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Thema: Onlinehandel unter steuerlichen und wettbewerbsrechtlichen Aspekten
Lars Boettger Am: 14.02.2024 19:47:31 Gelesen: 696# 1 @  
Wenn Du bei Ebay einen Fehler machst und darauf hingewiesen wirst, dann kannst Du mit drei (verständlichen) Reaktionen rechnen:

- Peinliche Berührtheit und Einsicht
- "Warum ich und nicht der" (wird sehr gerne genommen)
- "Sie haben keine Kompetenz, ist nicht ihr Prüfgebiet" (ja, stimmt in der Regel!)

Ich versuche, meine Nachrichten so neutral wie möglich zu halten:

"Hallo! Der Brustschild ist von klein auf groß umgeprägt. Bitte beenden Sie den Verkauf. Beste Grüße! Lars Böttger" (war meine letzte Meldung von gestern). Der gewerbliche Händler hat sofort reagiert und die angebotene Marke gegen eine echte Marke ausgetauscht.

sind Leute, die selten, aber ab und an was falsch anbieten, höflich kommunizieren, aber offensichtlich harmlos sind, der Gefahr ausgesetzt, abgemahnt zu werden?

Eher nicht. Die Anbieter, die wissentlich Fälschungen anbieten, oder Briefmarken mit gefälschten Prüfzeichen, Stempeln oder Aufdrucken versehen, die dabei ein paar tausend Euro Umsatz (oder mehr) im Jahr machen, da ist die Gefahr deutlich erhöht, dass sie eine Abmahnung erhalten.

Ich habe den großen Vorteil, dass mein "Gedächtnis" mittlerweile über 15 Jahre zurückreicht. Wenn sich die Meldungen zu einem Anbieter häufen, dann gehe ich auf den APHV zu und bitte um eine Beurteilung, ob hier eine Gewerblichkeit vorliegt. Oft ist der Umsatz pro Jahr zu gering oder die Verkäufe zu selten, aber ab und zu erhält derjenige einen nicht so angenehmen Brief von einem APHV-Rechtsanwalt.

Bitte beachtet beim Verkauf die folgenden Regeln:

- Garantiert die Echtheit der Marken (kein "Privatverkauf, keine Rücknahme" o.ä.)
- Wenn ihr die Echtheit aufgrund der Angaben im Michel-Katalog nicht garantieren könnt, gebt die Marken zum Prüfen
- Wenn Euch das zu teuer ist, bietet die Marke nicht auf Ebay an
- Akzeptiert als Privatverkäufer Rücknahmen ohne wenn und aber (Rückgaben kommen so gut wie nie vor)
- Wenn Euer Umsatz eine gewisse Grenze übersteigt, überlegt Euch, ob ihr das Konto nicht besser auf "gewerblich" umstellt
- Wenn Ihr für Vereinskollegen oder Freunde Marken verkauft oder wenn Ihr Auktionslose "schlachtet" (die fehlenden Marken werden behalten, der Rest über Ebay verkauft), seid Ihr immer gewerblich.

Beste Grüsse!

Lars
 
chris63 Am: 14.02.2024 21:33:11 Gelesen: 560# 2 @  
@ Lars Boettger [#1]

zwar off topic, aber die letzten beiden Sätze sind zu präzisieren.

Wenn Euer Umsatz eine gewisse Grenze übersteigt, überlegt Euch, ob ihr das Konto nicht besser auf "gewerblich" umstellt

Bitte nicht, die FA haben genug zu tun. Gewerblich anmelden nur bei gewerblichem Handeln. Umsatz und Gewinn sind erstmal irrelevant, sofern private Veräußerungsgeschäfte mit Einhaltung der Fristen vorliegen.

Wenn Ihr für Vereinskollegen oder Freunde Marken verkauft oder wenn Ihr Auktionslose "schlachtet" (die fehlenden Marken werden behalten, der Rest über Ebay verkauft), seid Ihr immer gewerblich.

Bei dem Beispiel fehlen die Voraussetzungen für gewerbliches Handeln: Dauerhaft, Wiederholt, Gewinnerzielungsabsicht. Das Beispiel lässt sich natürlich so erweitern, das ein Gewerbe daraus wird.

Ebay war mal gedacht als Verkaufsplattform von privat an privat.

grüsse christof

[Beitrag [#01] kopiert, Beitrag [#2] verschoben aus dem Thema "Recht: Abmahnung des BPP wegen Verletzung seiner "Marke BPP" durch Händlerin]
 
bovi11 Am: 14.02.2024 21:41:47 Gelesen: 541# 3 @  
@ chris63 [#2]

Grundsätzlich gilt: Eine Gewinnerzielungsabsicht ist für die Beurteilung, ob gewerblicher Handel betrieben wird, nicht erforderlich.

"Umsatz und Gewinn sind erstmal irrelevant, sofern private Veräußerungsgeschäfte mit Einhaltung der Fristen vorliegen."

Auch das ist eine rein fiskalische Sicht. Diese ist aber für eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung völlig belanglos.

"Ebay war mal gedacht als Verkaufsplattform von privat an privat."

Das ist aber schon sehr lange her und ist für die Beurteilung nach lauterkeitsrechtlichen Maßstäben ohne jede Bedeutung.
 
10Parale Am: 14.02.2024 22:39:04 Gelesen: 510# 4 @  
@ Lars Boettger [#1]

Ich freue mich, dass der Fokus auch einmal auf steuerliche Aspekte im Online-Handel geworfen wird. Hier wird oft über ebay diskutiert und ich stelle fest, dass überall Verkaufsplattformen aus dem Boden sprießen, (Beispiel: man schaue sich mal bei facebook die unzähligen Flohmärkte, Second-Hand-Abteilungen und auch Briefmarken Verkaufsforen an), dass es einem schwindlig wird.

Da gibt es Leute, die sich richtig reich rechnen und ich sah beispielsweise auf der ersten Seite eines privaten "Nachlasses" ein Foto des Bordeaux-Briefes mit ein paar bayerischen Ganzsachen vermischt, so dass die Neugier sofort geweckt war.

Um bei der Steuer zu bleiben. Ich denke, die Finanzämter sind mit der Materie hoffnungslos überfordert, weil Personal zur Kontrolle fehlt. Ich finde, ebay macht seine Sache ganz gut. Ebay war tatsächlich vor vielen Jahren ein Eldorado für Privatverkäufer. Dass dabei unwillkürlich auch gegen das Lauterkeitsrecht verstoßen wurde, will ich nicht weiter kommentieren. Aber da hat sich vieles in die richtige Richtung weiterentwickelt. Auch von privater oder verbandsmäßiger Seite gibt es ja wirksame Kontrollmechanismen und Rechtsanwälte sorgen mal für einen Warnschuss vor den Bug, wenn einer überzieht.

Ich persönlich mache mir viel mehr Sorgen über ganz andere Themen als die steuerlichen Aspekte. Ich freue mich aber hier von fachlicher Seite Tipps zu lesen. Es soll ja mittlerweile auch Firmen geben, die einem Jungunternehmer*in bei der Eröffnung eines online-Handels in rechtlichen Fragen beratend zur Seite stehen. Kostet halt was, Recht zu bekommen.

Liebe Grüße

10Parale
 
chris63 Am: 14.02.2024 23:54:13 Gelesen: 478# 5 @  
@ bovi11 [#3]

Wie soll auf private (echte) Veräußerungsgeschäfte das Wettbewerbsrecht anwendbar sein, solange Verkäufer darauf achten, jeden Verdacht eines gewerblichen Handelns zu vermeiden drohen keine wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen.

Fiskalische Konsequenzen mögen später einsetzen. Wenn ich 5 paar neue gleiche Schuhe zu 200,-€ verkaufe interessiert sich das Finanzamt nicht dafür, aber vielleicht der örtliche Schuhhändler und über die Fiktion des quasi gewerblichen Handelns kommt eine Abmahnung.

Nur Beispiel: Die letzten 31 Jahre habe ich meiner Frau zum Geburtstag Schmuck im Wert von 100.000,-€ gekauft, Frau leider verstorben.

Der letzte Kauf ist über 1 Jahr her. Verkauf einzeln über Ebay, Erlös 200.000,-€. Privates Veräußerungsgeschäft - nicht steuerbar.

Aufgrund der Meldungen zum Plattform-Transparenzgesetz melde ich mich gewerblich an, steuerlicher Erfassungsbogen, Gewerbegewinn, Gewerbesteuer, Rechtsanwalt für AGBs, Verpackungsverordnung, Gefahrenübergang und so weiter.

Die Nachteile einer Gewerbeanmeldung überwiegen m.E. deutlich gegenüber der Möglichkeit wettbewerbsrechtliche Probleme zu bekommen bei einem üblichen Verkauf auf Plattformen.

Der örtliche Verein feiert 100 jähriges Bestehen und verkauft 1000 Würstchen zu kostendeckenden Preisen, die fehlende Gewinnerzielungsabsicht ist das entscheidende Argument für fehlendes gewerbliches Handeln.

Ebay als Plattform für privat ist deswegen interessant, weil die Finanzverwaltungen erst mit dem Auftreten von Händlerscharen auf den Plattformen, den Verkauf über eine Plattform als händlertypische Verhalten ansehen und gerne Steuerbescheide versenden.

grüsse christof
 
bovi11 Am: 15.02.2024 06:56:31 Gelesen: 422# 6 @  
@ chris63 [#5]

"die fehlende Gewinnerzielungsabsicht ist das entscheidende Argument für fehlendes gewerbliches Handeln."

Eine häufig, auch bei sachunkundigen Rechtsanwälten, anzutreffende Irrmeinung.

Eine Gewinnerzielungsabsicht ist grundsätzlich nicht erforderlich, um nach wettbewerbsrechtlicher Beurteilung gewerblich zu handeln. Das habe ich bereits mehrfach gesagt.
 
22028 Am: 15.02.2024 09:00:51 Gelesen: 388# 7 @  
Ich habe letztes Jahr (und dieses Jahr geht es weiter) viele Sachen im Auftrag meiner Mutter aus dem Nachlass meines Vaters bei eBay verkauft, Rechtlich, d.H. für eine evtl. Steuer, werde ich wohl dafür haftbar sein, ich harre aber einfach mal der Dinge, die da kommen.
Auch mein Steuerberater kann derzeit nichts dazu sagen, ich führe halt mal Listen mit Verkäufen und evtl. Auslagen, wer weiß wozu die mal von Nutzen sind.

Ansonsten verweise ich mal auf meinen Beitrag hier [1].

[1] https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=336110
 
chris63 Am: 16.02.2024 20:10:23 Gelesen: 280# 8 @  
@ bovi11 [#6]

Eine Gewinnerzielungsabsicht ist grundsätzlich nicht erforderlich, um nach wettbewerbsrechtlicher Beurteilung gewerblich zu handeln. Das habe ich bereits mehrfach gesagt.

Ich habe keine gegenteilige Meinung, und könnte schreiben: Bei privaten Verkäufen ist das Wettbewerbsrecht belanglos.

Ohne Kontext erzeugen die beiden Sätze doch nur einen scheinbaren Dissens, den ich versuche aufzulösen.

Fiskalisch wird von gewerblichem Handeln gesprochen, unter den Kriterien dafür findet sich auch Gewinnerzielungsabsicht.

Gewinnerzielungsabsicht ist gegeben wenn sich die Tätigkeit eignet, um Gewinne zu erzielen, ein realer Gewinn ist nicht nötig. Gewinnerzielungsabsicht ist auch gegeben, wenn Verluste gemindert werden.

Gewinnerzielungsabsicht ist unglücklich gewählt und als Tatbestandsmerkmal unbrauchbar, deswegen kommen Kriterien wie Anzahl der Artikel, Produktgruppen, Anzahl der Bewertungen, Zeitraum usw. zum Zuge. Diese Kriterien sind messbar und eindeutig. Diese Kriterien sind auch im Wettbewerbsrecht und in der Abgabenordnung genannt.

Wettbewerbsrechtlich wird von geschäftlichem Handeln gesprochen. Gewerblich und geschäftlich sind nicht kongruent, geschäftliches Handeln ist weiter gefasst. Im Wettbewerbsrecht und in der AO wird Gewinnerzielungsabsicht nur soweit erwähnt, das sie nicht erforderlich ist für eventuelle Rechtsfolgen.

Gewinnerzielungsabsicht wird nicht als Kriterium verwandt, weil

- der Begriff ist nicht bestimmt genug, und die Angesprochenen im Wettbewerbsrecht/AO haben offensichtlich eine Gewinnerzielungsabsicht.

- und Mitbewerber ohne Gewinnerzielungsabsicht wie z.B. die deutsche Umwelthilfe e.V. sollen auch unter die Gesetze fallen.

Zwar noch Mindermeinung, aber der Begriff Gewinnerzielungsabsicht wird irgendwann gestrichen.

Nun zum Kontext: Ausgangspunkt war der folgende Satz, und Briefmarken und Verkauf über Plattformen

- Wenn Euer Umsatz eine gewisse Grenze übersteigt, überlegt Euch, ob ihr das Konto nicht besser auf "gewerblich" umstellt

Ich hatte mich dahingehend geäußert, das eine gewerbliche Anmeldung bei gewerblichem Handeln erfolgen sollte und nicht nach Umsatzhöhe.

Nun mag es sein das von 100 privat gemeldeten Verkäufern nach gesetzlichen Kriterien 90% gewerblich handeln.

Darum meine Meinung: Die Vermeidung des Anscheins einer Gewinnerzielungsabsicht ist ein guter Ansatz Nachteile zu vermeiden, für Gewinnerzielungsabsicht

- ist die Anzahl der Verkäufe ein Indiz

- ist die Vereinzelung einer Sammlung zur Erzielung von Mehrerlösen ein Indiz

- sind Käufe und Verkäufe in einer Produktgruppe ein Indiz

- ist Bewertungen für Käufer abgeben und auf Bewertungen von Käufern drängen ein Indiz

- ist Listen mit historischen Ankaufspreisen führen ein Indiz (Händlertypisches Verhalten) usw.

Sein Verkäuferverhalten den gesetzlichen Normen anpassen halte ich für deutlich einfacher als ein Gewerbe zu führen.

grüsse christof
 
bovi11 Am: 16.02.2024 20:54:19 Gelesen: 250# 9 @  
@ chris63 [#8]

Für die Beurteilung von Handelsaktivitäten als gewerblich ist die fiskalische Betrachtung völlig ohne Belang. Es ist auch irrelevant, ob ein Gewerbe angemeldet ist. Und die – für die wettbewerbsrechtliche Betrachtung nicht erforderliche – Gewinnerzielungsabsicht ist durchaus ein justiziabler Begriff. Wenn andere Indizien für einen gewerblichen Handel sprechen, nützt auch der Einwand nichts, man mache mit den Verkäufen Verluste. Der Begriff wird auch nicht irgendwann gestrichen werden; diese Aussage ist einfach nur falsch.

Ich spreche aus Erfahrung einer sicher fünfstelligen Anzahl von wettbewerbs- und markenrechtlicher Verfahren.

Es kommt auch nur bedingt auf den konkreten Umsatz oder die Anzahl der Verkäufe an. Denn grundsätzlich sind die Umstände des Einzelfalls zu betrachten. So hat das Landgericht Frankfurt in einem konkreten Verfahren entschieden, dass der Verkauf von 4 gleichen neuen Mobiltelefonen als gewerblicher Handel zu qualifizieren sei. Auch in seinem Haushalt, so der vorsitzende Richter, lägen diverse Mobiltelefone herum die verkauft werden könnten, aber es seien eben keine neuen Telefone.

Aus diesem Fall kann man jedoch nicht etwa darauf schließen, der Verkauf von 4 gleichen Briefmarken sei als gewerblicher Handel anzusehen. Wer aber beispielsweise Sammlungen erwirbt, um einzelne Marken in seine Sammlung zu übernehmen und den „Rest“ einzeln verkauft, überschreitet sehr schnell die Grenze zur Gewerblichkeit.

Auch der Verkauf von Waren für Dritte ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein starkes Indiz für ein Handeln im geschäftlichen Verkehr. Das ist z.B. dann der Fall, wenn man Briefmarken für Nachbarn oder Freunde verkauft.

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Kriterien, die bei der Beurteilung gewerblicher Verkaufsaktivitäten eine Rolle spielen können.

Die weitaus meisten gewerblich einzustufenden Privatverkäufer fallen übrigens durch den Verkauf von gefälschten oder verfälschten Briefmarken auf.
 
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