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Thema: **** (?) (8) Bund: Versetzte Zähnung oder falsch geschnitten?
MatzeD Am: 09.05.2024 01:11:54 Gelesen: 424# 1 @  
Bund: Versetzte Zähnung oder falsch geschnitten?

Hallo zusammen,

ich bin seit heute neu hier im Forum und würde mich gerne mit einer Frage zur abgebildeten Marke (BRD Michelnummer 1687) an Sie / Euch wenden.

Auf den ersten Blick sieht die Marke wie oben geschnitten aus, jedoch gibt es die Marke nur aus Bögen und Rollen.

Am unteren Rand sieht man, dass die Lochung nach oben verrutscht ist. Ebenso ist das Markenbild nicht zentrisch, sondern auch nach oben verrutscht. Der Abstand der unteren Lochungen zum Markenbild ist vergleichbar zu korrekt gezahnten Marken.

Ich frage mich daher, wie es zu solch einem Erscheinungsbild kommen kann. Ist das herstellungsbedingt oder ist es evtl eine Rollenmarke, die beim "Abreißen" von der Rolle durch falsche Handhabung horizontal versetzt "abgeschnitten" wurde?

Wer hat so etwas schon mal gesehen und kann was dazu sagen?

Vielen Dank und Grüße,
Matze


 
Vernian Am: 09.05.2024 01:34:36 Gelesen: 417# 2 @  
Hallo Matze,

erst einmal herzlich Willkommen im Forum!

Zu Deiner Frage: Rollenmarken haben herstellungsbedingt oft schon an den senkrechten Seiten (oder anders gesagt, den "Außenseiten" von aufgerollten Marken) eine mangelhafte Zähnung. Die "Rollen-Spender" wiederum haben i.d.R. eine (scharfe) Kante als "Abreißhilfe", an der der Benutzer (Postangesteller) die Marken abtrennen kann - hierbei kommt es oft zu ungenauen Trennungen, die auch in etwa so aussehen können wie in Deinem Beispiel. Hier liegt jedoch wohl etwas anderes vor:

Zum einen gab es (vor der Zeit der Automatenmarken) "Wertzeichenautomaten", in denen die Trennung der Marken von der eingelegten Markenrolle durch ein Schnittmesser (also quasi Schere) automatisch erfolgte, was aber selten exakt mittig der Zähnung der Fall war. Solche Marken aus Automaten können so aussehen wie die Deine: saubere Schnittkante oben, überlange Zähnung oder sogar geschlossene Zähnungslöcher unten (und natürlich auch umgekehrt).

In diesem Fall handelt es sich aber um einen Markenwert, der für Massen-(Werbe)Sendungen herausgegeben worden war, für Firmen, die solche preislich günstigeren Sendungen gerne mit einer Briefmarke versehen wollten statt einem Freimachvermerk oder -stempel (weil Postsendungen mit Briefmarken beim Empfänger "persönlicher" wirkten und eher geöffnet wurden als Werbungssendungen ohne Marke).

Diese Firmen setzten jetzt natürlich nicht jemanden extra da hin, der die Marken von Hand von einer Rolle abtrennte und aufklebte, dies erfolgt(e) automatisiert, d.h. wie im Automaten werden die Marken automatisch mittels Schnittmesser getrennt, automatisch befeuchtet und auf der Sendung verklebt, und auch das Abstempeln erfolgt i.d.R. bereits innerhalb der Firma, welche diese Massensendungen verschickt. Erkenntlich an dem kleinen Datumsstempel auf Deiner Marke.

Eben aufgrund dieses Umstands, dass Rollenmarken meistens mehr oder weniger beschädigt sind, sowohl herstellungsbedingt als auch durch diese Formen der Trennung, wurden schon früh entsprechende Marken in geringerer Auflage auch im Bogen verausgabt, um Sammlern "tadellos gezähnte" Marken anbieten zu können.

Beste Grüße

Vernian
 
Stefan Am: 09.05.2024 07:58:23 Gelesen: 388# 3 @  
@ MatzeD [#1]

Den sehr ausführlichen Informationen von Vernian ist kaum noch etwas hinzuzufügen, außer einigen Ergänzungen zum Stempel. ;-)

In der Stempeldatenbank von Philastempel [1] sind zwei Exemplare aus Tübingen vorhanden, welche zu der Entwertung deiner Briefmarke vom Stempeltyp her passen. Vielleicht handelt es sich bei einem der beiden Exemplare auch um das gleiche Stempelgerät - ein sog. "Absenderstempel". Diese Maschinen wurden von 1979 an zur Massenentwertung von mit Briefmarken frankierten Werbesendungen genutzt. Die Deutsche Bundespost bzw. später die Deutsche Post AG (DPAG) hat dafür eigene Briefmarken in Rollenform mit entsprechender Nominale (die krummen Wertstufen unterhalb des Postkartenportos) herausgegeben.

Die letzten Stempel als Gerät wurden erst 2023 aus dem Verkehr gezogen (seitens der DPAG im Einsatz verboten) - diese Frankierart war damit immerhin 44 Jahre lang postseitig in Deutschland zugelassen und auch in der Praxis gebräuchlich gewesen. Philatelistisch waren vor allem die Häuser Sieger (Lorch) und Borek (Braunschweig) jahrzehntelang sehr große Anwender gewesen. Allerdings haben vor allem in den 1980-er und 1990-er auch sehr viele nichtphilatelistische Firmen von dieser Art Werbung in großem Stil Gebrauch gemacht. Ab ca. 2010 hat die Verwendung von Absenderstempeln deutlich abgenommen und war zum Schluss eher ein Nischenprodukt gewesen. Philatelistisch betrachtet handelt es sich bei den Absenderstempeln um Vorausentwertungen, da die Stempelung = Entwertung der Briefmarke(n) als Frankatur durch den Absender und nicht durch die Post erfolgte und die Stempelmaschine auch beim Absender stand.

Wie Vernian schrieb, wurden dabei Briefmarken zur Frankatur für die Sendung verwendet, um aus Sicht des Absenders für den Empfänger der Sendung gefälliger zu wirken (neudeutsch "Eyecatcher" bzw. Blickfänger) - Werbung hatte sonst oftmals die Begleiterscheinung, beim Empfänger recht schnell ungesehen bzw. ungelesen entsorgt zu werden. Die Frankierung der Briefmarke(n) erfolgte nicht händisch von der Rolle gerissen und aufgeklebt sondern maschinell. Wenn das Schneidegerät ungünstig (aus Sammlersicht falsch) eingestellt war, wurde nicht an sondern neben der Zähnung entlang geschnitten.

Anhand deines Scans sind Teile des Ortsnamens lesbar. Ich meine "TÜBINGEN" in Teilen zu erkennen. Die auf dem nachfolgenden Scans der Stempeldatenbank ersichtliche Nummern "301" [2] bzw. "303" [3] unterhalb des Ortsnamens kennzeichnen den Hersteller des Stemelgerätes ("3") und den Anwender ("01" bzw. "03", fortlaufend durchnummeriert):



Es blieb den Absendern überlassen, als Klischee links neben dem Frankierkopf eine Frankierwelle oder einen Werbeeinsatz mit Text und/oder Bild als Grafik zu verwenden um für das eigene Produkt zu werben. Dabei wurden gefühlt kaum Grenzen gesetzt. Speziell das Briefmarkenhandelshaus Sieger aus Lorch dürfte dabei in über 40 Jahren mit die größte Stückzahl verschiedener Werbeeinsätze verwendet haben.

Gruß
Stefan

[1] https://www.philastempel.de/
[2] https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/266327
[3] https://www.philastempel.de/stempel/zeigen/333774
 
Meisterbetriebsmeister Am: 09.05.2024 11:13:46 Gelesen: 307# 4 @  
Ergänzen möchte ich, das es auch beim Vorgänger - dem Freimarkenstempler (1935 bis ca. 1956) bei ungenauer Justierung der Markenrolle im Gerät zu versetzten Abtrennungen kam. [1]

[1] https://wiki.gvit.de/lib/exe/fetch.php?media=freistempler:deutsche_postautomation_freimarkenstempler_-_firma_t_n.pdf
 
MatzeD Am: 09.05.2024 22:30:47 Gelesen: 241# 5 @  
Hallo zusammen,

vielen Dank für die schnellen, umfangreichen und kompetenten Antworten. Hier kann man echt viel lernen!

Eine Anschlussfrage hätte ich dann aber noch: Wenn ich das richtig verstehe, ist die Marke durch diesen Vorgang also im Sinne der Erhaltung zerstört worden, oder?

Oder sind solch verschnittene Marken eher rar und daher vielleicht sogar sammelwürdig? Ok, das liegt sehr im Auge des Betrachters, aber vielleicht gibt es ja eine landläufige Meinung dazu.

Danke und Grüße,
Matze
 
Christoph 1 Am: 09.05.2024 22:49:20 Gelesen: 232# 6 @  
@ MatzeD [#5]

Hallo Matze,

das kann man so pauschal nicht beantworten. Eine Seltenheit ist das aber definitiv nicht, solcher "Verschnitt" durch den Rollenmarkengeber bzw. durch maschinelle Trennung kam sehr häufig vor und stellt gerade bei dieser Verwendungsart ("Massendrucksache") eher den normalen Standard der Erhaltung dar.

Gleichwohl oder sogar gerade deshalb würde ich persönlich immer nach einer Marke mit guter Zähnung suchen, und die abgeschnittene Variante höchstens als Dublette aufbewahren, aber eigentlich kann sie auch als defekt entsorgt werden.

Viele Grüße
Christoph
 
TeeKay Am: 09.05.2024 23:50:43 Gelesen: 218# 7 @  
@ MatzeD [#5]

" Oder sind solch verschnittene Marken eher rar und daher vielleicht sogar sammelwürdig?"

Da sich diese verschnittene Marke jeder aus einem senkrechten Paar selbst herausschneiden kann und senkrechte Paare Massenware sind, können sie nicht selten sein.
 
al-lu Am: 10.05.2024 09:23:17 Gelesen: 173# 8 @  
@ Stefan [#3]

Hallo Stefan,

Du gibst erfreulicherweise zur linken Stempelabbildung die Quelle aus der Datenbank Philastempel an. Dort wird die Wellenform mit "Wellen fallend - 6" bezeichnet. In Deinem Beitrag hast Du diese Stempelform umbenannt in "Frankierwelle". Die sieht jedoch völlig anders aus [1]. Deshalb meine Bitte, Definition beachten.

Viele Grüße
Albrecht

[1] https://www.deutschepost.de/de/f/frankierwelle.html
 
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