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Thema: **** Jugoslawien, die Postreform in Irland 1840 und die digitale Revolution 2024
drmoeller_neuss Am: 12.03.2024 14:42:10 Gelesen: 143# 1 @  
Jugoslawien, die Postreform in Irland 1840 und die digitale Revolution 2024

Dr. Jan Clauss hat es wieder einmal geschafft, die jährliche langweilige Pflichtveranstaltung eines Vereines zu einem philatelistischen Höhepunkt werden zu lassen: Aus ganz Deutschland und einigen europäischen Nachbarländern kamen am 9. März 2024 zur Jahreshauptversammlung der "Arbeitsgemeinschaft Jugoslawien und Nachfolgestaaten" [1] nach Köln nicht nur Interessierte der Jugoslawien-Philatelie, sondern begeisterte Philatelisten von Klassik bis modern. Es war ein munteres Stelldichein zwischen Arbeitern und Intelligenz, zwischen reinen Sammlern und Berufsphilatelisten wie Händlern und Auktionatoren und Menschen zwischen allen Stühlen wie Prüfer. Fast drei Generationen liegen zwischen den jüngsten Mitgliedern, dem Schatzmeister Jan Heldmann und der frisch gekürten Jugendbotschafterin Barbara Ikic und den ältesten Mitgliedern, Renate und Christian Springer.



Alle starren auf den Pfarrer im Gottesdienst - nein es ist der Fotograf Willy van Loo, der von der gegenüberliegenden Empore aus gleich das Gruppenfoto machen wird

Dr. Jan Clauss zieht die Jahreshauptversammlung durch, während die letzten Bissen des Büffets verdrückt werden


Der Festabend begann mit Sekt, der vom Auktionshaus Köhler gesponsert wurde. Das Büffet lies keine Wünsche über und die Bedienung sorgte für einen raschen Getränkenachschub. In seiner üblichen, launischen Art hatte der alte und neue Vorsitzende Dr. Jan Clauss die eigentliche Jahreshauptversammlung in einer halben Stunde durchgezogen. Die Arbeitsgemeinschaft läuft, die Rundbriefe bekommen gute Kritiken in der Presse und die Finanzen des Vereines sind solide. Der neue erweiterte ArGe-Vorstand setzt sich im Wesentlichen aus dem alten zusammen, erfuhr aber durch Dr. Ulrich Möller aus Neuss als Geschäftsführer und Barbara Ikic aus Kroatien einiges "Frischblut".



Haus- und Hoffotograf Willy van Loo, einmal ohne Kamera, im Gespräch mit dem Händler Mario Peronja

Der Festredende Dieter Michelson und Vereinschef Dr. Jan Clauss und ein Bierglas im Vordergrund, das alle Sicherheitsfachleute schaudern lässt


Der Ehrengast Dieter Michelson ist ein waschechter Ire, dem man seine Herkunft nicht mehr anhört. Quasi als Heimspiel hielt er einen kurzweiligen Vortrag über die Postreform in Irland, die untrennbar mit dem Wirken von Rowland Hill und der Einführung der Briefmarke in Großbritannien verbunden ist. Irland war früher ein armes Agrarland [2], das unter der Fuchtel der größeren Nachbarinsel Großbritannien stand. Viele Familien waren durch die Armut auseinandergerissen und es bestand ein Bedarf an einer funktionierenden Post. Die irische Post war von 1784 bis 1835 unabhängig. Außerhalb der Hauptstadt Dublin (Baile Atha Cliath) war die Post unzuverlässig und zudem sehr teuer, da Briefe nach Entfernung taxiert wurden. Michelson zeigte einen Beleg aus dem irischen Limerick nach Exeter in Devon im Südwesten Englands, der mit 312 Pence freigemacht war. Für das Porto musste ein irischer Landarbeiter über einen Monat arbeiten. Nach der Postreform kostete dieser Brief nur noch 8 Pence.

Im Jahre 1840 hat Rowland Hill das Postsystem revolutioniert und die Briefmarke eingeführt. Die Grundprinzipien der Hill'schen Postreform gelten noch heute: das Briefporto berechnet sich nur nach Gewicht und nicht nach der Entfernung und muss vom Absender im Voraus bezahlt werden.



Portowucher vor der Postreform - ein irischer Brief mit 1 Pfund und 6 Schillingen frankiert

Erster inner-irischer Brief zum Spartarif


Während die Briten die erste Briefmarke, die Penny Black, begeistert annahmen und aus den ersten Tagen der Briefmarke knapp 300 Belege erhalten sind, sind aus der gleichen Periode aus Irland nur zwei Briefe bekannt. Das gleiche Verhältnis besteht zwischen der Literatur über die Postreform auf der britischen Insel und Irland. Die Briten füllen Regelmeter, während die Literatur über Irland in einen Schuhkarton passt. Damit beendete Dieter Michelson seine Einführung in die irische Postgeschichte und der Abend klang bei Bier und Wein gemütlich aus.

Ein Detail am Rande und ein Aufbruch zu neuen Ufern: Die Arbeitsgemeinschaft Jugoslawien führt im 50. Jahr ihres Bestehens ab 2025 die digitale Mitgliedschaft ein. Mit etwas mehr als einem Euro pro Monat kann man bei den Balkanphilatelisten dabei sein, und bekommt die Rundbriefe als elektronische Dateien frei Haus. Diese neue Mitgliedschaft richtet sich vor allem an Interessierte im Ausland, die die Papierausgabe in deutscher Sprache nicht lesen können. Mit künstlicher Intelligenz lassen sich elektronische Dateien in fast alle Sprachen der Welt übersetzen, so dass es an der Sprachbarriere nicht mehr scheitern wird.

Auch der Autor dieses Artikels freut sich über die digitale Ausgabe der SoPhila, mit deren Lektüre er die Zeit verkürzen kann, wenn er wieder einmal auf seine Verwandtschaft in den Philippinen warten muss.

Fast alle älteren Rundbriefe sind auf einem USB-Stick erhältlich, niemand muss mehr Meter an Bücherregalen vorhalten, um die vielen Facetten der Philatelie der Balkanstaaten geniessen zu können.

[1] https://www.arge-jugoslawien.de/aktuelles.html
[2] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5468053/ (über die Lebenssituation in Irland zum Zeitpunkt der Postreform stellvertretend für viele andere Berichte aus dieser Zeit)
 
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