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Thema: 19. Jahrhundert: Die Nöte eines Sohnes
bignell Am: 25.09.2013 00:08:22 Gelesen: 6500# 1 @  
Die Nöte eines Sohnes

Hallo,

folgender Brief trat am 12.3.1876 seine Reise über den grossen Teich an:





Nachfolgend die Transkription des Briefes, Rechtschreibfehler inklusive :)

Lg, harald

Camden Fort March 12th - 1876
My Dear mother
it is saturday eaveing and i sit my self down to let you know that i am enjoying good health and hope this will find you the same
Dear mother you said you was agoing to try to get me out of the army but i am sorry to tell you that you could not unless you bought me out and it would one houndred and $50 to boy my discharge and $60 to pay my fair home to

N.Y. wich would bee $210 dollars and i think that would bee to much for you to pay.
but mother if you do pay it you would have to send it to me and i would pay $150 to my commanding officer for my discharge and then pay my fare home mother if you will be so kind as to send it when i get home i will work out

untill i pay you back again. mother i am liveing in Ireland now about 16 miles from Cork it is an nice place but this is know place like home
i will send you my number and address so you will know whare to direct.
No 2715 Gunner Fred book
U? 6. Battery 15th Brigade
Royal Arttilery
Camden Fort
Cork Harbour
Ireland
mother i am sorry i have got to write for so much money but i will pay it all back again i know that two hondred is a great amount of money for you to shair at once but if my life is spaired i will pay it all back again
i will not dissert now bot they do not ?soot? them hear for disserting they onley pot them in prison for 2 months. it is getting late now so i must close
good by frome youre
loveing sone and
best wishes
2715 Gnr Fred book
No 6 B 15th B
R A
Camden Fort
Cork Harbour
Ireland
 
Gerhard Am: 25.09.2013 13:09:27 Gelesen: 6432# 2 @  
@ bignell [#1]

Welch ergreifender Text, aber warum hatte er Angst sein Leben zu verlieren. War das Leben eines "Besatzungs-"Soldaten 1876 in Irland so gefährlich? Er schreibt, dass er nicht dissertieren werde, obwohl andere dafür nur mit Gefängnis bestraft wurden. Geht die Geschichte vom heimwehgeplagten Fred noch weiter, oder ist dies der einzige erhaltene Brief? Auf jeden Fall, danke fürs Zeigen, wunderschöne lautmalerische Rechtschreibung und ein interessantes Zeitzeugnis.

Gerhard
 
bignell Am: 25.09.2013 18:09:41 Gelesen: 6378# 3 @  
@ Gerhard [#2]

Hallo Gerhard,

das ist leider der einzige Beleg von Fred, den ich habe/kenne. Wie die Geschichte weiterging, kann ich Dir leider nicht sagen, und ob er Gefahr für sein Leben sah oder bloss heim wollte, weiss ich auch nicht.

Lg, harald
 
Gerhard Am: 26.09.2013 10:43:57 Gelesen: 6336# 4 @  
@ bignell [#3]

Ich habe mal die Plattennummer 184 (haben m.E. beide Marken) im GB-spezial nachgeschlagen, die Platte stammt demnach vom 14.01.1876, Bewertung auf Brief in der Einzelfrankatur 2,-€, eine der billigsten Sorten.

Bis zum Stempeldatum 12.03.76 wurden 5 weitere Platten benutzt. teilweise im Abstand von 2 Tagen (02.03. und 04.03.). Wenn mam bedenkt, das Irland von London weit weg war, vor allem verwaltungstechnisch und in Betracht zieht, dass die Kunst des Schreibens im Süden Irlands vermutlich einem guten Teil der Bevölkerung noch weniger bekannt war als Fred und überlegt, wer in dieser Zeit dort Briefe schrieb und Geld zum frankieren (übrig) hatte, ist die Pl.-Nr, nicht weiter verwunderlich.

Der Inhalt übertrifft hier eindeutig die philatelistische Originalität. So what said Fred? bekommt hierdurch eine völlig neue Bedeutung.

Gerhard
 
doktorstamp Am: 26.09.2013 12:41:18 Gelesen: 6312# 5 @  
Ein paar kleine Berichtigungen;

for you to shair at once but if my life is spaired shair das h ist ein p, gemeint ist das Wort spare.

War das Leben eines "Besatzungs-"Soldaten 1876 in Irland so gefährlich?

Irland gehörte damals des Vereinigten Königreiches sowohl verwaltungsmässig, als auch ökonomisch und wirtschaftlich.

Warum bangt er um sein Leben? Eine mögliche Versetzung nach entweder Indien, oder Süd Afrika lag ja auf den Karten.

In Indien gab es noch regelmässig Aufstände unter der Bevölkerung, in Süd Afrika gab es einerseits die Zulu-Kriege, ihren Höhepunkt hatten sie 1876 noch nicht erreicht, und auch vom Verhalten der britischen Regierung wurden die Burenkriege zustande kommen. Es kann ihm aber auch nicht unbewußt sein, mehr britische Soldaten sind durch Pest, Seuche, und sonstige exotische tropische Krankheiten ums Leben gekommen als durch die Einwirkungen der vielen Kriege jener Zeit.

Wer damals Soldat wurde, war lebenslänglich verpflichtet, dennoch entschieden viele mit ihrem 40. Lebensjahr aus dem Dienst. Allerdings nur mit Genehmigung und Bewilligung des Oberst.

mfG

Nigel
 
bignell Am: 27.09.2013 19:37:48 Gelesen: 6269# 6 @  
@ Gerhard [#4]

Hallo Gerhard,

aus philatelistischer Sicht ist der Umschlag wertlos, so rüde wie er behandelt wurde, auch die Marken sind nicht in bester Erhaltung. Schade ist, dass der Stempel rechts in blau "U.S.C???" nicht erhalten ist, würde mich interessieren, was der aussagt. Der Chicago-Stempel auf der Rückseite sieht fast aus als wäre er mit einem billigen Tintenstrahldrucker aufgedruckt, aber eine Fälschung kann man glaube ich hier getrost ausschliessen.

@ doktorstamp [#5]

Hallo Nigel,

damit hast Du sicher recht. Was mich wundert, Fred dürfte Amerikaner sein (Mutter wohnt in Amerika, und er schreibt "Cork ist ein schönes Fleckchen, aber nicht wie zuhause") - wenn er die Armee nicht mag, warum hat er dann auch noch in einer "fremden" angeheuert?

Lg, harald
 
bayern klassisch Am: 27.09.2013 19:55:49 Gelesen: 6267# 7 @  
@ bignell [#6]

Der blaue Stempel könnte ein "US CUSTOMS" = US ZOLL - Stempel sein. Manchmal haben die Zollbehörden dort, vor allem bei dickeren Briefen, etwas "gewittert".

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bignell Am: 27.09.2013 20:02:27 Gelesen: 6266# 8 @  
@ bayern klassisch [#7]

Hallo BK,

danke für die Info, klingt überzeugend.

Lg, harald
 
doktorstamp Am: 27.09.2013 21:05:11 Gelesen: 6254# 9 @  
@ bignell [#6]

Weswegen er dazu gekommen ist, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben, dennoch gäbe es die folgenden Möglichkeiten; anscheinend hat er keinen Beruf zu verfolgen, und meldete sich freiwillig zur Armee, eine zweite Möglichkeit, er wurde aus welchen Gründen auch immer vor das Gericht gezerrt, als Strafe konnte man damals gezwungen werden Soldat zu sein.

mfG

Nigel
 
Heinz 7 Am: 27.09.2013 22:17:45 Gelesen: 6240# 10 @  
@ bignell [#1]

Hoch interessant und rührend! Ich denke, der junge Mann war in grosser Not und konnte sich nur retten, indem er sich zum Dienst meldete. Dass er dort nicht bleiben wollte, können wir jetzt nachlesen.

Es wäre schön, wenn man wüsste, wie die Geschichte ausgegangen ist. Aber 210 Dollars konnte die arme Mutter wohl nicht bezahlen.

Herzliche Grüsse
Heinz
 
bayern klassisch Am: 27.09.2013 22:51:49 Gelesen: 6230# 11 @  
@ Heinz 7 [#10]

210 Dollar entsprachen ca. 400 Gulden; das war das Jahresgehalt eines einfachen Beamten. Das hatten die meisten Menschen damals nicht so herum liegen, daher dürfte es nicht verwundern, dass die gute Frau gerne bezahlt hätte, aber nicht zahlen konnte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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