beiden Söhnen auf dem Rechner eine Datei zu hinterlassen, in denen meine Sammelgebiete klar bewertet sind. Ich beschreibe kurz, um was es sich handelt, welche Besonderheiten enthalten sind, wie vollständig die Sammlung ist, welchen Verkaufswert ich schätze und wo man es verkaufen sollte. Jedes Mal, wenn ich eine Sammlung durch Neues wesentlich verändert habe, aktualisiere ich die Eintragung. So habe ich als Generalsammler der USA auf einer Auktion einen großen Dublettenbestand USA für nur 131.- Euro (inklusive Provision) ersteigert. Er enthielt in Luxusqualität für 3700.- Scottdollar Rollenmarken 1980 – 2003 mit Plattennummern, die alle in meine Sammlung eingeflossen sind, da es gesuchte Werte sind. Obwohl ich noch ungefähr weitere 6000 Rollenmarken als Dubletten über habe und damit den Kaufpreis irgendwie reinholen werde, habe ich einen entsprechenden Vermerk in meiner Datei gemacht. Denn meine Sammlung wurde um ca. 700.- Euro Verkaufswert verbessert. Sie bemerken, dass ich bei der Bewertung nur 20 % angesetzt habe.

Er kauft für 131,- Euro (incl Provision), verbessert aber den Verkaufswert seiner Sammlung um 700,- Euro. Hat sogar noch 6000 Rollenmarken die er vermarkten will.

Ich fürchte, der vom Autor an seine Söhne weitergegebene "Verkaufswert" ist reines Wunschdenken und wird wohl nicht zu erzielen sein.

Herzliche Sammlergrüße
Gerhard
 
Richard Am: 18.06.2012 08:48:52 Gelesen: 19594# 10 @  
Dr. Reinhard Fischer vom gleichnamigen Auktionshaus hat durch den Philaseiten Brief von diesem Thema erfahren und uns dazu wie folgt geschrieben:

Den Artikel über die Auktionserfahrungen habe ich mit viel Freude gelesen. Heute bin ich selber Auktionator, aber ich habe ganz am Anfang, als ich noch ganz junger Händler war, ähnliche Erlebnisse gehabt. Der Artikel erinnert mich daran, dass ich mich vor über 20 Jahren selber immer über den Herrn mit der Fliege in der ersten Reihe (es war Hans Kleine-Ruse) geärgert habe, der mich fast immer überboten hat und offensichtlich voher gar nicht besichtigte, was er da ins so großen Mengen kaufte.

Heute weiss ich, dass Herr Kleine-Ruse ein Kommissionär war, der auch nicht aus Bösartigkeit einfach andere Bieter niedermacht. Die Kommissionäre arbeiten im Prinzip für jeden, der ihnen ihre recht kleine, aber in der Summe doch einträgliche Provision von meist so 1 bis maximal 4 % bezahlt. Der Kommissionär, der Herrn Hartung überboten hat, bietet auch nicht einfach nach Gefühl, wenn er sieht, dass jemand anderes auch bietet. Normalerweise haben nämlich einfach die Auftraggeber des Kommissionärs die Lose besichtigt, wobei der Kommissionär die Besichtigung auch als Dienstleistung anbietet, wenn das vom Aufwand her halbwegs machbar ist (z.B. bei Einzellosen).

Das Erlebnis, dass zuerst offenbar niemand das Los haben will und es dann den doppelten Ausruf bringt, hat man auch als Auktionator sehr häufig. Es hat einfach damit zu tun, dass ein erfahrener Auktionsbieter keine schlafenden Hunde wecken will und deshalb mit seinem Gebot häufig so lange wartet, bis der Auktionator schon das nächste Los aufruft. Man heuchelt also Desinteresse. Das ist auch einer der Hauptgründe für den Einsatz eines Kommissionärs: Es gibt nämlich wirklich Leute, die sich an die Gebote von bekannten Bietern dranhängen ("was Du brauchen kannst, kann ich sicher noch besser brauchen") und wenn dann ein Kommissionär bietet, weiss keiner, wer hinter dem Gebot steht.

Mit freundlichen Grüßen

Reinhard Fischer
 
Crispin Am: 03.07.2012 09:56:58 Gelesen: 19334# 11 @  
Die Untergebote an Deutschen Auktionen sind eine schlechte Angewohnheit. In der Schweiz gibt es nur wenige Auktionen an denen Untergebote möglich sind. Ich bin auch der Meinung dass ein Untergebot im Saal meistens eine falsche Reaktion auslöst. Schlussendlich ist es dann höher als angenommen. In diesem Falle hat wenigstens der Einlieferer (Erben) davon profitiert.

Das Wanderlose unterwegs sind ist für mich nicht neues. Auch Einzellose sind immer wieder an verschiedenen Orten zu sehen bis sie verkauft oder urplötzlich verschwunden sind.

Gruss
 
Silbergroschen Am: 03.07.2012 17:26:48 Gelesen: 19287# 12 @  
Hallo,

das mit den Unterangeboten ist so eine Sache.

Man sollte es vom Auktionshaus abhängig machen. Es gibt auch in Deutschland Auktionshäuser, wo ein Unterangebot in der Regel sinnlos ist. Dies ist aber eine Frage des Ausrufpreises.

Nehmen wir an ein Auktionshaus bietet eine Bayern Nr. 1 im reparierten Zustand, mit Fotoattest und optisch ansehnlich für 250 € an.

Dort ist ein Unterangebot wahrscheinlich aussichtslos. Wenn dieses gleiche Los oder ein ähnliches bei einen anderen Auktionshaus für 650 € angeboten wird kann man schon ein 20% Unterangebot abgeben. Es ist halt alles nur eine Frage des Ausrufpreises.

Gut finde ich z.B bei Köhler wenn ein Los zum Ausruf nicht verkauft wird, sofort 20% Nachlass angeboten wird.

Herr Fischer ist sehr kleinlich. Er akzeptiert nur 10% Unterangebote. Genau so wie in Potsdam. Dort gehen aber die meisten Lose deutlich über den Ausrufpreis weg. Wenn mich hier ein Los interessiert biete ich manchmal den doppelten Ausrufpreis. Das heisst aber nicht das ich es dann bekomme. Andere akzeptieren 20% und zum Teil noch mehr. Bei einigen wenigen Auktionhäusern sind auch 20% Unterangebote noch zu teuer, z.B eine Firma aus dem Norden.

Gruss
silbergroschen
 
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