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Thema: Deutsches Reich: Postleitweg von Berlin nach Lissabon
Mondorff Am: 08.09.2012 23:05:11 Gelesen: 4351# 1 @  
Da habe ich eine Postkarte (leider mit Aktenlöchern verziert), die am 5.12.1944 von Berlin per Luftpost nach Lissabon ging. Zensurstempel sowie der Ankunftstempel vom 20.12.44 machen es leicht an die Echtheit zu glauben.



Nur: Ich verstehe den Leitweg in dieser Karte nicht. US-Streitkräfte hatten schon die deutsche Grenze erreicht und die Lufthoheit sowieso. Trotzdem wurde die Karte nach Portugal befördert. Wie?

Mit Dank im Voraus
DiDi
 
saintex Am: 09.09.2012 17:56:43 Gelesen: 4303# 2 @  
Hallo Mondorff,

die Luftpostkarte wurde auf der Spanienstrecke der Lufthansa von Berlin über Barcelona und Madrid nach Lissabon befördert. Auch nach der Landung der Alliierten in der Normandie Anfang Juni 1944 wurde der Flugverkehr von der Lufthansa auf der Spanienstrecke aufrechterhalten und erst im April 1945 eingestellt, nachdem Spanien auf Druck der Alliierten der Lufthansa die Start- und Landerechte entzogen hatte. Ab dem 17.4.1945 durfte Spanien von der Lufthansa nicht mehr angeflogen werden, die Flüge in umgekehrter Richtung waren ab dem 21.4.1945 verboten.

Die Streckenführung lief bis Oktober 1944 Berlin-Stuttgart-(Lyon)-Barcelona-Madrid nach Lissabon. Die Lufthoheit der alliierten Kampfflieger über dem befreiten Frankreich wurde dann für die Lufthansa immer mehr zum Problem und am 27.9.1944 der Fw 200 "Pommern" (Kennung D-AMHL) zum Verhängnis. Als sich die Lufthansamaschine am Abend des 27.9.1944 gegen 20.30 Uhr auf dem Flug nach Spanien in der Gegend von Dijon befand, wurde sie von einem Nachtjäger der us-amerikanischen 415th Night Fighter Squadron angegriffen und abgeschossen. Die Maschine stürzte einige hundert Meter nördlich der Ortschaft Saint Nicolas les Citeaux ab, wobei Besatzung und Passagiere den Tod fanden.

Trotz dieser Katastrophe wurden die DHL-Flüge nach Spanien nicht unterbrochen. Allerdings wechselte die Lufthansa den Flugzeugtyp. Ab Mitte Oktober wurden auf der Spanienstrecke Flugzeuge des Typs Junkers Ju 290 eingesetzt, die mit einem Rückwärtsradar ausgerüstet waren und damit eine größere Chance hatten, feindliche Flugzeuge zu erkennen und ihnen zu entkommen. Darüberhinaus verlegte die Lufthansa die Streckenführung ihrer Spanienflüge weiter nach Süden. Die Maschinen landeten nun in München statt in Stuttgart, überflogen die Alpen Richtung Genua um dann Barcelona über den Golf von Lyon anzusteuern. Von Barcelona aus übernahm die DC 3 D-ARPF (ex PH-ALV der niederländischen KLM) den Weiterflug nach Madrid und Lissabon.

Obwohl für Spanien keine Landerechte mehr bestanden wurde am 21.4.1945 noch einmal ein Versuch unternommen, von Berlin aus über München Barcelona zu erreichen. Zum Einsatz kam die Focke-Wulf Fw 200 "Hessen" (Kennung D-ASHH). Auch dieser Versuch endete tragisch. Über Bayern geriet die Maschine offensichtlich ohnen Feindeinwirkung in Brand und stürzte in der Nähe der Ortschaft Piesenkofen in einem Wald zu Boden. Auch bei diesem Absturz gab es keine Überlebenden.

Abschließend ein Wort zum Porto. Auslandspostkarte 0.15 RM plus Luftpostzuschlag 0.10 RM pro 20 Gramm ergibt ein Gesamtporto von 0.25 RM. Deine Luftpostkarte ist damit mit 0.05 RM überfrankiert, was aber (wohl) den damaligen Umständen in Berlin geschuldet war.

Luftpostbelege aus der Schlussphase der Spanienflüge Ende 1944 bis April 1945 sind nach meiner Beobachtung recht selten. Wenn überhaupt einmal etwas angeboten wird, dann meistens aus Spanien Richtung Deutschland. Post aus Deutschland Richtung Spanien, noch dazu mit klarem Abgangs- und Ankunftsstempel, habe ich schon seit Jahren nicht mehr im Angebot gesehen. Da fallen aus meiner Sicht die beiden Aktenlöcher und die leichte Überfrankierung wertmindernd nicht ins Gewicht.

Also meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem aussergewöhnlichen Stück, dem man seine Seltenheit auf den ersten Blick überhaupt nicht ansieht.

Quellen:

Hans Werner Neulen, Deutsche Lufthansa - Der Kranich in Turbulenzen 1939-1945, Lemwerder 2003;
ders., Der letzte Flug der Fw 200 "Pommern" in: Flugzeug Classic Juli/August 2001 Seite 46-48;
Paul-Jürgen Hueske, Die Luftpostzuschläge für Europa - Auswertung der Deutschen Luftpostlisten von 1933 bis 1945, Soest 2011;
Luftpostliste vom 3.4.1944 herausg. vom Reichspostministerium

MfG

saintex
 
Mondorff Am: 09.09.2012 18:56:09 Gelesen: 4289# 3 @  
@ saintex

Ganz herzlichen Dank für die so ausführliche und erschöpfende Antwort. Besser geht es nicht. Die Karte habe ich auf der PORTUGAL 2010 in Lissabon erworben, ohne zu wissen, was dahinter steckt. Bei Interesse lasse mich das bitte wissen.

DiDi
 
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